Das Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (2. ARRL) ist zum 1. Januar 2020 in Kraft getreten. Die Praxis börsennotierter Gesellschaften, Intermediäre, institutioneller Anleger, Vermögensverwalter und Stimmrechtsberater wird sich nun mit unterschiedlichen Übergangsfristen – verändern. Der Fokus dieses Artikels liegt auf den vom Gesetzgeber mit „Know your Shareholder“ betitelten Regelungen des Aktiengesetzes. Insbesondere werden die Auswirkungen der neuen Regelungen in Bezug auf das Fortbestehen der Inhaberaktie betrachtet.
I. Inhalt und Zielsetzungen der Regelungen
Das Gesetz dient der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2017/828 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.Mai 2017. Die Richtlinie zielt insgesamt auf eine Verbesserung der Mitwirkung der Aktionäre bei börsennotierten Gesellschaften sowie auf eine Erleichterung der grenzüberschreitenden Information und Ausübung von Aktionärsrechten ab. Eines der vier Kernelemente der 2. ARRL bildet das Kapitel: Know your Shareholder. Im deutschen Recht erfolgte die Umsetzung in den §§ 67a ff. AktG (Aktiengesetz).
Die Regelungen zu Know your Shareholder soll die Identifizierung der Aktionäre verbessern und die Aktionäre über die ihnen zustehenden Rechte besser informieren. Hierdurch soll die Kommunikation der Gesellschaft mit ihren Aktieninhabern sowie letzteren die Ausübung ihrer Rechte erleichtert werden.
II. Identifizierung der Aktionäre
Im Regelfall werden Aktien an börsennotierten Gesellschaften durch sogenannte Intermediäre verwaltet. Die Gesellschaft hat daher meist keinen unmittelbaren Kontakt zu ihren Aktionären.
Durch die Neuerungen im Aktiengesetz wurde der Begriff „Intermediär“ vom Gesetzgeber definiert. Demnach handelt es sich gemäß § 67a Abs. 4 AktG um eine Person, die Dienstleistungen der Verwahrung oder der Verwaltung von Wertpapieren oder der Führung von Depotkonten für Aktionäre erbringt. Ferner müssen die Dienstleistungen im Zusammenhang mit Aktien von Gesellschaften stehen, die ihren Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum haben und deren Aktien zum Handel an einem organisierten Markt im Sinne des § 2 Abs. 11 WpHG (Wertpapierhandelsgesetz) zugelassen sind. Somit können Depotbanken, Investmentunternehmen und Zentralverwahrer als Intermediäre beispielhaft genannt werden.
Im Aktienrecht wird zwischen Namens– und Inhaberaktien unterschieden. Bei Namensaktien handelt es sich um eine auf den Namen des Aktionärs laufende Aktie. Der Eigentümer der Namensaktie wird nach § 67 Abs. 1 AktG mit Namen, Geburtsdatum und Adresse im Aktienregister der Aktiengesellschaft eingetragen. Somit gilt bei Namensaktien nur derjenige als Aktionär, der als solcher im Aktienregister eingetragen ist (§ 67 Abs. 2 AktG). Der im Aktienregister eingetragene und somit registrierte Aktionär gilt deshalb gegenüber der Gesellschaft als (stimm- und dividendenberechtigter) Aktieninhaber. Im Gegensatz zur Namensaktie galt der Besitzer der Inhaberaktie bisher als anonym. Dem Inhaber dieser Aktien stehen sämtlich Rechte, die sich aus dem Besitz der Aktien ableiten, zu. Unter anderem sind das, Ansprüche an Dividenden. Es ist dabei nicht relevant, ob der Aktieninhaber rechtmäßig in den Besitz der Aktien gelangt ist, er muss die Aktien nur besitzen. Die meisten Aktien in Deutschland sind Inhaberaktien. Der Nachteil dieser Aktienform ist, dass die Gesellschaft keinen Überblick hat wer Mitaktionär ist. Vorteile liegen jedoch in der leichten Übertragbarkeit der Aktien. Der primäre Unterschied zwischen Namens- und Inhaberaktien liegt dementsprechend in Bezug auf die Transparenz gegenüber der Aktiengesellschaft.
Die neuen Regelungen zur Aktionärsidentifikation (§ 67d ff. AktG) finden sowohl auf Namens- als auch Inhaberaktien Anwendung. Die Anwendung auf Namensaktien ist jedoch durch die Eintragung ins Aktienregister zweitrangig, da hierdurch bereits eine weitestgehend problemlose Aktionärsidentifikation möglich ist. Allerdings betreffen die Know your Shareholder-Regelungen deutlich die Inhaberaktien.
Die Aktien werden oftmals über komplexe Verwahrketten von Intermediären gehalten. Gemäß § 67d AktG steht der börsennotierten Gesellschaft gegen sämtliche Intermediäre, die Aktien der Gesellschaft verwahren, ein Informationsanspruch auf Auskunft über die Identität der Aktionäre, deren Aktien verwahrt werden, zu. Damit die Gesellschaft ihre Aktionäre hinreichend identifizieren kann besteht der Informationsanspruch gegenüber allen Intermediären in der Kette.
Die Europäische Kommission veröffentlichte am 08. September 2018, ergänzend zur 2. ARRL, die Durchführungsverordnung (EU) 2018/1212. In der Durchführungsverordnung werden die Ausübung und der Umfang des Informationsanspruchs präzisiert.
