Die Modemarke „Boy London“ bewirbt seit den 1970er Jahren, vor allem in England und in den USA, ihre Erzeugnisse mit einem Logo, das ihr jüngst in Deutschland eine gewisse Medienpräsenz eingebracht hat: einer Darstellung des NSDAP-Parteiadlers. Vor allem politisch links orientierte Seiten und Beiträge haben kritisch hierauf aufmerksam gemacht. Schließlich steht hier die Frage im Raum, ob die Verbreitung nationalsozialistischer Symbole durch Modeartikel zulässig sein kann. Das führt aus juristischer Sicht zu der naheliegenden Frage, ob es eine Straftat gemäß § 86 a StGB darstellt, „Boy London“- Kleidung in Deutschland zu verkaufen.

Allgemeines zu § 86 a StGB

§ 86 a StGB stellt die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen unter Strafe. Die Norm soll verhindern, dass in der Bevölkerung der Eindruck entsteht, eine Wiederbelebung verfassungsfeindlicher Organisationen würde vom Staat geduldet. Zudem soll diese Regelung vermeiden, dass der Gebrauch verbotener Symbole üblich und damit auch für verfassungsfeindliche Organisationen gefahrlos möglich wird. § 86 a StGB ist als abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestaltet. Das heißt, dass allein mit dem Verwenden verbotener Symbole eine Gefahr entsteht, die durch § 86 a StGB abgewehrt werden soll.

Der Kennzeichenbegriff des § 86 a StGB

Um zu beurteilen, ob der Verkauf von „Boy London“-Kleidung in Deutschland strafbar sein kann, muss man prüfen, ob das Logo der Marke, das auf den Kleidungsstücken abgebildet ist, ein Kennzeichen im Sinne des § 86 a StGB darstellt.

Ein Kennzeichen ist ein charakteristisches Erkennungszeichen einer der Vereinigungen, die in § 86 I Nr. 1, 2 und 4 StGB benannt werden. Interessant ist hier § 86 I Nr. 4 StGB. Demnach erfasst § 86 a StGB auch Kennzeichen ehemaliger nationalsozialistischer Organisationen. Auf die Frage, was im Einzelnen als Kennzeichen zählt, liefert § 86 a II StGB einen Anhaltspunkt. Nach dem hier aufgeführten und nicht abschließenden Katalog, kommen insbesondere Abzeichen in Betracht. § 86 a I Nr. 2 StGB erfasst auch Kleidungsstücke, die das Kennzeichen abbilden. Außerdem muss das Kennzeichen von der Organisation tatsächlich benutzt worden sein.

Wenn diese Voraussetzungen geklärt sind, stellt sich folgerichtig die Frage, welches Kennzeichen einer ehemaligen nationalsotialistischen Organisation die Kleidungsstücke der Marke „Boy London“ abbilden könnten. Schon bei dem ersten Blick auf das Logo fällt die starke Ähnlichkeit zum Parteiadler der NSDAP auf. Dieser war das Parteiabzeichen der NSDAP. Ein Unterschied liegt allerdings darin, dass der Parteiadler auf einem Kranz sitzt, in dem ein Hakenkreuz abgebildet ist, während der Adler von „Boy London“ auf dem O des Wortes Boy thront.

„Zum Verwechseln ähnliche“ Kennzeichen

Es handelt sich also bei dem Logo nicht um eine originalgetreue Abbildung des Parteiadlers der NSDAP. Die nächste Frage lautet also: Reicht die Ähnlichkeit des Logos aus, um eine Strafbarkeit der Darstellung zu begründen? Gemäß § 86 a II StGB werden auch den verbotenen Kennzeichen „zum Verwechseln ähnliche“ Kennzeichen vom Straftatbestand erfasst. Ob es sich um ein zum Verwechseln ähnliches Kennzeichen handelt, hängt davon ab, ob es in den wesentlichen Merkmalen mit dem Original übereinstimmt. Der Symbolgehalt des Originals muss also durch die Veränderung erhalten bleiben. Dabei kommt es auf den Gesamteindruck eines durchschnittlichen und nicht genau prüfenden Betrachters an.

