Aufgrund der Covid-19-Pandemie und der Bund- und Länderbestimmungen zu Kontakt- und Versammlungsbeschränkungen konnten die Hauptversammlungen in Präsenz nicht wie geplant stattfinden. Mit seinem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie vom 27. März 2020 hat der Bund neue Bestimmungen für das Abhalten von Hauptversammlungen eingeführt. Diese Ausnahmeregelung war zunächst auf den 31. Dezember 2020 befristet, wobei ihre Gültigkeit aufgrund der anhaltenden pandemischen Lage zuerst bis Ende 2021 und nun sogar bis zum 31.08.2022 verlängert wurde. So kann besonders den Aktiengesellschaften mit einem abweichenden Wirtschaftsjahr, die bereits zu Beginn des Jahres 2022 ihre Hauptversammlung abhalten müssen, Planungssicherheit und ein Erhalt der Handlungsfähigkeit ermöglicht werden.

Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft; Kommanditgesellschaft auf Aktien; Europäische Gesellschaften (SE)

Die Hauptversammlung ist neben dem Aufsichtsrat und dem Vorstand eines der drei Organe der Aktiengesellschaft, Kommanditgesellschaften auf Aktien und Europäischen Gesellschaften (SE). In der Hauptversammlung können die Aktionäre ihre Rechte als Teilhaber an der Gesellschaft ausüben.

Die Rechte und Verantwortlichkeiten der Hauptversammlung sind in § 119 AktG festgesetzt. Dazu gehören die Bestellung der Mitglieder des Aufsichtsrats, die Bestimmung über die Verwendung des Bilanzgewinns, die Festlegung des Vergütungssystems und den Vergütungsbericht für Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats, die Bestellung des Abschlussprüfers, die Bestimmung über mögliche Satzungsänderungen, die Bestimmung von Maßnahmen über Kapitalbeschaffung und der Kapitalherabsetzung und den Beschluss über die Auflösung der Gesellschaft.

Einmal jährlich muss der Vorstand eine ordentliche Hauptversammlung einberufen. Die Hauptversammlung hat gem. § 175 Abs. 1 Satz 2 AktG innerhalb der ersten acht Monate nach dem Jahresabschlussstichtag stattzufinden. Jeder Aktionär verfügt über ein Recht in Präsenz an der Hauptversammlung teilzunehmen. Damit verbunden ist die Verpflichtung des Vorstandes, den Aktionär zu sämtlichen Hauptversammlungen einzuladen. Nach § 118 AktG kann die Satzung vorsehen, oder den Vorstand dazu ermächtigen vorzusehen, dass die Aktionäre an der Hauptversammlung auch ohne Anwesenheit an deren Ort und ohne einen Bevollmächtigten teilnehmen und sämtliche oder einzelne ihrer Rechte ganz oder teilweise im Wege elektronischer Kommunikation ausüben können.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 AktG ist die Hauptversammlung mindestens 30 Tage vor der Versammlung einzuberufen. Die Einberufung enthält die Zeit und den Ort, sowie die Tagesordnung der Versammlung. Aktionäre können eine Ergänzung der Tagesordnung verlangen. Das Ergänzungsverlangen inklusive Begründung oder Beschlussvorlage muss der Gesellschaft mindestens 24 Tage (bei börsennotierten Gesellschaften mindestens 30 Tage) vor der Versammlung zugehen. Aktionäre haben das Recht, Anträge zu bestimmten Punkten der Tagesordnung zu stellen. Die Übersendung des Antrags mit Begründung an die Gesellschaft muss mindestens 14 Tage vor der Versammlung erfolgen. Die Antragsstellung selbst darf auch ohne vorherige Ankündigung während der Versammlung erfolgen. Gemäß § 125 AktG hat die Mitteilung über die Hauptversammlung bei Kreditinstituten und den Vereinigungen von Aktionären, die in der letzten Hauptversammlung Stimmrechte für Aktionäre ausgeübt oder die die Mitteilung verlangt haben, mindestens 21 Tage vor der Versammlung zu erfolgen. Bei Inhaberaktien börsennotierter Gesellschaften ist der Nachweis über den Anteilsbesitz der Aktionäre durch das depotführende Institut auf den Beginn des 21. Kalendertages vor der Versammlung zu beziehen und muss der Gesellschaft mindestens sechs Tage vor der Versammlung zugehen, sofern in der Satzung keine kürzere Frist vorgesehen ist.

