Die Debatte um Nachhaltigkeit im Bereich der Unternehmensführung hält weiter an. Auf EU-Ebene verfolgt die Europäische Kommission in ihrer Initiative für nachhaltige Unternehmensführung das Ziel, den EU-Rechtsrahmen für Gesellschaftsrecht und Corporate Governance zu verbessern und EU-weit einheitlich zu gestalten.

Im Mittelpunkt der Initiative steht die Absicht der Neuausrichtung des Unternehmensinteresses, um so den Weg vom Shareholder-Ansatz mit vorrangiger Gewinnerzielungsabsicht der Eigenkapitalgeber*innen hin zum Einklang der Interessen aller Stakeholder*innen zu ebnen. Nachhaltige Unternehmensziele sollen langfristig sein und ihre Ausrichtung inhaltlich bezogen auf die Aspekte Umwelt, Soziales und ordnungsgemäße Unternehmensführung erweitert werden.

Im Rahmen des partizipativen Gesetzgebungsprozesses erarbeitet und veröffentlicht die Europäische Kommission Initiativen, um Bürger*innen zu konsultieren und so in den Gesetzgebungsprozess im Rahmen politischer Teilhabe einzubeziehen. Nach Abschluss der öffentlichen Konsultation muss die Kommission darüber beraten, ob eine Initiative angenommen und so als Grundlage einer potenziellen EU-Richtlinie oder EU-Verordnung dienen soll, oder nicht. EU-Gesetze werden grundsätzlich auf Grundlage eines Kommissionsvorschlags von Europäischem Rat und Parlament verabschiedet. Anders als Verordnungen, die nach ihrem Beschluss von EU-Rat und Parlament sofort Gesetzescharakter haben, müssen Richtlinien, die auf EU-Ebene beschlossen werden, innerhalb einer Frist von zwei Jahren in nationales Recht umgesetzt werden.

Im Fall der Initiative für nachhaltige Unternehmensführung fand die Befragung der Öffentlichkeit vom 26. Oktober 2020 bis 8. Februar 2021 statt. Aus dem Bericht der EU-Kommission über die Öffentlichkeitsbefragung geht hervor, dass die Mehrheit (81,1%) der Teilnehmer eine Gesetzgebungsinitiative der EU befürworte, durch die ein rechtlicher Rahmen hinsichtlich unternehmerischer Sorgfaltspflichten bezüglich Nachhaltigkeit und Berücksichtigung von Stakeholder-Interessen geschaffen wird. Außerdem auf mehrheitliches Interesse gestoßen ist der Vorschlag, gesetzliche Sorgfaltspflichten von Geschäftsleitern, um folgende Punkte zu erweitern: Benennung von Stakeholder-Interessen, Umsetzung von Verfahren zur Berücksichtigung von Stakeholder-Interessen, Abwägung und Abstimmung verschiedener Stakeholder-Interessen bei unternehmerischen Entscheidungen, Einbringung dieser in die Unternehmensstrategie, Durchsetzung dieser Pflichten mittels einer potenziellen Haftung von Geschäftsleitern.

Mit Abschluss der Auswertung der öffentlichen Konsultation ist mit einem Gesetzesentwurf der EU-Kommission zu rechnen, welcher dem Gesetzgeber vorgelegt würde. Sollte dieser die Initiative befürworten, würde dies eine weitreichende Reformation des Aktienrechts bedeuten.

Zum einen müssten Vorstände börsennotierter Aktiengesellschaften Nachhaltigkeitsziele im Rahmen des Unternehmensinteresses nach § 76 AktG berücksichtigen, zum anderen bedeutete eine Gesetzesänderung für den Aufsichtsrat die Einführung einer nachhaltigkeitsorientierten Überwachungspflicht nach §§ 111, 107 III AktG. Zudem käme es zur Festlegung nachhaltigkeitsbezogener Sorgfaltspflichten in §§ 93 und 116 AktG und zur Erweiterung der Vorstandsberichte an Aufsichtsrat um Nachhaltigkeitsthemen nach § 90 I Nr. 5 AktG. Zudem wäre die Etablierung eines nachhaltigkeitsorientierten internen Kontrollsystems und Risikomanagementsystems nach § 91 II AktG unumgänglich.

