„Vorfälligkeitsentschädigung vermeiden: Nutzen Sie Ihren Widerrufsjoker!“ „Darlehensvertrag Widerruf – so klappt es sicher!“ „Immobilienkredite – so kommen Sie aus teuren Kreditverträgen raus!“ Es scheint zum guten Ton zu gehören, dass Verbraucherschützer, Zeitschriften und Rechtsanwälte ihre Klientel medienwirksam regelrecht dazu auffordern, ihre Darlehensverträge wegen falscher Widerrufsbelehrungen zu widerrufen um so mit einer günstigen Umschuldung Geld zu sparen. Hintergrund ist eine Rechtsprechung des BGH, die die damaligen Rechtsunsicherheiten bei der Ausgestaltung von Widerrufsbelehrungen nicht berücksichtigt und Unternehmer damit im Namen des Verbraucherschutzes fäschlicher- und unnötigerweise benachteiligt. Hierbei sind sich Verbraucher in der Regel nicht darüber im Klaren, dass ein Darlehenswiderruf häufig rechtsmissbräuchlich ist und ein „ewiges“ Widerrufsrecht gar nicht existiert.
Günstige Umschuldung durch Darlehenswiderruf
Die Möglichkeit, sich schon vor Ablauf des Zinsfestschreibungszeitraums vom Darlehen lösen zu können, besteht für den Darlehensnehmer grundsätzlich nur mit Zustimmung der Bank. Hierfür lässt sie sich in aller Regel ein Vorfälligkeitsentgelt bezahlen, das eine Art Entschädigung für den Schaden der Bank darstellt, der ihr durch die vorzeitige Rückführung entsteht, insbesondere die Refinanzierungskosten für den Kredit oder die dann entfallende Marge. Da dieses Vorfälligkeitsentgelt regelmäßig relativ hoch ausfällt, gelingt es Banken oft, ihre Kreditnehmer doch in den Verträgen zu halten.
Kann der Verbraucher sich aber durch Widerruf seiner auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung vorzeitig vom Vertrag lösen, entfällt ebendieses Entgelt, sodass er durch die Ablösung des alten Darlehens durch ein neues von den derzeit historisch günstigen Zinsen profitieren kann. Kann er in Bezug auf § 357a Abs.3 BGB nachweisen, dass sein Gebrauchsvorteil, den er in der Zeit durch die Verwendung des ihm überlassenen Geldes zog, niedriger war als der vertragliche Sollzinssatz, winkt ihm obendrein sogar noch eine vergangenheitsbezogene Zinsersparnis.
Ewiges Widerrufsrecht durch falsche Widerrufsbelehrung
Eigentlich sieht das Gesetz mit § 355 Abs.2 BGB grundsätzlich eine 14-Tagesfrist nach Vertragsabschluss für den Widerruf vor. Um ihren Vertrag auch nach Jahren noch zu widerrufen, berufen sich Verbraucher auf die Rechtsprechung des BGH (18. März 2014, Az. II ZR 109/13; 15. August 2012, Az. VIII ZR 378/11; 1. Dezember 2010, Az. VIII ZR 82/10 u.v.m.) und begründen mit dessen Hilfe ein unbegrenzt laufendes, „ewiges“ Widerrufsrecht. Hierbei argumentieren sie, sie wären durch die Widerrufsbelehrung nicht ordnungsgemäß – also nicht im Sinne von § 355 Abs.2 S.1 BGB aF – belehrt worden, sodass die 14-tägige Widerrufsfrist nicht gem. § 355 Abs.1 S.2 BGB aF zu laufen begonnen hätte, sodass ihnen das Widerrufsrecht mangels Verfristung immer noch zustehe. Damit machen sie sich den Umstand zunutze, dass der BGH sehr strenge Anforderungen an die inhaltliche und äußerliche Gestaltung von Widerrufsbelehrungen setzt:
Seine grundsätzliche Aussage: Sofern ein Unternehmer nicht die Musterwiderrufsbelehrung (in der jeweils aktuellen Fassung) in Anlage 2 der BGB-InfoV aF vollumfänglich und ungeändert verwendet hätte, wäre die Belehrung grundsätzlich nicht geeignet, den Verbraucher ordnungsgemäß über sein Recht zu informieren. Damit folgt er der Gesetzlichkeitsfiktion des § 14 Abs.1 und 3 BGB-InfoV aF, die vorsieht, dass ein Verbraucher als ordnungsgemäß belehrt galt, wenn die Musterbelehrung verwendet wurde. Zwar war es Unternehmern grundsätzlich möglich, auch eine vollkommen eigene Widerrufsbelehrung zu formulieren und zu gestalten, jedoch war dies angesichts der strengen und umfangreichen Anforderungen des § 355 Abs.2 BGB aF ein äußerst kompliziertes Unterfangen.
