Im Urteil II ZR 364/18 vom 08.01.2019 entschied der BGH, dass § 179a AktG nicht analog auf eine GmbH anwendbar ist. Des Weiteren kam der BGH zu dem Entschluss, dass bei der Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens einer GmbH, der Geschäftsführer einen zustimmenden Beschluss der Gesellschafterversammlung braucht, auch wenn der Gesellschaftsvertrag kein entsprechenden Zustimmungsvorbehalt enthält.

Sachverhalt:

Die GmbH als Klägerin des entsprechenden Urteils hat zwei Gesellschafter, namentlich Bä. und Ba. Diese beschlossen am 18.12.2013 die Auflösung der GmbH zum 31.12.2013. Daraufhin wurden die beiden Gesellschafter zu alleinvertretungsberechtigten Liquidatoren. Ziel war es unter anderem, das Betriebsgrundstück, welches im Eigentum der GmbH steht, zu veräußern.

Infolgedessen erklärte Gesellschafter Bä., er sei interessiert das Betriebsgrundstück zu erwerben. Hierfür ließ Gesellschafter Ba. über einen Makler und einen Rechtsanwalt Kaufvertragsverhandlungen mit dem Bä. führen. Dem entgegen einigten sich am 20.8.2014 die GmbH und der Beklagte auf einen Kaufpreis von 235.000€ für das Betriebsgrundstück. Daraufhin schloss die GmbH am 16.9.2014, vertreten durch Ba., mit dem Beklagten einen Kaufvertrag über das Betriebsgrundstück in Höhe von 235.000€, worauf hin am 15.10.2014 die Eintragung der Auflassungsvormerkung zu Gunsten des Beklagten erfolgte.

Die GmbH ist der Auffassung, dass Bä. dem Beklagten bereits am 18.7.2014 mitgeteilt hat, dass er dem Verkauf des Grundstücks nicht zustimme und es an einem entsprechenden Gesellschafterbeschluss fehle. Des Weiteren ist die GmbH der Auffassung, dass das Handeln des Beklagten grob fahrlässig war, da er hätte wissen müssen, dass Ba. seine Vertretungsmacht missbraucht habe.

Urteilsbegründung des BGH:
1. Anwendbarkeit des § 179a AktG:

Der BGH stellt fest, dass der § 179a AktG nicht analog auf die GmbH anwendbar ist. Eine Analogie würde voraussetzen, dass das Gesetz eine Lücke aufweist und der Gesetzgeber bei einem vergleichbaren Tatbestand zu demselben Abwägungsergebnis gekommen wäre. Dies sieht der BGH in diesem Fall nicht gegeben.

Der BGH stützt seine Argumentation hierbei, indem er insbesondere die strukturellen Unterschiede zwischen einer Aktiengesellschaft und einer GmbH hervorhebt. Hier betont der BGH, dass bei einer GmbH die Einflussmöglichkeit der Gesellschafter auf die Geschäftsführung wesentlich stärker ausgeprägt ist als die Einflussmöglichkeit eines Aktionärs auf die Geschäftsführung bei einer Aktiengesellschaft.

In einer GmbH sind die Gesellschafter das zentrale Entscheidungsorgan, sie bestimmen den Geschäftsführer, treffen in der Gesellschafterversammlung Entscheidungen hinsichtlich des Handelns der GmbH und sind nach § 37 GmbHG weisungsbefugt gegenüber dem Geschäftsführer. Des Weiteren steht ihnen aus § 46 Nr. 6 GmbHG ein Prüfungs- und Überwachungsrecht gegenüber der Geschäftsführung zu.

Im Aktienrecht auf der anderen Seite sind im Gesetz in den §§ 76 ff. und 111 ff. AktG klare Kompetenzabgrenzungen hinsichtlich der Wahrnehmung der Leitungs- und der Überwachungsaufgaben der Gesellschaft geregelt, auf welche die Aktionäre nur in sehr beschränktem Maße Einfluss nehmen können. Folglich sind die Gesellschafter einer GmbH weniger schutzbedürftig als Aktionäre einer AG und der BGH sieht eine Analogie des § 179a AktG als nicht erfüllt.

