Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass eine Bemessung der Abfindungshöhe im Sozialplan, die direkt an das Merkmal der Behinderung anknüpft, unzulässig ist. Voraussetzung hierfür ist, so das BAG, dass der schwerbehinderte Arbeitnehmer schlechter gestellt ist, als ein in gleicher Weise betroffener (nicht behinderter) Arbeitnehmer.

Der Sozialplan

Wird ein Betrieb oder ein wesentlicher Betriebsteil i. S. d. § 111 S. 3 Nr 1 BetrVG stillgelegt, so hat dies mitunter schwere Folgen für die ArbeitnehmerInnen. Bei einer Stilllegung wird der Geschäftsbetrieb ganz oder teilweise aufgegeben, sodass die Qualifikationen der ArbeitnehmerInnen in diesem Betrieb nicht mehr benötigt werden und somit eine betriebsbedingte Kündigung bevor steht.

Eine betriebsbedingte Kündigung basiert grundsätzlich auf einer unternehmerischen Entscheidung und nicht auf ein etwaiges Fehlverhalten der ArbeiternehmerInnen. Im Fall einer Betriebsänderung sollen Betriebe mit dem Betriebsrat über einen Sozialplan entscheiden. Der Betriebsrat soll mit mindestens fünf ständigen wahlberechtigten ArbeitnehmerInnen besetzt sein (§ 1 Abs. 1 S. 1 BetrVG).

Der Sinn und Zweck eines Sozialplans ist also eine Einigung zwischen Unternehmer und Betriebsrat. Der Sozialplan soll einen Ausgleich oder eine Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den ArbeitnehmerInnen infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen, herbeiführen (§ 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG). Ein Sozialplan kann somit Regelungen über Abfindungszahlungen, bezahlte Freistellungen, die Sicherung von betrieblichen Sozialleistungen, Vorruhestandsregelungen aber auch Regelungen über Qualifizierungs- und Trainingsmaßnahmen enthalten.

Die Betriebsänderung im vorliegenden Fall hatte zur Folge, dass der Betriebsteil in dem der Kläger beschäftigt war, stillgelegt werden sollte und der Kläger somit seine Arbeitsstelle verlieren würde. Seine Klage bezieht sich auf die Abfindungsregelungen im Sozialplan, die im Folgenden kurz dargestellt werden.

Der Inhalt des Sozialplans

§ 2 des Sozialplans zufolge sollen die ArbeitnehmerInnen, die aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung ihren Arbeitsplatz verlieren eine Abfindung erhalten. Die Höhe der Abfindung soll sich nach den Kriterien der Betriebszugehörigkeit, dem Brutto-Monatsentgelt und einem weiteren Faktor bemessen. Nach dieser Berechnung würde dem Kläger grundsätzlich eine Abfindung in Höhe von 64.558,00 EUR zustehen.

§ 3 des Sozialplans besagt, dass die Abfindungssumme 40.000,00 EUR Brutto nicht übersteigt, wenn MitarbeiterInnen vor dem 01.01.1952 geboren wurden und nach einem Arbeitslosengeldbezug von bis zu maximal 12 Monaten die vorgezogene Altersrente wegen Arbeitslosigkeit erstmals in Anspruch nehmen können. Kurz gesagt: die ArbeitnehmerInnen erhalten nicht mehr als 40.000,00 EUR, wenn nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits nach einem Jahr Rente bezogen werden kann (Regelung der „Rentennähe“).

§ 2 Abs. 1 beinhaltet die Regelung, dass MitarbeiterInnen, die „aufgrund einer Schwerbehinderung zu Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Rente in Anspruch nehmen können“ von der Faktorenberechnung ausgeschlossen werden und eine Abfindung in Höhe von 10.000,00 EUR erhalten. Entsprechend § 2 Abs. 5 des Sozialplans, sollen die MitarbeiterInnen, die zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses schwerbehindert sind, einen Zusatzbetrag in Höhe von 1.000,00 EUR erhalten.

Basierend auf § 2 Abs. 1 und 5 des Sozialplans erhielt der im Jahre 1950 geborene, mit einem Grad der Behinderung von 70, angestellte Kläger lediglich eine Abfindung in Höhe von 11.000,00 EUR.

Der Kläger klagte darauf hin auf Zahlung einer Restabfindung in Höhe von 53.558,00 EUR hilfsweise in Höhe von 30.000,00 EUR nebst Verzugszinsen in Anbetracht der genannten Rentennähe aus § 3 des Sozialplans.

(Hier können Sie weitere Einzelheiten des Sozialplans in der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln nachlesen.)

Die Entscheidungen

Bereits in erster Instanz hat das Arbeitsgericht Köln entschieden, dass die Beklagte an den Kläger 30.000,00 EUR nebst Zinsen zu zahlen hat. Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass „die Regelung einer pauschalen Abfindung für schwerbehinderte Arbeitnehmer eine unzulässige Diskriminierung sei“, da die Regelung direkt an das Merkmal der Behinderung anknüft. Wäre der Kläger nicht behindert, würde ihm eine Abfindung nach § 2 Abs. 3 des Sozialplans zustehen.

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts wurde in zweiter Instanz durch das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln bestätigt. Das LAG stellte fest, dass die Pauschalabfindung in Höhe von 10.000,00 EUR im Sozialplan gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz nach § 1 AGG verstößt und somit unwirksam sei. Das LAG sieht im § 2 Abs. 3 des Sozialplans eine gemäß § 7 Abs. 2 AGG verstoßende Vereinbarung. Ein Synonym für die Vereinbarung ist auch ein Abkommen oder eine Abmachung. Ein Sozialplan ist ein solches „Abkommen“, nämlich zwischen Unternehmer und Betriebsrat. Unstrittig handelt es sich somit bei einem Sozialplan um eine in § 7 Abs. 2 AGG genannte Vereinbarung.

