Es kommt nicht selten vor, dass gefälschte Produkte als Originale im Internet zum Verkauf angeboten werden. Haben die Markenlizenznehmer zur Ermittlung des Verkäufers einen Auskunftsanspruch gegen die Bank über den Namen und die Anschrift des Kontoinhabers oder steht diesem das Bankgeheimnis entgegen? Nachdem zunächst der EuGH zu dieser Frage Stellung nahm, hat der BGH nun den Auskunftsanspruch der Klägerin bejaht.
Was war geschehen?
Der Parfüm- und Kosmetikkonzern Coty Germany GmbH ist Lizenznehmerin der Marke Davidoff. Im Januar 2011 wurde das Parfüm „Davidoff Hot Water“ auf der Internetplattform Ebay angeboten. Die Lizenznehmerin tätigte einen Testkauf und ersteigerte das Parfüm. Den Kaufpreis überwies sie auf das vom Verkäufer angegebene Konto, das bei der Sparkasse geführt wurde. Beim bestellten Parfüm handelte es sich offensichtlich um eine Fälschung. Nachforschungen über die Identität des Verkäufers führten nicht zum gewünschten Erfolg. Aus diesem Grund forderte die Klägerin von der Sparkasse die Nennung des Namens und der Anschrift des Kontoinhabers. Diese verweigerte die Herausgabe der Daten allerdings unter Berufung auf das Bankgeheimnis.
Markenrechtlicher Hintergrund
Der Auskunftsanspruch der Klägerin ergibt sich aus § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MarkenG, dessen Voraussetzung an sich gegeben waren. Es handelt sich beim Vertrieb des gefälschten Parfüms um eine offensichtliche Rechtsverletzung. Auch hat die beklagte Sparkasse durch die Führung des Girokontos, über das der Zahlungsverkehr abgewickelt wurde, eine für die rechtsverletzende Tätigkeit genutzte Dienstleistung in gewerblichem Ausmaß erbracht. Die Vorschrift sieht allerdings auch vor, dass der Dritte die Auskunft verweigern kann, wenn ihm nach der Zivilprozessordnung ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht.
Die Sparkasse berief sich demnach auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO, da sie auf Grund des Bankgeheimnisses zur Verschwiegenheit verpflichtet war. Das Bankgeheimnis ist in Deutschland im Gegensatz zu der Schweiz und anderen Staaten nicht gesetzlich geregelt, sondern wird vielmehr über vertragliche Regelungen garantiert und ist von der Rechtsprechung gewohnheitsrechtlich anerkannt.
Bankgeheimnis vs. Recht auf geistiges Eigentum
Vor dem Landgericht Magdeburg hatte die Klägerin zunächst Erfolg (Urteil vom 28.09.2011) Das Oberlandesgericht Naumburg wies die Klage mit Urteil vom 15.03.2012 ab, weil es davon ausging, dass die Sparkasse wegen des Bankgeheimnisses nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO die Auskunft verweigern durfte. Als Revisionsinstanz hatte dann der BGH über den Sachverhalt zu entscheiden. Er sah sich jedoch auf Grund der bestehenden Kollision zwischen dem markenrechtlichen Auskunftsanspruch und dem Bankgeheimnis daran gehindert, eine abschließende Entscheidung zu treffen.
Da der Auskunftsanspruch in § 19 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 MarkenG die Umsetzung des Art. 8 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums darstellt, setzte der BGH das Verfahren am 17.10.2013 aus und legte dem EuGH die Frage vor, ob das Recht zur Verweigerung der Auskunft durch die Richtlinie gedeckt war. Problematisch erschien insbesondere Art. 8 Abs. 3 Buchst. e der Richtlinie, der den Schutz der Vertraulichkeit von Informationsquellen und die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Gegenstand hat.
EuGH: Keine Verletzung des Bankgeheimnisses
Der EuGH entschied mit Urteil vom 16.07.2015, dass eine „unbegrenzte und bedingungslose“ Auskunftsverweigerung nicht richtlinienkonform ist. Vielmehr verlangt die Richtlinie die Abwägung der beiderseitigen Interessen, namentlich das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf aus Art. 47 der EU-Grundrechtecharta sowie das Recht des geistigen Eigentums aus Art. 17 Abs. 2 der Charta einerseits und das Recht auf Schutz von personenbezogenen Daten aus Art. 8 der Charta andererseits. § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO scheine aber dem Wortlaut nach ein unbegrenztes Zeugnisverweigerungsrecht zu enthalten und lasse eine Abwägung nicht zu. Das bedeutet aber nicht, dass den Banken bei markenrechtlichen Auskunftsansprüchen überhaupt kein Auskunftsverweigerungsrecht mehr zusteht. Vielmehr gab der EuGH dem BGH auf zu prüfen, ob § 19 Abs. 2 Satz 1 MarkenG i.V.m. § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO eine unbegrenzte Weigerung der Banken gestatte und ob der Lizenznehmerin nach deutschem Recht ein anderer Rechtsbehelf zur Verfügung stehe, um die erforderliche Auskunft über die Identität des Kontoinhabers zu erhalten.