2. Missbrauch der Vertretungsmacht:

Des Weiteren stellt der BGH fest, dass die Verpflichtung zur Übertragung des nahezu ganzen Gesellschaftsvermögens einer GmbH ein besonders bedeutsames Geschäft ist, für welches der Geschäftsführer einen zustimmenden Beschluss der Gesellschafterversammlung braucht. Dieser ist auch nötig, wenn die Satzung einen entsprechenden Zustimmungsvorbehalt nicht enthält. Diese Zustimmung hat der Geschäftsführer nach § 49 II GmbHG von sich aus einzuholen, dies soll das Kontrollrecht der Gesellschafterversammlung sichern. Hierbei ist es nicht von Wichtigkeit, ob das Geschäft vorteilhaft oder nachteilig für die Gesellschaft ist.

Die Liquidatoren einer GmbH vertreten diese entsprechend § 70 GmbHG gerichtlich und außergerichtlich und sind dazu verpflichtet das Vermögen der Gesellschaft in Geld umzusetzen. Grundsätzlich ist die Vertretungsmacht der Liquidatoren unbeschränkt. Für sie gelten jedoch dieselben Schranken wie für den Geschäftsführer, heißt sie müssen bei besonders bedeutsamen Geschäften, in dem Fall die Veräußerung des Betriebsgrundstücks, welches nahezu das gesamte Gesellschaftsvermögen ausmacht, einen zustimmenden Beschluss der Gesellschafterversammlung einholen.

Fehlt dieser entsprechende Beschluss, fehlt dem Geschäftsführer die, für den Vertragsabschluss notwendige Geschäftsführungsbefugnis. Schließt der Geschäftsführer dennoch einen Vertrag ab, hängt die Wirksamkeit des Vertrags von der Schutzwürdigkeit des Vertragspartners ab. Grundsätzlich ist die Vertretungsmacht des Geschäftsführers nach außen unbegrenzt und der Vertragspartner schutzwürdig. Hatte der Vertragspartner jedoch Kenntnis von dem Missbrauch der Vertretungsmacht oder ihm hätte sich der Verdacht aufdrängen müssen, dass der Geschäftsführer seine Vertretungsmacht missbraucht, ist dieser nicht schutzwürdig. Folglich handelt es sich um ein schwebend unwirksames Geschäft und der Vertragspartner kann keine Rechte oder Einwendungen aus dem Vertrag geltend machen.

Hier ist der BGH der Auffassung, dass der Liquidator Ba. in Anbetracht des Widerspruchs seines Mitgesellschafters gegen den Verkauf und des Eigeninteresses des Bä. an der Veräußerung, die Verpflichtung gehabt hätte, noch vor Abschluss des Kaufvertrags die Zustimmung durch einen Gesellschafterbeschluss einzuholen. Aufgrund des fehlenden zustimmenden Beschlusses der Gesellschafterversammlung hat der Ba. seine Vertretungsmacht missbraucht. Der Vertragspartner sei jedoch nicht schutzwürdig, wenn er von dem Missbrauch der Vertretungsmacht Kenntnis oder den Verdacht hatte.

Fazit:

Abschließend lässt sich festhalten, dass das BGH-Urteil vom 08.01.2019 – II ZR 364/18 deutlich die Unterschiede in der Binnenstruktur zwischen GmbH und AG hervorhebt. Damit ist insbesondere gemeint, dass Gesellschafter einer GmbH weniger schutzbedürftig sind als die Aktionäre einer AG. Die Gesellschafter einer GmbH haben mehr Einfluss auf die Geschäftsführung.

Aus dem Urteil folgt auch, dass die Annahme, dass das GmbHG und das AktG analog anwendbar wären, nicht einfach angenommen werden kann und stets überprüft werden muss. Auch wenn der Begriff des Geschäftsführers erst einmal vermuten lässt, dass dieser wichtige Entscheidungen allein treffen darf, verdeutlicht das vorliegende Urteil auch, dass jene Entscheidungen und Beschlüsse an Rechtskraft verlieren, sofern sie nicht im Rahmen einer Gesellschafterversammlung bestätigt wurden.

Dennoch ergibt sich aber auch, dass die Klärung dieser Streitfrage nicht problemlos möglich ist, da es schwierig ist zu beurteilen, ob der der Ba. jemals ausreichend Kenntnis über den Widerspruch und damit auch über die Notwendigkeit der Gesellschafterversammlung hatte. Daher ist es elementar, diese bedeutende Komponente des Rechtsstreits zu klären, um zu einem entsprechenden Urteil zu gelangen.

Von Yannic Ottowitz und Carina Lehmann