Das LAG hat weiterhin ausgeführt, dass dem Kläger aufgrund der unwirksamen Regelung des § 2 Abs. 3 im Sozialplan grundsätzlich eine Abfindungszahlung nach der Faktorenberechnung zusteht. Die Faktorenberechnung wird allerdings aufgrund der rentennähe des Klägers auf 40.000,00 EUR begrenzt.

Die Revision der Beklagten hatte vor dem BAG keinen Erfolg. Das BAG hat die Entscheidungen der Vorinstanzen bereits in seiner Pressemitteilung bestätigt und nochmals ausgeführt, dass eine Regelung im Sozialplan, die die direkt an das Merkmal der Behinderung anknüpft unzulässig ist.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz

Ziel des AGG ist es, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen (§ 1 AGG).

Der Anwendungsbereich des AGG trifft alle Phasen im Arbeitsverhältnis, also nicht nur Bewerber und beschäftigte Arbeitnehmer, sondern auch bereits ausgeschiedene Arbeitnehmer. Des Weiteren schützt das Diskriminierungsmerkmal der Behinderung nicht nur Menschen mit einer Schwerbehinderung. Als schwerbehindert ist ein Mensch ab einem Grad der Behinderung (GdB) über 50. Der Kläger im vorliegenden Sachverhalt hat einen GdB von 70. Dennoch hätten die Gerichte genauso entschieden, hätte der GdB unter 50 gelegen, da das Merkmal der Behinderung sich nicht auf den Grad der Behinderung beschränkt.

Grundsätzlich darf der Sozialplan pauschale Regelungen enthalten, sofern sie nicht gegen das AGG oder sonstige geltende Rechte verstoßen. Im Sozialplan ist zum Beispiel die Regelung erlaubt, dass ältere ArbeitnehmerInnen im Vergleich zu jüngeren eine höhere Abfindungssumme erhalten. Dies mag zunächst diskriminierend erscheinen. Vergleicht man jedoch die Berufschancen von einem 25-jährigen Arbeitnehmer und einem 55-jährigen, ist eine abweichende pauschalisierte Regelung vertretbar. Auch Regelungen über niedrigere Abfindungen für Beschäftigte mit besonderer Rentennähe sind nach § 10 S. 3 Nr. 6 AGG zulässig. Wie das BAG entschieden hat, ist auch die Festsetzung eines Höchstbetrages für eine Abfindung zulässig.

Im vorliegenden Fall haben die Instanzen entschieden, dass die Regelung der pauschalisierten Abfindung für Menschen mit Behinderungen unzulässig ist, da diese direkt an das Merkmal der Behinderung anknüpft.  Ob eine abweichende oder neue Regelung an deren Stelle tritt ist jedoch umstritten. Eine Differenzierungsmöglichkeit liegt darin, dass die Gruppe, die durch eine Regelung benachteiligt wird, auf den Stand der übrigen (nicht Benachteiligten) angehoben wird. Umgekehrt gilt für eine Gruppe, die zu Unrecht begünstigt wird, dass eine Herabstufung vorgenommen wird.

Die Unterschiedliche Behandlung von ArbeitnehmerInnen ist im Sozialplan ebenfalls dann zulässig, wenn der entstehende Nachteil für einzelne ArbeitnehmerInnen geringer ist als für einen anderen. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn ein Arbeitnehmer (z. B. aufgrund seiner Qualifikation) eine Arbeit in einem anderen Betriebsteil oder -Ort ausführen kann. Hierbei verliert der Arbeitnehmer zwar seine bisherige Anstellung, hat jedoch einen geringeren Nachteil als ein Arbeitnehmer, der seine Stelle komplett verliert.

Für die Praxis

Grundsätzlich soll ein Sozialplan ArbeitnehmerInnen vor einem wirtschaftlichen Nachteil bewahren. Dies geschieht größtenteils durch Regelungen über (Abfindungs-) Zahlungen, die den Arbeitnehmer für den Verlust seines Arbeitsplatzes „entschädigen“ sollen. Der Sozialplan selbst soll eine Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und den ArbeitnehmerInnen sein, mit denen beide Seiten zufrieden sein können. Jedoch darf dieser Sozialplan keinen Arbeitnehmer diskrimieren (und natürlich auch nicht gegen zwingendes Recht verstoßen).

Im vorliegenden Fall handelte es sich um das Diskriminierungsmerkmal der Behinderung. Die Regelungen des Sozialplans, die in diesem Beitrag aufgezeigt wurden, mögen auf den ersten Blick gerechtfertigt sein. Zumal der Kläger zum Beispiel aufgrund seiner Behinderung tatsächlich bessere Chancen beim Rentenbezug haben könnte. Ersetzt man jedoch in den Regelungen des Sozialplans das Wort „Behinderung“ durch die Worte „Alter, Geschlecht oder Religion“ wird dem Leser doch eher bewusst, dass dies durchaus diskriminierend ist. Wichtig ist daher, dass im Sozialplan der Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt wird. Es darf keine sachfremde Schlechterstellung einzelner ArbeitnehmerInnen erfolgen, die in einer gleichen Weise betroffen sind wie andere ArbeitnehmerInnen. Gleichenfalls sollten Differenzierungen, zum Beispiel aufgrund des Alters, nur erfolgen, wenn für die unterschiedliche Behandlung billigenswerte Gründe vorliegen.