An dieser Stelle ist die Rechtsprechung, die in vergleichbaren Fällen vorgenommen wurde hilfreich. Zu einer Entscheidung über das Logo von „Boy London“ selbst ist es noch nicht gekommen. Das könnte vor allem daran liegen, dass die Marke in Deutschland selten verkauft wird.

Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen

Das Logo der Marke „Thor Steinar“ enthält mehrere klare Anspielungen auf Symbole, die in der NS-Diktatur verwendet wurden. Hier hatte das OLG Dresden zu entscheiden, ob es sich dabei um ein zum Verwechseln ähnliches Kennzeichen handelt. Dabei stellt das Gericht fest, dass es sich bei „Thor Steinar“ um eine Marke handelt, die sich klar auf das rechtsextreme Umfeld ausrichtet. Auch die durchaus angestrebte Ähnlichkeit des Logos zu den NS-Symbolen hat das Gericht festgestellt. Die Strafbarkeit nach § 86 a StGB hat das Gericht aber dennoch verneint. Das OLG argumentiert, dass keines der im Thor-Steinar Logo verwendeten Symbole dominant hervorsticht. Deswegen sei die Verbindung dieser Symbole vielmehr ein Fantasiekennzeichen, das als solches nie von einer NS-Organisation verwendet wurde.

Nimmt man dieses Urteil als Maßstab, erscheint es eher zweifelhaft, dass das Logo von „Boy London“ ein zum Verwechseln ähnliches Kennzeichen sein soll. Denn es kommt entscheidend auf die Gesamtbetrachtung an. Zwar beschränkt sich im Fall von „Boy London“ die Veränderung darauf, dass der Hakenkreuzkranz des Originals fehlt, und durch den Schriftzug des Markennamens ersetzt wurde. Aber gerade durch diesen Schriftzug wird das Symbol des Adlers in einen neuen Zusammenhang gestellt und könnte, wenn man beide Elemente zusammen betrachtet, ebenfalls ein Fantasiekennzeichen ergeben. Allerdings muss an dieser Stelle auch berücksichtigt werden, dass das Erscheinungsbild allein des Adlers unter allen anderen Wappentieren, die in der deutschen Geschichte Verwendung fanden, sehr markant und eindeutig der NS-Zeit zuzurechnen ist. Damit hat der Adler allein bereits Symbolcharakter. Es kann also nicht ausreichen, den Adler mit einem Schriftzug abzubilden, um einer Strafbarkeit zu entgehen.

Auch der BGH legt den Begriff des zum Verwechseln ähnlichen Kennzeichens eher eng aus. So urteilte der Gerichtshof am 13. August 2009, dass die wörtliche Übersetzung der Losung der Hitlerjugend „Blut und Ehre“ ins Englische, also „blood and honour“ kein zum Verwechseln ähnliches Kennzeichen sei. Das entscheidende Argument in dem Urteil ist, dass nationalsozialistische Symbole und insbesondere Losungen untrennbar mit dem Gebrauch der deutschen Sprache verbunden waren. Somit könnten englische Übersetzungen solcher Parolen nicht mehr den typischen Symbolcharakter vermitteln, wodurch eine Strafbarkeit zumindest nach § 86 a StGB ausscheidet.

Dieses Urteil lässt sich natürlich sehr viel schwerer auf den Fall „Boy London“ übertragen. Denn der BGH hatte über eine Parole, und nicht über ein Symbol zu entscheiden. Jedoch erweckt dieses Urteil den Eindruck, dass der Schriftzug des englischen Markennames eine ausreichende Veränderung des Symbols bedeutet. Aber der Symbolcharakter des Adlers selbst wird auch dadurch in keiner Weise verändert. Der Adler von „Boy London“ ist, wie oben erläutert, in seiner Form und Erscheinung so eng mit dem Nationalsozialismus verbunden, dass der hinzugefügte Markenname an dem Symbol nichts ändert.

