Der Bundesfinanzhof (BFH) hat durch seine Entscheidung vom 10.02.2015 (IX R 23/14) eine bestehende Rechtsprechung grundlegend geändert. Hiernach muss nun der Zwangsverwalter die Einkommenssteuer entrichten, sobald er Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung innerhalb der Zwangsverwaltung generiert. Das ist auch der Fall, wenn neben des Zwangsverwaltungsverfahrens ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet wurde.

Die Entscheidung basiert auf folgendem Sachverhalt. Der Schuldner war Eigentümer mehrerer Grundstücke, die er jeweils vermietet hatte. Die Mieteinnahmen, die er monatlich erhielt, sind Einkünfte im Sinne des Einkommensteuergesetzes,  §§ 2 I 1 Nr. 7 i.V.m. 23 I Nr. 1 EstG. Das bedeutet, dass der Schuldner gegenüber dem Finanzamt eine jährliche Steuererklärung über seine Einnahmen abzugeben und die ermittelte Einkommenssteuer zu begleichen hat. Der Schuldner geriet in Zahlungsschwierigkeiten, woraufhin seine Gläubiger die Zwangsverwaltung über die jeweiligen vermieteten Grundstücke beantragten. Der vom Gericht bestellte Zwangsverwalter kehrte die Erträge, wie hier aus Vermietung und Verpachtung, an die Gläubiger aus. Des Weiteren wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet. Innerhalb dieses Verfahrens verdrängt der Insolvenzverwalter den Schuldner als Steuerpflichtigen von der Verwaltung seines Vermögens (§§ 80, 81 InsO). Der Schuldner kann somit seine steuerrechtlichen Pflichten nicht mehr erfüllen. Die Verpflichtung zur Abgabe der Steuererklärung obliegt infolgedessen dem Insolvenzverwalter. Dieser hatte nun innerhalb des Insolvenzverfahrens aufgrund der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung eine entsprechende Steuererklärung gegenüber dem Finanzamt abzugeben und die hieraus resultierende Steuer aus der Masse zu begleichen.

Der Rechtsstreit begann, als der Insolvenzverwalter das Finanzamt darauf verklagte, den Steuerbescheid über die Einkommenssteuer aus der Vermietung und Verpachtung von 4.724,00 EUR aufzuheben. Diese Steuerlast sollte nicht die Insolvenzmasse belasten, sondern eher dem Zwangsverwaltungsverfahren zugeordnet werden, so der Insolvenzverwalter. Das Finanzamt jedoch sah den Insolvenzverwalter, nicht den Zwangsverwalter, neben dem eigentlichen Steuerschuldner als weiteren Steuerpflichtigen und verlangte von ihm die Zahlung der Einkommenssteuer aus der Insolvenzmasse des Schuldners.

Bisherige Rechtsprechung

Vor dem Urteil des BFHs war es jahrelang gängige Rechtsprechung, dass der Insolvenzverwalter die Einkommenssteuer aus dem Vermögen des Schuldners zu zahlen hatte. Dies resultierte daraus, dass der Insolvenzverwalter Vermögensverwalter im Sinne des §§ 34 III i.V.m. 34 I AO ist. Als Vermögensverwalter erfüllt er, wie bereits geschildert, neben dem Schuldner sämtliche Steuererklärungspflichten. Diese Pflichten lagen alleine bei ihm, trotz einem parallel laufendem Zwangsverwaltungsverfahren. Daneben ist zwar der Zwangsverwalter auch Vermögensverwalter im Sinne der Abgabenordnung, jedoch konnte er diesen Pflichten nur beschränkt nachgehen. Lediglich die Mitteilung der erforderlichen Angaben über die steuerliche Bewertungsgrundlage des Grundstücks, wurden von dem Zwangsverwalter getätigt. Zu seinem Pflichtenkreis zählte gerade nicht die Abgabe der Steuererklärung im Zusammenhang mit den persönlichen Steuerschulden des Grundstückseigentümers. Dies ist auch der Fall, wenn seine Einkünfte aus dem zwangsverwalteten Grundstück resultierten.

Man trennt hier steuerrechtlich die Zwangsverwaltung, die sich nur auf den Grundbesitz des Schuldners richtet, von dem Insolvenzverfahren, welches das gesamte restliche Vermögen des Schuldners erfasst. Die Zwangsverwaltung wurde nur mit solchen Kosten belastet, die sich auch objektiv aus der Nutzung des  Grundstücks gemäß §§ 155 I, 156 I 1 ZVG ergaben. Das könnte zum Beispiel die Grundsteuer sein. Diese hat der Zwangsverwalter von den Mieteinnahmen abzuziehen und den Restbetrag an die Gläubiger auszukehren. Mit einer möglichen Einkommenssteuerpflicht hatte bisher zumindest der Zwangsverwalter keinerlei Berührung.

