Mit den meisten Mitbestimmungsgesetzen und der größten Zahl an unterschiedlichen Arbeitnehmer-Vertretungsorganen ist Deutschland Spitzenreiter in Europa. Daher ist es nicht verwunderlich, dass immer mehr deutsche Unternehmen die 2004 eingeführte europäische Aktiengesellschaft „Societas Europaea“ (SE), als Rechtsform bei einer Umwandlung wählen. Prominente Beispiele in der deutschen Wirtschaft sind dabei Deutsche Wohnen, MLP und Zalando. Neben diesen Gesellschaften haben sich bereits 10 Jahre nach der Einführung über 2000 Unternehmen zur Umwandlung in eine SE entschieden. Ende 2018 wurde sogar die Marke der 3000 Umwandlungen geknackt. Die Attraktivität steigt und das nicht ohne Grund.
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Ordnungsgemäße Zusammensetzung des Aufsichtsrats nach Umwandlung einer Aktiengesellschaft in eine Societas Europaea
Die Societas Europea (SE), eine Unternehmensform, die nach seinem Geburtsjahr 2001 immer mehr an Popularität erlangt. Viele börsennotierte Unternehmen entscheiden sich für die Rechtsform der Europäischen Aktiengesellschaft, sie sich in vielen Hinsichten der klassischen Aktiengesellschaft ähnelt, beispielsweise können die Aktien beider Formen an der Börse gehandelt werden, dennoch viel attraktiver für Unternehmen erscheint. „Grenzüberschreitende Mobilität“, „Unternehmensbestimmung“ und „europäische Image“ sind wesentliche Gründe, die anlocken sollen- mit Erfolg. Die Arbeitnehmermitbestimmung ist ein entscheidender Vorteil und praktischer Relevanz. Inwieweit Arbeitnehmer ein Mitbestimmungsrecht im Aufsichtsrat in einer SE haben, hat das OLG Frankfurt a.M. mit Beschluss vom 27. August 2018 (Az.: 21 W 29/18) entschieden.
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Das deutsche Mitbestimmungsrecht anhand des “TUI Falls“
Die Unternehmensmitbestimmung bezeichnet die Einflussnahme der Betriebsangehörigen auf wirtschaftliche bzw. unternehmerische Entscheidungen. Das Recht zur Unternehmensmitbestimmung wird hauptsächlich durch die Besetzung des Aufsichtsrates, der den Vorstand kontrolliert, wahrgenommen. In Aufsichtsräten deutscher Unternehmen wie z.B. der TUI AG sitzen nur Arbeitnehmer, die im in Inland beschäftigt sind. Aufgrund dieser Zusammensetzung des Aufsichtsrats hat ein Kleinaktionär der TUI AG namens Konrad Erzberger gegen die TUI AG Klage eingereicht. Dadurch wurde das deutsche Mitbestimmungsrecht erneut in Frage gestellt. In diesem Zusammenhang bat das zuständige Kammergericht den Gerichtshof um Klärung der Vereinbarkeit des deutschen Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitsnehmer mit dem Unionsrecht. Wie der Entscheidungsprozess zum TUI Fall verlaufen ist wird im nachfolgenden näher erläutert.
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Die Societas Europaea (SE) als Vehikel zur Flucht aus der Mitbestimmung?
Tobias Grambow, Rechts- und Fachanwalt für Arbeitsrecht sowie Hochschuldozent an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin, ein Mann mitten aus der Praxis, bekennt sich zu der Societas Europaea als Weg aus der starren Mitbestimmung in Deutschland. So schrieb er in „Der Mittelstand“ einen Beitrag zu dem Thema mit dem Titel: „Hoffnungschimmer gegen starre Mitbestimmung: Societas Europaea“. Was als pure Freude für alle Arbeitgebervertreter erscheint, könnte zum Alptraum aller gewerkschaftlichen Verbände mutieren. Doch ist es wirklich so einfach aus der Mitbestimmung in Deutschland herauszukommen bzw. davor zu flüchten wie einige es nennen? Und ist dieser bejubelte „Hoffnungsschimmer“, namens SE in der Realität tatsächlich schon angekommen?