Wesentliche Änderungen für die Hauptversammlung durch das Covid-19-Gesetz

Die Frist zur Abhaltung der Hauptversammlung von acht Monaten nach dem Jahresabschlussstichtag wurde durch das Covid-19-Gesetz auf zwölf Monate verlängert. Die Amtszeit von Aufsichtsratsmitgliedern verlängert sich jedoch nicht, auch wenn der Vorstand die Hauptversammlung bis zum Ende des Geschäftsjahres verschiebt und damit noch kein Nachfolger gewählt ist.

Abhaltung einer virtuellen Hauptversammlung

Eine weitere Änderung aus Artikel 2 § 1 Abs. 1 COVID-19-GesR-G besagt, dass der Vorstand Entscheidungen über die virtuelle Abhaltung der Hauptversammlung treffen darf. Der Vorstand darf demnach mit Zustimmung des Aufsichtsrates entscheiden, dass die Hauptversammlungen rein virtuell abgehalten, und den Aktionären damit die Teilnahme in Präsenz verwehrt wird. Weiterhin müssen sich auch bei einer virtuellen Versammlung der Versammlungsleiter und der beurkundende Notar physisch zusammen an einem Ort befinden, da in Deutschland eine virtuelle Fernbeurkundung weiterhin nicht möglich ist. Die Versammlung muss vollständig per Bild und Ton übertragen werden. Dabei ist eine Zwei-Wege-Direktverbindung im Sinne der „echten“ Teilnahme nicht zwingend erforderlich. Der Vorstand hat allerdings sicherzustellen, dass sämtliche Wahlen und Abstimmungen in Echtzeit im Wege der elektronischen Kommunikation möglich sind. Das Auskunftsrecht der Aktionäre wird durch die Einräumung einer Fragemöglichkeit auf elektronischem Wege ersetzt. Der Vorstand kann nach pflichtgemäßem, freiem Ermessen entscheiden, ob und wie er die Fragen beantwortet. Der Vorstand kann in der Einberufung festlegen, dass Fragen bis spätestens zwei Tage vor der Versammlung einzureichen sind. Fehlt eine Frist, können die Fragen bis zum Ende der Aussprache gestellt werden. Rechtsfolge der virtuellen Hauptversammlung, bei der die Stimmrechtsausübung nur mittels elektronischer Briefwahl möglich ist, ist eine Einschränkung des Rede- und Auskunftsrechts der Aktionäre, sowie des Antragsrecht. Anträge können nur gestellt werden, wenn eine „echte“ elektronische Teilnahme vorgesehen ist. Ist lediglich die Stimmrechtsausübung mittels Briefwahl oder Vollmachtserteilung gestattet, kann von dem Antragsrecht kein Gebrauch gemacht werden. Der Vorstand darf ohne Ermächtigung der Satzung Entscheidung über die elektronische Stimmabgabe nach § 118 Absatz 2 AktG (Briefwahl), die Teilnahme von Mitgliedern des Aufsichtsrats im Wege der Bild- und Tonübertragung und die Zulassung der Bild- und Tonübertragung nach § 118 Absatz 4 AktG treffen. Des Weiteren ist es dem Vorstand abweichend von § 59 Absatz 1 AktG auch ohne Ermächtigung durch die Satzung erlaubt, den Aktionären einen Abschlag auf den Bilanzgewinn auszuzahlen. Dies gilt entsprechend auf die Ausgleichszahlungen an außenstehende Aktionäre im Rahmen eines Unternehmensvertrages.