Nicht mit einer Parole, aber mit einem Liedtext, hatte es das BVerfG im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde zu tun. Die Verfassungsbeschwerde wurde von einem Kreisvorsitzenden der NPD eingelegt und richtete sich gegen einen Beschluss des OVG Bamberg. Es ging dabei um die Frage, ob ein T-Shirt-Aufdruck, der den im Wortlaut und Grammatik leicht veränderten Titel und Textbeginn des Horst-Wessel-Liedes abbildet, ein zum Verwechseln ähnliches Kennzeichen im Sinne des § 86 a StGB ist. Die fragliche Wortkombination wurde dabei zusammen mit weiteren Parolen verwendet, die nicht einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation zuzurechnen sind. Das Gericht hat im Rahmen einer Gesamtbetrachtung für die Strafbarkeit dieses Aufdrucks entschieden. Diese Entscheidung hat das BVerfG in seinem Beschluss vom 18. Mai 2009 bestätigt.

Auch diese Entscheidung lässt sich nur schwierig auf „Boy London“ übertragen. Das Urteil macht aber deutlich, dass es Kennzeichen gibt, die trotz leichter Veränderungen immer noch von § 86 a StGB erfasst werden. Dies spricht ebenfalls dafür, dass die Veränderungen, die „Boy London“ an dem Adler vorgenommen hat nicht ausreichen. Der Adler ist immer noch klar als Perteiadler der NSDAP erkennbar.

Sozialadäquanz, Schutzzweckverletzung und Subjektiver Tatbestand

Gemäß §§ 86 a III, 86 III StGB ist ein sozialadäquates Verwenden der Kennzeichen nicht strafbar. Sozialadäquat sind Darstellungen, die beispielsweise der Aufklärung dienen oder im Rahmen einer künstlerischen oder wissenschaftlichen Bearbeitung stattfinden. Für den Fall, dass ein Modegeschäft in Deutschland Kleidungsstücke von „Boy London“ verkauft, sind aber keinerlei sozialadäquate Motive erkennbar. Eine Darstellung, die im wesentlichen auf Kundenwerbung zielt, kann nicht als sozialadäquat eingestuft werden.

Wenn aber die Tathandlung, vorliegend also das Verbreiten der Kennzeichen, dem eingangs beschriebenen Schutzzweck der Norm erkennbar nicht zuwiderläuft, dann wird sie auch nicht von der Norm erfasst. So ist beispielsweise die Darstellung eines durchgestrichenen Hakenkreuzes nicht strafbar, da hier gerade eindeutig die Ablehnung nationalsozialistischen Gedankenguts zum Ausdruck kommt. Aber weder aus dem Logo von „Boy London“ selbst, noch aus dem Verkauf dieser Kleidung geht eine solche eindeutige Ablehnung hervor.

Wenn alle objektiven Tatbestandsmerkmale des § 86 a StGB erfüllt sind, kommt es auf den subjektiven Tatbestand an: Die Tat muss vorsätzlich begangen worden sein. Bedingter Vorsatz ist dabei ausreichend. Das heißt, dass die Erfüllung des Straftatbestandes billigend in Kauf genommen wurde, ohne dass dies so gewollt war. Aufgrund des erläuterten Symbolgehalts des Adlers ist es jedoch sehr unwahrscheinlich, dass ein deutsches Modegeschäft diese Kleidung nur aus ästhetischen Gesichtspunkten heraus verkauft. Denkbar wäre, dass mit der Kleidung provoziert werden soll. Das würde aber gerade eine gewisse Kenntnis des Symbols und seiner Bedeutung voraussetzen. Selbst dann wäre also der subjektive Tatbestand erfüllt.

Fazit

Das Logo der Marke „Boy London“ stellt ein dem NSDAP-Parteiadler, aufgrund der äußerst markanten Erscheinungsform des Adlers, sowie der zentralen Rolle, die das Symbol als Parteiabzeichen der NSDAP im Nationalsozialismus spielte, zum Verwechseln ähnliches Symbol dar. Damit darf die Marke gemäß § 86 a StGB in Deutschland nicht verkauft werden. Dies geschieht tatsächlich nur selten. Das mag vor allem daran liegen, dass das verwendete Logo bei den meisten Leuten nicht auf Zustimmung stößt. Es ist dennoch erschreckend, dass nationalsozialistische Symbolik derart offensichtlich und beliebig zu Modezwecken eingesetzt wird. Damit werden die verwendeten Symbole verharmlost und ihr Gebrauch zur Normalität. Gerade das aber, läuft dem Schutzzweck des § 86 a StGB zuwider.