Rechtsanwalt Dr. Alexander Wellerdt fasst in einem aktuellen Artikel die Entwicklungen zur Förderung einer nachhaltigen Unternehmenstätigkeit zusammen und benennt eine nachhaltige Unternehmensführung als eine von drei Kernzielen unternehmerischer Nachhaltigkeitsstrategien.
Bereits in der Vergangenheit wurden auf EU-Ebene zahlreiche Maßnahmen in Form von Verordnungen und Richtlinien zur Unterstützung der Verfolgung einer eben solchen nachhaltigen Unternehmenstätigkeit ergriffen.

So bildet die Einführung der Corporate Governance Berichterstattung im Rahmen der 2014 vom Europäischen Parlament und den EU-Mitgliedsstaaten beschlossenen CSR-Richtlinie den Grundstein und das Herzstück der Debatte um nachhaltige Unternehmensführung. Im Rahmen der Corporate Social Responsibility Strategie sollen Unternehmen Verantwortung für die Auswirkungen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeiten auf die Gesellschaft übernehmen und soziale, ökologische, ethische und menschenrechtliche Belange in ihre Geschäftsstrategie und -tätigkeit einbeziehen müssen.
Deutschland hat die Richtlinie, welche kapitalmarktorientierte Unternehmen mit Sitz in der Europäischen Union mit mehr als 500 Mitarbeitern ausdrücklich dazu verpflichtet einen jährlichen Bericht über Nachhaltigkeitsaspekte in Form einer nichtfinanziellen Erklärung iSd § 289 b HGB zu veröffentlichen, 2017 mit der iSd § 289f HGB verpflichtenden Erklärung zur Unternehmensführung in nationales Recht umgesetzt.

Zudem fördert das Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrichtlinie, ARUG II nach § 87 I 2 AktG, die Ausrichtung der Vorstandsvergütung an einer langfristigen und nachhaltigen Entwicklung von börsennotierten Gesellschaften.

Ferner erweitert das sog. „Say on Pay“ iSd § 162 AktG die Erklärungspflichten börsennotierter Gesellschaften iSd § 3 II AktG um ein verpflichtendes zweifaches Vergütungsvotum durch die Hauptversammlung, welches die Vergütung von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern betrifft, mit dem Ziel die langfristige und nachhaltige Entwicklung der Unternehmen zu fördern.

Das 2015 erlassene, zu geschlechtlicher Diversität auf Ebene des Vorstands und des Aufsichtsrats verpflichtende Gesetz FüPoG I für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst gem. §§ 76 IV bzw. 96 II AktG sowie § 111 AktG wird 2021 durch das FüPoG II präzisiert.

Des Weiteren unterstützt der aktuelle Deutsche Corporate Governance Kodex vom 20.03.2020 diese Regelungen und fordert, dass die Vorstandsvergütung einen Beitrag zur nachhaltigen, langfristigen Unternehmensentwicklung leistet.

Auf Bundesebene richtet die Bundesregierung einen Sustainable Finance Beirat ein, welcher eine weitergehende regulatorische Erweiterung der Verpflichtungen von Vorstand und Aufsichtsrat zur Nachhaltigkeit fordert.

Die öffentliche Konsultation der EU-Kommission zur EU-Initiative für nachhaltige Unternehmensführung ist abgeschlossen, eine Entscheidung über Annahme oder Ablehnung der Kommission war für das vierte Quartal 2021 erwartet. Es bleibt abzuwarten ob und in welchem Umfang ein Gesetzesentwurf zur Verbesserung nachhaltiger Unternehmensführung vorgelegt wird.

Weitergehende Informationen zum Thema der nachhaltigen Unternehmenstätigkeit finden Sie in dem Artikel „Europäische Entwicklungen zur Förderung einer nachhaltigen Unternehmenstätigkeit“ von Dr. Alexander Wellerdt, NZG 2021 ,1344.