Das Informationsverlangen ist bei mehreren Intermediären „in der Kette“ bis zu dem Letztintermediär, der Aktien für einen Aktionär verwahrt, weiterzuleiten. Beim Letztintermediär (vgl. § 67a Abs. 5 AktG) handelt es sich in der Regel um die Depotbank, welche die Aktien für den Aktionär verwahrt. Der Letztintermediär hat die geforderte Auskunft direkt (also nicht wieder „über die Kette“ zurück) an die Gesellschaft zu übermitteln, es sei denn, der Informationsanspruch wurde gegenüber einem anderen Intermediär in der Kette ausgeübt. Nach dem Bestellprinzip sind die Kosten, die dem Intermediär entstehen, von der Gesellschaft zu tragen (§ 67f Abs. 1 AktG).
III. Information von Aktionären über Unternehmensereignisse
Ein weiterer Schwerpunkt der Know your Shareholder-Regelungen ist die Informationsübermittlung von Unternehmensereignissen an die Anteilseigner. Aktionäre sollen hinsichtlich Unternehmensereignisse informiert werden, wodurch der Gesetzgeber sich eine verbesserte Mitwirkung der Aktieninhaber erhofft.
Nach § 67a AktG sind börsennotierte Gesellschaften aufgefordert alle Informationen zu Unternehmensereignissen Intermediären zur Verfügung zu stellen. Ein Unternehmensereignis ist eine vom Emittenten oder einem Dritten initiierte Maßnahme, die die Ausübung der mit den Aktien verbundenen Rechte beinhaltet und die zugrunde liegende Aktie beeinflussen kann, z. B. Gewinnausschüttung, Hauptversammlung, aber auch Wahlrechte bei Dividenden. Diese Informationen sind innerhalb der Intermediärskette an den Aktionär zu übermitteln. Bei Namensaktien informiert die Gesellschaft die im Aktienregister eingetragene Aktionäre direkt (§ 67a Abs. 1 Nr. 1 AktG).
Nach § 67c Abs. 1 AktG teilen die Aktionäre die Ausübung ihrer Aktionärsrechte direkt der Gesellschaft oder einem Intermediär mit. Der Intermediär ist wiederum verpflichtet, die vom Aktionär erhaltenen Informationen über die Ausübung seiner Rechte entweder in der Kette an den jeweils nächsten Intermediär weiterzugeben oder diese direkt an die Gesellschaft zu übermitteln.
IV. Bewertung der neuen Regelungen
Die europäische Herkunft der 2. ARRL hinterlässt somit Spuren im deutschen Aktienrecht. Das deutsche Aktienrecht ist traditionell auf Inhaberaktien ausgerichtet, welche aus internationaler Sicht nur wenig bedeutsam sind. So wirkt die Umsetzung der 2. ARRL in Teilen auch wie ein Gesetz zur Abschaffung der Inhaberaktien. Durch die Regelungen zur Aktionärsidentifizierung werden die Unterschiede zur Namensaktie deutlich geringer. Bisher waren Inhaberaktien nach § 21 WpHG (alte Fassung) ab einer 3%-Beteiligung zu melden, bei darunter liegenden Werten konnten die Aktionäre unentdeckt bleiben. Die Inhaberaktie verliert somit ihren Status als anonymes Wertpapier. Mittelfristig ist eine Abschaffung der Inhaberaktie daher naheliegend.
Infolge der Umsetzung der Know your Shareholder-Regelungen ergeben sich Pflichtenerweiterungen für die Intermediäre, gerade auch die Verpflichtung im gesamten europäischen Raum zu informieren, ist technisch noch unklar. Intermediäre stellten bisher Aspekte der Kosteneinsparung vor die Ausweitung der Aktionärsrechteausübung. Ein erhöhtes Maß an Automatisierung und ein höherer Bedarf an Technikeinsatz steht auf der zu Umsetzenden Aufgabenliste der Intermediäre.
Es ist kritisch zu hinterfragen, ob durch die Erhöhung der Transparenz und Informierung der Aktionäre durch die neuen Regelungen, letztendlich auch eine Stärkung der Aktionärsrechte erzielt wird. Eine Identifizierung der Aktionäre hilft in erster Hinsicht der Gesellschaft, sich ein Bild über die bis dahin „anonymen“ Aktionäre zu machen. Ob es zu einer tatsächlich erhöhten Kommunikation kommt und die Möglichkeit genutzt wird jeden Kleinaktionär zu identifizieren, bleibt vorerst offen. Vor allem, da die Informationsabfrage und die interne Verwaltung der Informationen nicht mit unwesentlichen Kosten für die Gesellschaft verbunden ist. Der Mehrwert hierdurch die Kleinstaktionäre zu erfassen, bleibt fraglich. Eventuell kann dies in Übernahmesituationen bedeutsam werden.
V. Fazit
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Ziel durch die Know your Shareholder- Regelungen Herausforderungen und Pflichtenerweiterungen für Intermediäre mit sich bringt. Weiterhin ist zu beobachten, ob mittelfristig die Inhaberaktien doch nicht komplett abgeschafft werden. Die Regelungen zur Aktionärsidentifikation und zum Informationsaustausch mit Aktionären sind ab dem 3. September 2020 anzuwenden und finden frühestens auf Hauptversammlungen Anwendung, die nach dem 3. September 2020 einberufen werden. Wie sich die Umsetzung und Nutzung der neuen Regelungen in der Praxis gestalten werden, bleibt abzuwarten.
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