Der Bundesgerichtshof hat mit seinem Urteil vom 17.7.2009 – 5 StR 394/08 entschieden, dass ein Mitarbeiter, welcher für die Compliance im Unternehmen verantwortlich ist, verpflichtet ist Delikte gegen Dritte aus dem Unternehmen heraus zu verhindern, kraft ihrer strafrechtlich zukommenden Garantenpflicht.

Hintergrund zum Urteil ist, dass der Angeklagte bei der Berliner Stadtreinigung (BSR), einer öffentlichen Anstalt, als Leiter der Rechtsabteilung und der Innenrevision angestellt war. Aufgrund eines Versehens wurden die Entgelte für die Tarifperiode 1999/2000 zu Lasten der Grundstückseigentümer für die Straßenreinigung zu hoch berechnet. Der Berechnungsfehler wurde zwar bemerkt, jedoch auf Weisung eines Vorstandsmitglieds nicht korrigiert. Der Angeklagte kannte den Fehler ebenfalls unterließ es aber seinen unmittelbaren Vorgesetzten und die Mitglieder des Aufsichtsrates zu unterrichten. Folge war, dass den Grundstückseigentümern für die Tarifperiode 2001/2002 überhöhte Entgelte abverlangt wurden. Das Landgericht Berlin und der BGH erkannten das Vorstandsmitglied wegen Betruges und den Angeklagten wegen Beihilfe durch Unterlassen zum Betrug für schuldig an.

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit den Aufgaben und Pflichten des sog. „Compliance Officers“, den strafrechtlichen Risiken, denen er ausgesetzt sein kann und soll Handlungsanweisungen geben, um mögliche Strafbarkeiten zu vermeiden.

Compliance-Officer

Der Compliance-Officer ist als Führungskraft dafür verantwortlich, dass im Unternehmen festgelegte legale Richtlinien eingehalten werden.

Dieser hat die Pflicht Straftaten zu verhindern, welche aus dem Unternehmen aus gegenüber Dritten begangen werden, wenn besondere Überwachungs- und Schutzpflichten von diesem übernommen worden sind. Seine Verpflichtung reicht also von der Unterbindung von Delikten, die gegen das eigene Unternehmen gerichtet sind, bis hin zur Verhinderung von Rechtsverstößen gegen Dritte.

Der betroffene Compliance-Officer wird zum Schutz der Interessen von Kunden, Lieferanten und Geschäftspartnern verpflichtet, die möglichen Schäden durch Mitarbeiter, Vertreter oder Beauftragten des Unternehmens ausgesetzt sein können. Demnach ist die tatsächliche Übernahme von Pflichten des Compliance-Officer entscheidend. Sein vertraglich festgelegter Arbeitsbereich ist zwar ein Indiz für seinen Aufgabenkreis, jedoch ist der faktische Verantwortungskreis ausschlaggebend. Übernimmt der Compliance-Officer Aufgaben, die ihm vertraglich nicht zugewiesen sind, so hat er auch in diesem Bereich Rechtstreue des Unternehmens sicherzustellen. Das kann dazu führen, dass viele Compliance-Officer nur für die Bereiche Sorge tragen, welche ihnen vertraglich zugewiesen ist.

Aufgaben

Die Zuständigkeiten des Compliance-Officers umfassen die Implementierung, Überwachung, Weiterentwicklung und Dokumentation des unternehmensweiten Compliance-Management-Systems. Dabei ist dieser abteilungsübergreifend tätig, da er nicht auf ein bestimmtes Fachgebiet reduziert ist und vor allem als Bindeglied zwischen Geschäftsleitung und den Leitern der verschiedenen Abteilungen agiert. Demnach berät er die Unternehmensleitung in allen Compliance-relevanten Fragen, wobei er auch diesen über rechtliche Vorkommnisse zu unterrichten hat, insbesondere bei gewichtigen Verstößen.

Strafrechtliche Risiken

Strafrechtliche Risiken können sich aus einer Garantenpflicht nach § 13 StGB für den Leiter der Rechtsabteilung des Unternehmens ergeben. Straftatbestände können nicht nur durch positives Tun bewerkstelligt werden, sondern auch durch die nicht Verhinderung des tatbestandlichen Erfolges. Strafbar ist also auch ein nicht tätig werden. Vorausgesetzt wird, dass der Untätige strafrechtlich zur Verhinderung der Rechtsgutsverletzung verpflichtet ist. Also, ihm eine Garantenpflicht zukommt.

