Am 14. November 2012 hat die Europäische Kommission den Richtlinienentwurf zur Geschlechterbalance, auch bekannt als „Frauenquote“, veröffentlicht. In der Richtlinie sollten EU- Mitgliedstaaten verpflichtet werden spätestens zwei Jahre nach Inkrafttreten der geplanten Richtlinie eine gesetzliche Quotenregelung einzuführen, sodass bis zum 1. Januar 2020 eine Erhöhung des Frauenanteils um 40% in den Leitungsorganen der börsennotierten Unternehmen erreicht werden sollte. Die Richtlinie wurde allerdings von den Mitgliedstaaten der EU abgelehnt. Am 1. Januar 2016 ist daraufhin das „Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“ in Deutschland in Kraft getreten. Der folgende Beitrag soll klären, weshalb der Richtlinienentwurf nicht verabschiedet wurde und damit zu einer nationalen Regelung geführt hat, deren Inhalt dabei näher erläutert werden soll.

Die Frauenquote bezweckt seit Jahren die Förderung der Gleichstellung zwischen Männern und Frauen und die Erhöhung des Frauenanteils in Leitungsorganen von börsennotierten Unternehmen. Trotz langjährigen Prozessen und mehreren Anstrengungen der EU-Organe und des Gesetzgebers dieses Problem anzugehen, kann zum jetzigen Zeitpunkt eine positive Steigerung des Frauenanteils nicht eindeutig festgestellt werden.

Hoch qualifizierte Frauen sind weiterhin unzureichend in der Wirtschaftswelt vertreten, sodass das Humankapital der Europäischen Union und das sich daraus ergebende Potential nicht voll ausgeschöpft werden kann. Dies führt wiederum zu einem Verlust von wirtschaftlichem Wachstum auf dem Markt. Von politischer Seite wurden den Unternehmen zwar gewisse Empfehlungen im Deutschen Corporate Governance Kodex, kurz DCGK, ausgesprochen. Da es sich bei den Empfehlungen jedoch um freiwillige Maßnahmen und gerade nicht um Verpflichtungen handelt, kann ein nennenswerter Fortschritt der Frauenquote nicht auf den Deutschen Corporate Governance Kodex zurückgeführt werden. Es ist festzuhalten, dass das Fehlen einer ganzheitlichen Regelung auf nationaler Ebene bzw. das Bestehen verschiedener Regelungen in den Mitgliedstaaten den Binnenmarkt behindern kann. Durch die unterschiedliche Handhabung der Regelungen und Maßnahmen in den Mitgliedstaaten fehlt es damit an einer grenzüberschreitenden einheitlichen Regelung.

Doch auch wenn Frauen Leitungspositionen angeboten werden, gibt es auf der Angebotsseite der Unternehmen weiterhin Hindernisse, wie zum Beispiel die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, sowie die unzureichenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung, welche eine Besetzung von Leitungsfunktionen mit Frauen erschweren. Das Fehlen von Frauen auf den Leitungsebenen perpetuiert den bereits vorhandenen Mangel, welcher sich dadurch auch auf die unteren Ebenen einer Organisation ausstrahlt.

Die Vorabprüfung zum Richtlinienentwurf durch die EU- Kommission

Die EU- Kommission diskutierte zum Richtlinienentwurf dabei die im Folgenden skizzierten fünf politischen Optionen:

  1. Als erste Option sah die Kommission eine Selbstregulierung und freiwillige Maßnahmen der einzelnen Mitgliedstaaten der EU vor. Dies hätte zur Folge, dass keine neuen Maßnahmen auf EU-Ebene erlassen werden.
  2. Als weitere Option wurde eine Empfehlung vorgeschlagen. Die Empfehlung beinhaltet eine Regulierung, dass mind. 40% Frauen und mind. 40% Männer unter den Mitgliedern der Leitungsorgane börsennotierter Gesellschaften vertreten sein sollen.
  3. Anders als in Option 2 wurde die Implementierung einer Richtlinie vorgesehen. Diese sieht ebenfalls eine Regulierung vor, mit der Zielvorgabe 40% Frauen und mind. 40% Männer unter den Mitgliedern der Leitungsorgane börsennotierter Gesellschaften einzuführen.
  4. Die Kommission diskutierte auch die Möglichkeit einer Richtlinie. Regulierungszweck wäre hier, eine Quote von mind. 40% Frauen und mind. 40% Männer unter den nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern einzuführen.
  5. Als letzte Option sah die Kommission die Einführung einer Richtlinie, durch welche eine Quote von mind. 40% Frauen und mind. 40% Männer für nicht geschäftsführende Direktoren/Aufsichtsratsmitglieder eingeführt werden sollte. Neben einer solchen ,,starren Quote“ sieht die Richtlinie auch eine flexible Zielvorgabe vor, die durch die Gesellschaft selbst definiert werden soll.

