Ein sich funktional ergänzendes Gegenstandsset (in diesem Fall ein Sandmalkasten) kann dem ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutz des UWG unterliegen, wenn der konkreten Ausgestaltung oder der besonderen Kombination der Merkmale wettbewerbliche Eigenart zukommt.
So entschied der BGH im Urteil „Sandmalkasten„, ob eine äußerst simple, hauptsächlich durch ihre Funktion bedingte Produktgestaltung den geltenden Anforderungen an die wettbewerbliche Eigenart im Sinn des § 4 Nr. 9 a) UWG erfüllt und damit dem ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutz zugänglich ist.
Der Auslöser des Rechtsstreits war das Spielset „Sandmakasten“ der Beklagten:
in dem die Klägerin eine Nachahmung ihres zuvor auf dem Markt erhältlichen Sets sah:
Die Klägerin wollte in der Folge die Beklagte daran hindern, das „nachgeahmte“ Set weiterzuvertreiben. Da ihr eingetragenes Gebrauchsmuster jedoch abgelaufen war, kam nur noch der ergänzende Leistungsschutz des UWG in Frage.
Für einen Unterlassensanspruch nach § 8 UWG muss – einmal abgesehen von dem Tatbestand des § 7 UWG – eine unlautere geschäftliche Handlung im Sinne des § 3 UWG vorliegen. Unlautere geschäftliche Handlungen sind Handlungen, die geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen (§ 3 Abs. 1 UWG). Da die Möglichkeiten solcher Beeinträchtigungen nahezu unendlich sind und sich im Laufe der Zeit und aufgrund des technischen Fortschritts laufend erweitern, hat der Gesetzgeber zur Orientierung in § 4 UWG einige Generalbeispiele formuliert, unter die die meisten Beeinträchtigungen zu subsumieren sind.
Entscheidende Bedeutung im oben erwähnten Urteil kam dem § 4 Nr. 9 a) UWG zu, nach dem derjenige unlauter handelt, der Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt.
Begriff der wettbewerblichen Eigenart
Zentraler Punkt des § 4 Nr. 9 a) UWG ist der nicht gesetzlich definierte Begriff der wettbewerblichen Eigenart, der von der ständigen Rechtsprechung (dazu siehe hier) entwickelt wurde. In dessen Sinne ist maßgebend, ob eine konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale der Ware geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf deren betriebliche Herkunft oder deren Besonderheiten hinzuweisen.
Daraus ergibt sich, dass bei der Beurteilung der Frage nach dem Gegenstand des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes von der Verkehrsauffassung auszugehen ist (Sambuc; in Harte/Henning, UWG, 2. Aufl., § 4 Nr. 9 Rn. 23). Ebenso bestimmt sich nach der Verkehrsauffassung, ob eine Gesamtheit von Erzeugnissen – wie im vorliegenden Fall – Schutz genießt, weil ihr als solche wettbewerbliche Eigenart zukommt. Dies kommt insbesondere im Hinblick auf Produkte und die mit ihnen funktional zusammenhängenden Zubehörstücken in Betracht. So kann nach der Rechtsprechung des Senats eine aus Puppen und für eine bestimmte Spielsituation passendem Zubehör bestehende Ausstattung wettbewerbsrechtlichen Schutz genießen (siehe Urteil „Puppenaussattung„). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Idee, für eine bestimmte Spielsituation ein Produkt mit dem entsprechenden Zubehör herzustellen und zu vertreiben, im Interesse der Freiheit des Wettbewerbs grundsätzlich keinen Schutz genießen kann. Als herkunftshinweisend kann jedoch die besondere Gestaltung oder eine besondere Kombination der Merkmale angesehen werden („Puppenaussattung„).
Einfachheit der Gestaltung und deren technische Notwendigkeit
Nachdem das Gericht die obigen Anforderungen an die wettbewerbliche Eigenart des Produkts bejaht hatte, äußerte es sich zu den Einwendungen der Gegenseite, die Produktmerkmale seien nur durch deren technische Notwendigkeit bestimmt.
Auch dieser Punkt ist im Gesamtkontext bei der Beurteilung der wettbewerblichen Eigenart zu beachten, denn aus Rechtsgründen können technisch notwendige Merkmale, die für die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Produkts unabdingbar sind, keine wettbewerbliche Eigenart begründen (Tz. 27).
Die Übernahme von nicht unter Sonderrechtsschutz stehenden Gestaltungsmerkmalen sei mit Rücksicht auf den Grundsatz des freien Stands der Technik wettbewerbsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden. Dagegen können Merkmale, die zwar technisch bedingt, aber frei wählbar oder austauschbar sind, einem Erzeugnis wettbewerbliche Eigenart verleihen (siehe LIKEaBIKE).
Dieses erkannte der entscheidende Senat in der Gestaltungsform des Sandmalkastens; dessen einzelne Elemente seien zwar durch ihre technische Aufgabe bedingt, allerdings würde eine breite Auswahl anderer Formen existieren, welche die selbe technische Aufgabe erfüllen würden.
Zu guter letzt führte die Gegenseite an, dass die einzelnen Elemente des Malkastens so simpel gestaltet wären, dass denen keine Eigenart zukommen könne.
Der BGH ist da allerdings anderer Ansicht: Eine wettbewerbliche Eigenart setzt nicht voraus, dass die zur Gestaltung eines Produkts verwendeten Einzelmerkmale originell sind. Auch ein zurückhaltendes, puristisches Design kann geeignet sein, die Aufmerksamkeit des Verkehrs zu erwecken und sich als Hinweis auf die betriebliche Herkunft des Produkts einzuprägen.