Aktuelle Rechtsprechung

Dies hat der BFH mit dem angegebenen Urteil nun grundlegend geändert.

Durch das Urteil des BFHs muss nun nicht mehr der Insolvenzverwalter die Einkommenssteuer aus Vermietung und Verpachtung begleichen, sondern der Zwangsverwalter. Die Argumentation lautet, dass durch die Trennung der beiden Verfahren der Grundbesitz des Schuldners aus der Insolvenzmasse abgetrennt wird und somit in keiner Beziehung mehr zum Insolvenzverfahren steht. Fraglich ist daher, warum die Einkommenssteuer die Insolvenzmasse belasten soll.

Der BFH führt aus, dass das ZVG zwar zur Entrichtung der Einkommenssteuer keine explizite Regelung kennt, jedoch der Wortlaut der einschlägigen Norm auch nichts Gegenteiliges behauptet. Demnach ist in § 156 ZVG keine Antwort zu finden, welche Steuern der Zwangsverwalter abzuziehen hat und welche nicht.

Der BFH stellte weiterhin fest, dass mit einer Umsatzsteuer, die sich in dem Zwangsverwaltungsverfahren ergeben könnte, auch nicht anders verfahren werden würde (BFH, Urteil, 18.10.2001, V R 44/00). Hier ist längst höchstrichterlich geklärt, dass der Zwangsverwalter als Vermögensverwalter die Umsatzsteuer zu entrichten hat, soweit seine Verwaltung dafür ausreicht. Gleiches gilt auch für die Kfz-Steuer, sofern das Fahrzeug in der Zwangsverwaltung dem Grundstück zugeordnet ist (BFH, Urteil, 01.08.2012, II R 28/11). Kann daraus geschlussfolgert werden, dass der BFH die Steuern nun dorthin sortiert, wo sie auch entstanden ist?

Stellungnahme

Nein, denn das Urteil wirft erhebliche rechtliche und praktische Problemstellungen auf.

In seiner Eigenschaft als Vermögensverwalter hat der Zwangsverwalter steuerrechtliche Pflichten betreffend einzelner Vermögensteile zu erfüllen, die der Vermögensverwaltung unterliegen. Diese Pflicht berührt ausdrücklich nicht andere Einkunftsquellen des Eigentümers. Besonders bei persönlichen Steuerschulden, wie hier bei der Einkommenssteuer, sind zahlreiche wirtschaftliche und persönliche Verhältnisse des Schuldners zu berücksichtigen. Da der Zwangsverwalter lediglich die ordentliche Bewirtschaftung und Sicherung des Grundstücks zu erfüllen hat, ist er nicht in der Lage eine korrekte Erklärung über die Verhältnisse des Schuldners beim Finanzamt abzugeben. Durch eine unrichtige Abgabe der Steuererklärung könnte zudem eine mögliche bestehende Eigenhaftung des Zwangsverwalters nach § 154 ZVG begründet werden. Auch wenn man annimmt, dass das Finanzamt schon aus früheren Steuererklärungen gewisse Kenntnisse über den Schuldner hat, so muss der Zwangsverwalter trotzdem die aktuellen Informationen (z.B. Mietfreistellungen, gewerbliche Einkünfte etc.) vom Schuldner einholen. Aufgrund der beschränkten Einsichtsmöglichkeit in die persönlichen Unterlagen und der wahrscheinlich mangelnden Mitwirkungspflichten des Schuldners, wird der Zwangsverwalter der Entscheidung des BFHs daher nicht nachkommen können.

Wie bereits erwähnt, sortiert der BFH die Einkommenssteuer ebenfalls unter § 156 I 1 ZVG. Sollte der BFH durch seine Entscheidung eine erweiterte Auslegung des § 156 I 1 ZVG erreichen wollen, fehlt in seiner Ausführung jegliche Begründung. Der BFH macht sich zu Nutzen, dass die Norm weder eine positive noch negative Regelung diesbezüglich enthält. Auch in der Literatur gibt es bis dato weder eine Befürwortung noch einen Anhaltspunkt, auf den sich der BFH beziehen könnte.