Anwendungsbereich des Richtlinienentwurfs

Die Kommission hat sich nach zahlreichen Diskussionen auf Grundlage der weiter oben aufgeführten Handlungsoptionen auf einen Zielwert von 40% geeinigt. Der Prozentsatz i. H. v. 40 % läge zwischen der kritischen Masse von 30 % und der absoluten Geschlechterparität von 50%. Der Zielwert soll jedoch keine Gesellschaften betreffen, bei welchen der Anteil von Frauen weniger als 10% der Belegschaft ausmacht.

Der Richtlinienentwurf erfasst in seinem Anwendungsbereich börsennotierte Gesellschaften mit Ausnahme von kleinen- und mittelständigen Unternehmen. Grund dafür ist, dass börsennotierte Gesellschaften über eine höhere Sichtbarkeit verfügen und Standards für den Privatsektor insgesamt legen. Außerdem setzten börsennotierte Gesellschaften durch ihre hohe Medienpräsenz Maßstäbe für die Wirtschaft, welche sich andere Unternehmen als Beispiel nehmen. Der Richtlinienentwurf umfasst dabei sowohl Gesellschaften mit dualistischen, als auch mit monistischen Systemen.

Frist zur Umsetzung

Bis zum 01.01.2020 sollten die Mitgliedstaaten die Richtlinie in ihre nationalen Gesetze implementieren. Dieser Zeitrahmen wurde damals auf EU-Ebene diskutiert und entsprach den Anforderungen des Europäischen Parlaments. Die Kommission erachtete den Zeitrahmen zu der Zeit als realistisch und ausreichend genug für die Vorbereitung der Gesellschaften. Doch die Realität sieht anders aus. Bisher ist der Richtlinienentwurf nicht in eine europäische bindende Richtlinie umgewandelt worden, sodass der Entwurf immer noch ,,in der Schwebe“ ist. Die Gründe hierfür sind vielschichtig. Unter anderem stellt die mangelnde Rechtsgrundlage einen solchen Grund dar. Der für die Einführung einer Geschlechterquote in Betracht kommende Art. 157 Abs. 3 AUEV stellt keine ausreichende Rechtsgrundlage dar. Er gilt allein für die Gleichbehandlung von Kandidaten und gerade nicht für den Vorrang des unterrepräsentierten Geschlechts. Einen weitere Rolle spielt das fehlende Subsidiaritätsprinzip. Dieses besagt, dass die EU nur dann tätig werden darf, wenn die eigenen Maßnahmen der Mitgliedstaaten nicht ausreichen, konkret also zu keiner Erhöhung des Frauenanteils führen. Viele Kritiker haben an dem Vorhaben der EU auch bemängelt, dass eine solche Geschlechterrichtlinie einen Verstoß gegen die unternehmerische Freiheit darstelle, da den Unternehmen die Entscheidungsfreiheit bei der Auswahl von Kandidaten genommen werden würde.
Aufgrund der anherrschenden Uneinigkeit bezüglich der Umsetzung des EU- Richtlinienentwurfs hat Deutschland es zum Anlass genommen , selbst Regelungen zu einer Geschlechterquote in Gesellschaftsorganen einzuführen.

Auswirkungen auf das deutsche Gesetz zu Frauenquoten im AR

Durch den Richtlinienentwurf der EU- Kommission zur einer gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern in Führungsposition hat der deutsche Gesetzgeber also selbst auch Handlungsbedarf gesehen und im Jahr 2015 Regelungen zur Geschlechterquote in Gesellschaftsorganen eingeführt. Am 6. März 2015 hat der Bundestag das ‚Gesetz für eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst‘ verabschiedet.

Das Gesetz enthält im Wesentlichen drei Regelungsblöcke. Zum einen die Implementierung einer Geschlechterquote von 30 Prozent in Aufsichtsräten von börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Kapitalgesellschaften, die ab dem Jahr 2016 neu besetzt werden. Des Weiteren die Verpflichtung börsennotierter oder mitbestimmungspflichtiger Unternehmen, sich selbst verbindliche Zielgrößen für die anteilige Besetzung des Vorstands, des Aufsichtsrats und der beiden darunter liegenden Führungsebenen zu geben, um die Erhöhung des Frauenanteils zu fördern. Der dritte Regelungsblock umfasst die Novellierung des Bundesgleichstellungsgesetzes und des Bundesgremienbesetzungsgesetzes.

