Mit Urteil vom 15.05.2012 entschied der BGH, dass das Recht auf den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nicht auf Gewerbebetriebe im handelsrechtlichen Sinn beschränkt ist, sondern auch den Angehörigen freier Berufe zusteht.
Das Recht auf eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
Das Recht auf den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist ein von der Rechtsprechung – erste Erwähnung im Urteil des Reichsgerichts (RGZ 58, 24, 29) aus dem Jahr 1904 – im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB entwickeltes sog. sonstiges absolutes Recht. Es umfasst alles, was in seiner Gesamtheit den wirtschaftlichen Wert eines Betriebes ausmacht. Dazu gehören zum Beispiel: Bestand, Erscheinungsform, Tätigkeitskreis und Kundenstamm. In Abgrenzung zu den sonstigen absoluten Rechten ist das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ein sog. Rahmenrecht, d.h., dass die Rechtswidrigkeit einer Verletzung dieses Rechts anhand einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung positiv festgestellt werden muss und dass der Eingriff betriebsbezogen sein muss. Diese Einschränkungen sind nötig, um den sehr weiten Anwendungsbereich einzugrenzen. Die Betriebsbezogenheit liegt immer dann vor, wenn eine unmittelbare Schädigung vorliegt und sich der Eingriff spezifisch gegen den betrieblichen Organismus oder die unternehmerische Entscheidungsfreiheit richtet. Nötig ist auch, dass der Eingriff über eine bloße Belästigung oder sozialübliche Behinderung hinausgeht. Ferner ist das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als Rahmenrecht immer subsidiär, also nachrangig zu prüfen, wenn keine andere Verletzung eines sonstigen absoluten Rechts in Betracht kommt.
Verteidigung gegen Eingriffe in den Gewerbebetrieb
Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist trotz seiner Wirkung als „bloßes“ Rahmenrecht ein wichtiges Recht für alle Gewerbetreibenden. So stellt es in vielen Fällen, wenn keines der Spezialgesetze anwendbar ist, eine letzte Möglichkeit zur Vertreidigung ihres Gewerbes dar. Denn neben dem Schadensersatzanspruch aus § 823 BGB steht dem betroffenen Gewerbetreibenden auch regelmäßig ein Unterlassensanspruch gem. § 823 Abs. 1 i.V.m. § 1004 Abs. 1 BGB zu.
Diese Anspruchskombination kam auch in der eingangs erwähnten Entscheidung zum Tragen. Der klagende Sporttrainer sah sich einer Behinderung seiner Erwerbstätigkeit ausgesetzt, da die Bundeswehr es nicht gestattete, dass er als freier Sporttrainer, der für das Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen DDR tätig war, Sportsoldaten trainiert.
Der BGH erkannte, dass das vom Kläger beanstandete Verhalten der Bundeswehr einen Eingriff in dessen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellt und daher zu unterlassen ist.
Durch seine Entscheidung bestätigt der BGH die Anwendbarkeit des Rechts auf den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb im Sinne des § 823 BGB auf Freiberufler und stärkt so deren Rechte.