Dass einige Banken die Belehrung trotz der Gesetzlichkeitsfiktion und der damit zusammenhängenden Schutzwirkung nicht vollumfänglich bzw. ungeändert benutzten, liegt daran, dass sie nicht den gesetzlichen Erfordernissen entsprach und somit schlichtweg falsch war. Strittig war deshalb, ob die Norm überhaupt wirksam sei, sodass viele Unternehmer die Musterbelehrung geringfügig abänderten, um sie den gesetzlichen Anforderungen anzupassen. Ebendies wurde insbesondere den Banken angesichts der aktuellen BGH-Rechtsprechung zum Verhängnis.
Rechtsmissbräuchliches Ziehen des „Widerrufsjokers“
Diese Gesetzeslage und Rechtsprechung mag Verbrauchern gefallen. Verständlich ist aber auch, dass sich die Banken dagegen zu wehren versuchen. Nimmt man die kürzliche 180°-Drehung der BGH-Rechtsprechung zur Unzulässigkeit von Bearbeitungsentgelten in Verbraucherkreditverträgen (13. Mai 2014, Az. XI ZR 405/12; 13. Mai 2014, Az. XI ZR 170/13; 28. Oktober 2014, Az. XI ZR 348/13; 28. Oktober 2014, Az. XI ZR 17/14) dazu, nach der Verbraucher ihre gezahlten Gebühren bis zu 10 Jahre rückwirkend zurückfordern konnten, steht die BGH-Rechtsprechung mit großen, roten Milliardenzahlen in den Büchern der Banken – allein durch das Hochhalten der Fahne des Verbraucherschutzes.
Eigentlicher Sinn des Widerrufsrechts ist der Schutz des Verbrauchers vor vertraglichen Bindungen, die er übereilt oder angesichts der Komplexität des Vertragswerks nicht im vollen Bewusstsein über dessen Bedeutung eingeht. Insofern soll der Verbraucherschutz ein Instrument dafür sein, das Machtgefälle zwischen Unternehmer und Verbraucher auszugleichen.
Davon kann hier inzwischen aber nicht mehr gesprochen werden. Vielmehr versuchen Verbraucher zunehmend, die Gesetzeslage und Rechtsprechung dazu zu nutzen, sich rechtsmissbräuchlich auf Kosten der Banken zu bereichern. Auch wenn er nicht in jedem Detail und insbesondere über den Fristbeginn richtig belehrt wurde, ist sich ein durchschnittlicher Verbraucher tatsächlich doch im Allgemeinen darüber im Klaren, dass ihm ein solches zusteht und dass es nur begrenzt gelten wird. Mit Verfristungen macht ein Durchschnittsmensch – so ungebildet er in juristischer Hinsicht auch sein mag – alltäglich bereits Bekanntschaft, bspw. durch Warenkäufe im Internet. Hier wird der Verbraucher von der Rechtsprechung bei weitem weniger mündig behandelt, als er eigentlich ist. Dass er den Vertrag und insbesondere das Widerrufsrecht durchdrungen hat, bringt er darüber hinaus bereits durch seine – wenn auch charmant formulierte – erpresserische Forderung regelmäßig mehr als deutlich zum Ausdruck. Beruft sich ein Verbraucher dann nach mehreren Jahren, in denen er von seinem Recht keinen Gebrauch gemacht hat, darauf – und das ist regelmäßig das Schlagargument – er sei nicht ordentlich über sein Recht aufgeklärt worden und er sei sich deshalb bislang nicht vollumfänglich über sein Recht im Klaren gewesen, handelt er widersprüchlich und rechtsmissbräuchlich. Einem „ewigen“ Widerrufsrecht wird also regelmäßig die Einwendung der Verwirkung entgegengebracht werden können , wonach ein Recht nach Treu und Glauben gem. § 242 BGB nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn der Berechtigte es längere Zeit nicht ausgeübt hat und sich der Verpflichtete darauf einstellen konnte, dass er es auch nicht mehr tun wird. Das gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die Informationsfehler in aller Regel nicht wirklich relevant sind.
Letztlich sollten sich Verbraucher aber nicht wundern, wenn sie für „Widerrufsdarlehen“ auch bei anderen Banken keine Anschlussfinanzierung mehr erhalten, mit der sie das widerrufene Darlehen ablösen können. Wer hat schon gerne Querulanten als Kunden?
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