Das Gesetz soll dazu dienen, Frauen und Männern gleiche Teilhabe an Führungspositionen in Wirtschaft und Verwaltung zu sichern. Es verpflichtet Arbeitgeber im Wesentlichen, das jeweils unterrepräsentierte Geschlecht, in der Regel Frauen, stärker zu berücksichtigen. Im Gesetzentwurf der Bundesregierung werden dabei die Gründe und Absichten für die Einführung des Teilhabegesetzes erläutert. Zweifelsohne stellt der nach wie vor geringe Anteil weiblicher Führungskräfte in Spitzenpositionen der deutschen Wirtschaft den Hauptgrund für die Regelungen im Teilhabegesetz dar. So waren im Jahr 2013 lediglich 15,1 Prozent der Aufsichtsratspositionen und fünf Prozent der Vorstände der 200 größten Unternehmen in Deutschland mit Frauen besetzt. Der Gesetzgeber hat in seiner Gesetzesbegründung weiterhin ausgeführt, dass die von politischer Seite initiierten freiwilligen Selbstverpflichtungen der Unternehmen und die Empfehlungen im deutschen Corporate Governance Kodex ihre Wirkung verfehlt und zu keiner signifikanten Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen geführt haben.

Das Teilhabegesetz und seine Regelungen gem. § 96 Abs. 2 AktG

Die nun eingeführte fixe – genderneutral formulierte – Geschlechterquote von mindestens 30 Prozent gilt gemäß § 96 Abs. 2 S. 1 AktG für Gesellschaften, die börsennotiert sind und der paritätischen Mitbestimmung unterliegen. Dabei müssen beide Voraussetzungen kumulativ vorliegen. Der Aufsichtsrat muss sich jeweils zu mindestens 30 Prozent aus Frauen und Männern zusammensetzen. Liegen die oben beschriebenen Voraussetzungen des § 96 Abs. 2 AktG vor, gilt der Grundsatz der Gesamterfüllung. Der Mindestanteil von 30 Prozent muss somit gem. § 96 Abs. 2 S. 2 AktG grundsätzlich vom Aufsichtsrat insgesamt erfüllt werden. Dabei haben sowohl die Anteilseigner- als auch die Arbeitnehmerbank im Aufsichtsrat bei einfacher Mehrheit das Recht zum Widerspruch (sog. Getrennterfüllung). In diesem Fall ist der Mindestanteil gem. § 96 Abs. 2 S. 3 AktG von jeder Seite separat zu erfüllen.

Rechtsfolgen bei Nichteinhaltung der fixen Quote – § 96 Abs. 2 S.6 AktG

Bei Nichteinhaltung der fixen Geschlechterquote sieht § 96 Abs. 2 S. 6 AktG als Rechtsfolge die Nichtbesetzung des Aufsichtsratspostens und damit das Prinzip des leeren Stuhls vor. Der quotenwidrig Gewählte oder Entsandte ist damit von Anfang an nicht Aufsichtsratsmitglied. Aus praktischer Sicht ist es entscheidend zu wissen, welcher der gewählten männlichen Kandidaten in so einem Fall nicht wirksam in den Aufsichtsrat gewählt wurde. Hier wird zwischen Einzelwahl und Blockwahl unterschieden. Die Einzelwahl stellt dabei auch die in der Praxis gängige Wahlform dar. Bei der Einzelwahl wird über jedes gewählte Mitglied einzeln abgestimmt. Dabei wird der Wahlbeschluss als nichtig angesehen, der in der chronologischen Abfolge als erster die Mindestquote verletzt, gegebenenfalls auch die folgenden Wahlbeschlüsse. Wird die Einzelwahl in getrennten Abstimmungsgängen gehalten, sodass nacheinander über die Kandidaten entschieden wird, führt dies üblicherweise zu einem eindeutigen Ergebnis.

Der Vorstand hat dann als Folge der Nichtbesetzung des Aufsichtsratssitzes nach § 104 AktG die Pflicht, einen Antrag auf gerichtliche Bestellung eines Aufsichtsrats zu stellen. Das Gericht ist bei der Bestellung gemäß § 104 Abs. 5 AktG verpflichtet, eine quotenkonforme Auswahl zu treffen. Es darf also nur einen Vertreter des unterrepräsentierten Geschlechts bestellen. Ein ausdrücklicher Qualifizierungsvorbehalt für das neue Aufsichtsratsmitglied wird nicht verlangt. Es müssen jedoch die für den Vorstand geltenden, allgemeinen Auswahlkriterien für die Kandidaten bei der Besetzung der vakanten Aufsichtsratspositionen eingehalten werden.

Berichtspflichten der betroffenen Gesellschaften

Gesellschaften, die von der fixen Geschlechterquote und flexiblen Frauenquote betroffen sind, müssen Berichtspflichten gemäß § 289a Abs. 2 Nr. 4 bis Abs. 4 HGB beachten. Einen Teil des Lageberichts bildet die Erklärung zur Unternehmensführung, in der die Unternehmen Angaben darüber machen, ob sie bei der Besetzung des Aufsichtsrats die fixe Geschlechterquote im Bezugszeitraum eingehalten haben und ggf. Gründe für ein Nichteinhalten darstellen müssen, § 289a Abs. 2 Nr. 5 HGB.