Weiterhin stellen die §§ 155, 156 ZVG auf etwaige Bewirtschaftungskosten ab, welche sich aus dem Grundstück ergeben. Auf die Frage, ob und wie die Einkommenssteuer hierunter subsumiert werden kann, äußert sich der BFH nicht. Jedoch sollte dieser Punkt nicht außer Acht gelassen werden. Zu den Bewirtschaftungskosten zählen unter anderem solche, die aufgrund einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung jährlich entstehen (§ 19 ImmoWertV). Es kann kaum angenommen werden, dass Steuerzahlungen der Bewirtschaftung des Grundstückes dienen. Das bedeutet, dass der Sinn und Zweck des § 156 ZVG nicht über diesen Weg weitergebildet werden kann. Abschließend sollte sich der BFH den aufgeworfenen Fragestellungen zu § 156 ZVG nochmals annehmen, um eine eindeutige Auslegung der Rechtsnorm zu gewährleisten.

Zudem stellt der BFH einen Vergleich zur Umsatz- bzw. Kfz-Steuer an. Diese sind im Zwangsverwaltungsverfahren durch den Zwangsverwalter zu entrichten, sofern seine Verwaltung reicht. Der BFH geht davon aus, dass diese Gegenüberstellung seine Argumentation weiter bekräftigt. Jedoch ist hier fraglich, ob dieser Vergleich herangezogen werden kann, da die Umsatz- sowie Kfz-Steuer objektbezogene Steuern sind. Anders als bei der Einkommenssteuer aus Vermietung und Verpachtung, sind sie gerade nicht von den finanziellen und persönlichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen abhängig. Sie beziehen sich lediglich auf bestimmte Tätigkeiten oder Sachen ohne Rücksicht auf die persönliche Situation des Steuerpflichtigen. Insoweit ist nicht nachvollziehbar, warum der BFH diesen Vergleich gewählt hat. Seine Entscheidung wird zumindest hierdurch nicht gestärkt.

Des Weiteren äußert sich der BFH bisher zu keinen möglichen prozessualen Folgen des Urteils. Wie ist zu verfahren, wenn das Zwangsverwaltungsverfahren beendet wurde, aber der Veranlagungszeitraum für die Einkommenssteuer nicht? Muss die Zwangsverwaltung weiter aufrecht erhalten werden bis der Veranlagungszeitraum abgeschlossen, die Steuererklärung eingereicht, der Bescheid erlassen und die Steuer gezahlt wurde? Zu Bedenken ist weiterhin, dass der Gläubiger sekundär haftet. Man könnte sogar so weit gehen und eine Abwertung seines Grundpfandrechtes hierin sehen, da der Gläubiger den zusätzlichen Abzug akzeptieren muss.

Eine weitere Folge, die der BFH nicht bedacht hat, ist das sich durch das Urteil taktische Möglichkeiten für den Insolvenzverwalter ergeben könnten. Sollte nur das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet worden sein, belastet die Einkommenssteuer die Insolvenzmasse gemäß § 55 InsO. Allerdings könnte der Insolvenzverwalter die Zwangsverwaltung beantragen und so die Masse vor dieser Steuer schützen. Folglich würde das Gesamtvermögen entlastet und nur ein Teilvermögen belastet werden. Zweifelhaft ist, ob dies das Ziel des BFHs gewesen ist.

Fazit

Die Entscheidung des BFHs lässt viele rechtliche und praktische Fragen offen. Neben einer fehlenden rechtlichen Grundlage für die Entscheidung, führen auch zweifelhafte Vergleiche zu den Steuergesetzen bzw. scheinbar ähnlichen anderen Steuerverhältnissen, nicht zu einer einschlägigen und durchsetzbaren Entscheidung. Durchaus kann man die Argumentation des BFHs nachvollziehen und erkennt auch den Gerechtigkeitsaspekt dieser Entscheidung. Dennoch kann man die vorstehenden Probleme dieser Entscheidung nicht von der Hand weisen. Bisher behilft sich die Praxis damit, dass der Zwangsverwalter eine verbindliche Auskunft beim Finanzamt erfragt. Durch diese „Melden macht frei“-Methode wird der Zwangsverwalter vom Finanzamt offiziell entlastet und umgeht somit eine Steuererklärungspflicht und einer möglichen Haftung bzw. auch einer Strafbarkeit. Es ist abzuwarten, ob der BGH die Einschätzung des BFHs bestätigt, dass Ertragssteuern vorab aus dem Erlös zu entnehmen sind.