Die „Flucht aus der Mitbestimmung“ stellt eine Möglichkeit dar, die Anwendung strenger Mitbestimmungsregeln in Unternehmensorganen zu vermeiden. Wird eine Gesellschaft in eine Societas Europaea (SE) umgewandelt, so wird der bestehende Zustand in Sachen Mitbestimmung „eingefroren“. Der BGH hatte nun letztinstanzlich darüber zu urteilen, ob bei der Umwandlung in eine SE auf die tatsächlich praktizierte Mitbestimmung („Ist-Zustand“) oder auf die rechtlich gebotene Mitbestimmung („Soll-Zustand“) abzustellen ist.
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Die Geschlechterquote und die Politik des leeren Stuhls
Die sog. „Frauenquote“ (Geschlechterquote) im Aufsichtsrat wurde bereits vor einigen Jahren in Deutschland umgesetzt, um mehr Frauen in die Führungspositionen zu bringen. Dennoch gibt es weiterhin viele Missverständnisse und offene Fragen bezüglich der Geschlechterquote in den Aufsichtsräten. Insbesondere wirft sich die Frage auf, was nun passiert, wenn die Quote nicht erfüllt wird und weshalb wir die „Politik des leeren Stuhls“ im Zusammenhang mit der Geschlechterquote in den Medien hören. Um diese und weitere Fragen zu beantworten, werden im folgenden Artikel mithilfe eines aktuellen Beispiels die gesetzlichen Regelungen zu der Geschlechterquote im Aufsichtsrat dargestellt und erläutert.
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Das deutsche Mitbestimmungsrecht anhand des “TUI Falls“
Die Unternehmensmitbestimmung bezeichnet die Einflussnahme der Betriebsangehörigen auf wirtschaftliche bzw. unternehmerische Entscheidungen. Das Recht zur Unternehmensmitbestimmung wird hauptsächlich durch die Besetzung des Aufsichtsrates, der den Vorstand kontrolliert, wahrgenommen. In Aufsichtsräten deutscher Unternehmen wie z.B. der TUI AG sitzen nur Arbeitnehmer, die im in Inland beschäftigt sind. Aufgrund dieser Zusammensetzung des Aufsichtsrats hat ein Kleinaktionär der TUI AG namens Konrad Erzberger gegen die TUI AG Klage eingereicht. Dadurch wurde das deutsche Mitbestimmungsrecht erneut in Frage gestellt. In diesem Zusammenhang bat das zuständige Kammergericht den Gerichtshof um Klärung der Vereinbarkeit des deutschen Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitsnehmer mit dem Unionsrecht. Wie der Entscheidungsprozess zum TUI Fall verlaufen ist wird im nachfolgenden näher erläutert.
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Die Societas Europaea (SE) als Vehikel zur Flucht aus der Mitbestimmung?
Tobias Grambow, Rechts- und Fachanwalt für Arbeitsrecht sowie Hochschuldozent an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin, ein Mann mitten aus der Praxis, bekennt sich zu der Societas Europaea als Weg aus der starren Mitbestimmung in Deutschland. So schrieb er in „Der Mittelstand“ einen Beitrag zu dem Thema mit dem Titel: „Hoffnungschimmer gegen starre Mitbestimmung: Societas Europaea“. Was als pure Freude für alle Arbeitgebervertreter erscheint, könnte zum Alptraum aller gewerkschaftlichen Verbände mutieren. Doch ist es wirklich so einfach aus der Mitbestimmung in Deutschland herauszukommen bzw. davor zu flüchten wie einige es nennen? Und ist dieser bejubelte „Hoffnungsschimmer“, namens SE in der Realität tatsächlich schon angekommen?
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Unternehmerische Mitbestimmung – diskriminierend?
Für die Arbeitnehmermitbestimmung im Aufsichtsrat bei juristischen Personen bestimmter Rechtsformen ist die Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer maßgebend. Der sogenannten Schwellenwertberechnung der Arbeitnehmermitbestimmung im Aufsichtsrat liegt das Mitbestimmungs- (MitbestG) bzw. Drittelbeteiligungsgesetz (DrittelbG) zugrunde. Fraglich ist jedoch, welche Arbeitnehmer eines internationalen Konzerns für die Schwellenwertberechnung heranzuziehen sind. Nach dem Territorialitätsprinzip ist der räumliche Geltungsbereich des deutschen Mitbestimmungsrechts auf im Inland beschäftigte Arbeitnehmer beschränkt. Zudem haben diese kein aktives und passives Wahlrecht bei der Wahl der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat. In der Literatur wird zunehmend die Ansicht vertreten, das Territorialitätsprinzip des Mitbestimmungsrechts verstoße gegen europäisches Recht. Wird dieser Ansicht gefolgt, wäre eine Vielzahl von Aufsichtsräten in Deutschland nicht ordnungsgemäß besetzt.