BGH: Recht auf geistiges Eigentum überwiegt
Der BGH hat nun auf dieser Grundlage mit Urteil vom 21.10.2015 entschieden, dass der Klägerin ein Anspruch auf Auskunft über Namen und Anschrift des Kontoinhabers zusteht. Die Bestimmung des § 19 Abs. 2 S. 1, 2. HS MarkenG sei unionsrechtskonform dahin auszulegen, dass ein Bankinstitut nicht gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO die Auskunft über Namen und Anschrift des Kontoinhabers verweigern dürfe, wenn das Konto zur Abwicklung einer „leicht erkennbaren, offensichtlichen Markenverletzung“ genutzt wurde. Das Grundrecht des Kontoinhabers auf Schutz der persönlichen Daten nach Art. 8 der EU-Grundrechtecharta und das Recht der Bank auf Berufsfreiheit nach Art. 15 der Charta müssen hinter den Grundrechten der Markeninhaberin auf Schutz des geistigen Eigentums und einen wirksamen Rechtsschutz zurücktreten. Das Bankgeheimnis wiege schon deshalb nicht besonders schwer, weil das Konto unzweifelhaft mit einer Verletzung von Markenrechten in Zusammenhang stehe.
Dies sei der einzige Weg für die Rechteinhaber an die Rechtsverletzer heranzukommen. Es besteht zwar die Möglichkeit der Klägerin ein Strafverfahren einzuleiten, allerdings ist dieses nicht dazu da, um zivilrechtliche Ansprüche durchzusetzen. Daher besteht daneben auch der markenrechtliche Auskunftsanspruch über die Identität des Kontoinhabers.
Bedeutung für die Praxis
Durch die sogenannte „Davidoff Hot Water II“- Entscheidung des BGH werden es Markenfälscher bei ihren Onlinegeschäften künftig schwerer haben. Der BGH hat das Bankgeheimnis bei Markenverletzungen über das Internet gelockert, sodass eine pauschale Berufung auf das Bankgeheimnis nicht mehr möglich ist. Das Urteil trägt dazu bei, dass Banken zukünftig verstärkt an den Ermittlungen von Markenfälschern mitwirken werden. Auch wissen Banken durch das Urteil, wann eine Auskunftserteilung berechtigt ist. Dies führt zu einer erhöhten Rechtssicherheit. Ebenso bleibt es Rechteinhabern erspart, über oftmals langwierige Strafverfahren an die persönlichen Daten des Rechtsverletzers zu gelangen. Vielmehr können sie zumindest bei „offensichtlichen Markenrechtsverletzungen“ die Daten von den Banken heraus verlangen. Den Banken bleibt allerdings die Aufgabe festzustellen, ob eine „offensichtliche Markenrechtsverletzung“ gegeben ist. Diese wird dann zu bejahen sein, wenn es für jeden Laien erkennbar ist, dass es sich um eine Fälschung handelt.
Das Urteil des BGH scheint vor allem angesichts der Tatsache berechtigt, dass das Bankgeheimnis nicht uneingeschränkt beeinträchtigt werden darf. Dies ist nach obigem Artikel auch jetzt nur bei Notwendigkeit und eindeutiger Nutzung des Kontos zu gestatten. Gerade auch durch die strittige Natur des Bankgeheimnisses muss der Schutz der Markenrechte bei solch eindeutigen Beeinträchtigungen überwiegen. Würde das Bankgeheimnis in jedem Fall überwiegen, wäre ein großer geschützter Bereich entstanden, von dem Kriminelle stark profitiert hätten.
Der Artikel stellt die Rechtslage und die neue Entscheidung des BGH gut und verständlich dar.
Eine sehr zu begrüßende Entscheidung des BGH, womit Markenfälschern zumindest bei ihren Onlinegeschäften entgegengewirkt werden kann. Es besteht kein juristisch plausibler Grund, warum das Bankgeheimnis zugunsten einer offensichtlichen Markenrechtsverletzung gewahrt werden sollte und somit die persönlichen Daten des Rechtsverletzers geschützt werden sollten. Für betroffene Markeninhaber wird damit der steinige Weg beseitigt, um an die Daten der Markenfälscher zu gelangen. Doch alles Gute hat auch sein Schlechtes. In diesem Falle trifft das Schlechte die Banken, die sich folglich nicht einfach nur auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen können, sondern mit dieser Entscheidung auch aufgefordert werden ihren Teil zur Bekämpfung der Markenfälschung beizutragen. Zu Recht! Warum sollten Banken von Geldeinlagen durch Rechtsverletzungen der Markenfälscher profitieren? Daher ist „das Schlechte“, in diesem Falle für die Banken, auch als Gutes zugunsten der Markenrechtsinhaber auszulegen.