Entschärfung der einzuhaltenden Fristen

Weitere Änderungen durch das Covid-19-Gesetz belaufen sich auf eine Entschärfung der einzuhaltenden Fristen. Gemäß Artikel 2 § 1 Abs. 3 COVID-19-GesR-G kann der Vorstand entscheiden, die Hauptversammlung spätestens am 21. Tag vor der Versammlung einzuberufen. Der Nachweis über den Anteilsbesitz bei börsennotierten Gesellschaften ist auf den Beginn des zwölften Tages vor der Versammlung zu beziehen. Bei Inhaberaktien muss dieser Nachweis der Gesellschaft mindestens vier Tage vor der Versammlung vorliegen, sofern der Vorstand in der Einberufung der Versammlung keine kürzere Frist festgesetzt hat. Diese Regelung ersetzt abweichende Bestimmungen in der Satzung. Entscheidet sich der Vorstand dazu, von den verkürzten Fristen Gebrauch zu machen, muss die entsprechende Mitteilung nach § 125 Abs. 1 Satz 1 AktG spätestens zwölf Tage vor der Versammlung erfolgen und eine Mitteilung an die zu Beginn des zwölften Tages vor der Versammlung im Aktienregister eingetragenen Personen zugestellt werden. Ein Ergänzungsverlangen der Tagesordnung nach § 122 Abs. 2 AktG muss der Gesellschaft mindestens 14 Tage vor der Hauptversammlung zugehen.

Die Zustimmung des Aufsichtsrates kann abweichend von § 108 Abs. 4 AktG auch ohne Ermächtigung durch die Satzung oder die Geschäftsordnung ohne physische Anwesenheit der Mitglieder des Aufsichtsrates schriftlich, fernmündlich oder in vergleichbarer Weise stattfinden.

Anfechtbarkeit von Beschlüssen

Weitere Änderungen durch das Covid-19-Gesetz beziehen sich auf die Anfechtbarkeit von Beschlüssen. Weiterhin kann ein Beschluss der Hauptversammlung gem. § 243 Abs. 3 Nr. 1 AktG nicht angefochten werden, wenn es bei der Übertragung aufgrund von technischen Störungen zu einer Verletzung der Aktionärsrechte während der Versammlung kommt, sofern der Gesellschaft keine grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. Hinzu kommt nun, dass eine Anfechtung ausdrücklich nicht auf eine Verletzung des § 118 AktG oder eine Verletzung von Formerfordernissen für Mitteilungen nach § 125 AktG gestützt werden kann, es sei denn, der Gesellschaft ist Vorsatz nachzuweisen. Ebenso kann eine Beschlussanfechtung nicht auf eine Verletzung der Fragemöglichkeit nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 COVID-19-GesR-G gestützt werden.

Eine Nichtigkeitsfolge nach § 241 Nr. 1 AktG kann für Beschlüsse drohen, wenn der digitale Ort (Internetadresse, Einwahldaten) der Versammlung nicht in der Einberufung enthalten sind und Aktionären so die Teilnahme an der Versammlung und die Ausübung ihrer Rechte (z.B. Stimmabgabe oder Fragerecht) verwehrt wurden.

Nach § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 COVID-19-GesR-G muss den Aktionären, die in einer virtuellen Hauptversammlung ihr Stimmrecht ausgeübt haben, eine Widerspruchsmöglichkeit eingeräumt werden.

In Zeiten von Kontaktbeschränkungen und Versammlungsverboten hat der Gesetzgeber mit dem Covid-19-Gesetz eine gesetzliche Grundlage geschaffen, um die Handlungsfähigkeit weiterhin zu gewährleisten. Zwar werden durch das rein virtuelle Abhalten einer Hautversammlung einige Aktionärsrechte eingeschränkt, jedoch ist es so auch denjenigen Aktionären möglich ihr Stimmrecht auszuüben, die an einer Präsenzversammlung nicht teilnehmen könnten.

Es bleibt abzuwarten, ob sich der Gesetzgeber in der neuen Legislaturperiode mit einer Reform des Hauptversammlungsrechts befasst. Hierbei stellt sich die Frage, ob einige oder vielleicht sogar die Gesamtheit der Regelungen aus dem Covid-19-Gesetz für die Zukunft erhalten bleiben.