Es ist Aufgabe und Pflicht des Compliance-Officers die Aufdeckung und Verhinderung von Straftaten, die aus dem Unternehmen heraus begangen werden, zu gewährleisten. Aus diesem Aufgabenkreis schließt der BGH dessen strafrechtliche Garantenstellung. Eine Garantenpflicht kann auch auf vertraglicher Grundlage übernommen werden. Ob dadurch strafrechtliche Verantwortung übernommen werden soll, hängt von dem Zweck der Beauftragung des Comliance-Officers ab. Durch die Schaffung der Funktion des Compliance-Officers möchte die Unternehmensleitung einen Nutzen von Schadensprävention sowie Reputationssicherung sich zusichern.

Im Strafgesetzbuch und in strafrechtlichen Nebengesetzen existieren Vorschriften, welche die Nichtverhinderung von Straftaten durch Vorgesetzte unter Strafe stellen, §§ 357 I StGB, 108 I S. 1 SeemG, 41 WStG. Entsprechende Bestimmungen für den Bereich der Privatwirtschaft bestehen nicht. Demnach kann eine strafrechtliche Verantwortung des Compliance-Officers nicht weiter gehen, als die der Geschäftsleitung selbst.

Nach der Ansicht des BGH im Urteil vom 17.7.2009 trifft den Compliance-Officer regelmäßig eine strafrechtliche Garantenpflicht. Eine grundsätzlichen strafrechtlichen Garantenpflicht besteht zwar nicht, jedoch kann es hiervon Ausnahmen geben. Diese müsste die Geschäftsleitung in der Stellenbeschreibung der übertragenden Funktion ohne Zweifel zum Ausdruck bringen.

Handlungsempfehlungen

Die strafrechtliche Garantenstellung darf nicht grenzenlos sein. Dies ergibt sich aus dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot. Die strafrechtlichen Risiken aus der Übernahme der Funktion müssen für den Compliance-Officer vorhersehbar sein. Folgende Kriterien verhelfen zur Begrenzung der strafrechtlichen Haftung:

Eine klare organisatorische Strukturierung der Verantwortung im Bereich Compliance ist unumgänglich, insbesondere wenn es um die effektive Zusammenarbeit mit dem operativen Geschäftsbetrieb geht. Nur dann ist eine nachhaltige Compliance-Arbeit gewährleistet.

Der Aufgabenbereich des Compliance-Officers sollte präzise und genau im Arbeitsvertrag festgelegt werden, um möglichen Strafbarkeitsrisiken entgegenzuwirken. Denn eine strafrechtliche Verantwortung des Beauftragten kann nur so weit reichen wie ihm der spezifische Pflichtenkreis übertragen worden ist. Eine konkrete Beschreibung des übertragenen Dienstpostens ist von Vorteil, denn je konkreter und restriktiver der Verantwortungsbereich gefasst ist, desto geringer fällt die strafrechtliche Verantwortlichkeit aus.

Weiterhin ist der Compliance-Officer lediglich zur Verhinderung betriebsbezogener Straftaten verpflichtet. Die strafrechtliche Haftung eines Compliance-Officers kann nicht weiter gehen als die der Unternehmensleitung. Die Unternehmensleitung ist nicht dazu verpflichtet Straftaten ohne betrieblichen Bezug zu verhindern. Dasselbe muss auch für den Compliance-Officer gelten.

Zudem sollte die Strafbarkeit des Compliance-Officers auf Vorsatzdelikte begrenzt werden. Dafür sprechen rechts- und kriminalpolitische Erwägungen. Bei Einbeziehung von Fahrlässigkeitsdelikten würde die Strafbarkeit des Compliance-Officers unangemessen steigen.

Fazit

Durch die Rechtsprechung des BGH wird dem Compliance-Officer eine weitgehende Verantwortung aufgebürdet. Durch obige Handlungsempfehlungen lassen sich jedoch die Strafbarkeitsrisiken verringern. Compliance-Officern wird geraten ihre Anstellungsverträge und ihre internen Aufgabenbereiche auf mögliche Risiken und auf Kompatibilität der neuen Rechtsprechung zu überprüfen.