Der BGH ging in seinem Revisionsurteil vom 09.10.2018 (II ZR 78/17) auf zwei bisher höchstrichterlich ungeklärte Fragen des Aktienrechts ein. Thematisiert werden die Zulassung verspätet angemeldeter Aktionäre zur Hauptversammlung sowie die aktienrechtlichen Folgen einer Abweichung des Wahlvorschlags des Aufsichtsrats von den Empfehlungen des „Deutschen Corporate Governance Kodex” (nachfolgend: DCGK).
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Die ISION-Entscheidung des BGH
Im Jahre 2011 wurden die Großaktionäre der ISION-AG zur Zahlung von 209 Millionen Euro Schadesersatz an die Insolvenzverwaltung von Energis verurteilt. Dieses Urteil hat die Wahrnehmung der Fragen der Vorstandshaftung verändert. Während des Gerichtsverfahrens wurden grundlegend neue Grundsätze und Kriterien für die Haftung der Vorstandsmitglieder infolge erfolgloser Rechtsberatung geschaffen.
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Verträge mit Aufsichtsratsmitgliedern – Die Fresenius-Entscheidung des BGH
Der BGH entschied in seinem Urteil vom 10.07.2012, dass eine vom Vorstand ausgeführte Honorarzahlung an ein Aufsichtsratsmitglied ohne vorherige Zustimmung des Aufsichtsrates eine rechtswidrige Handlung darstellt.
Eine Aktionärin der Fresenius SE hatte Klage gegen Beschlüsse über die Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2008 erhoben. Die Klage richtete sich an den stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden der Fresenius SE, der zugleich Rechtsanwalt und Partner einer Anwaltssozietät war. Dieser erhielt Beratungsaufträge von der Gesellschaft, die dem Aufsichtsrat erst nach Auszahlung der Honorare zur Zustimmung vorgelegt wurden. Die Höhe der Zahlungen betrug 1 Million Euro. Die Klägerin sah in dieser Vorgehensweise einen Verstoß gegen § 114 Abs. 1 AktG. Zur Verteidigung brachte die Beklagte an, dass die vom Aufsichtsrat festgelegte jährliche Honorarsumme für Beratungsverträge eine Zustimmung darstellen würde. Jedoch war diese lediglich an Beratungsverträge generell gerichtet, nicht konkret.
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„Flucht aus der Mitbestimmung“ möglich? – ein entscheidendes Urteil zur SE-Mitbestimmung
Um die Mitbestimmung in Unternehmensorganen zu vermeiden, war die sogenannte „Flucht in die Societas Europaea (SE)“ eine oft genutzte Chance für wachsende Unternehmen, wie der Online-Versand-Riese Zalando SE. Der Aufsichtsrat der einstigen AG setzte sich nicht, wie vorgesehen paritätisch zusammen. Und noch bevor sich die Arbeitnehmer dagegen rechtlich wehren konnten, flüchtete Zalando in die Rechtsformumwandlung der SE, um so der AN-Mitbestimmung zu entgehen.
Diese Möglichkeit gilt zwar auch weiterhin, allerdings dürfte es nach der Entscheidung des OLG Frankfurt a. M. unter Umständen neue Wege geben, die die bisherigen Regeln der Mitbestimmung einschränkt
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Das fehlerhaft gewählte Mitglied – Aufsichtsrat beschlussunfähig?
Die Entscheidung des BGH vom 19.02.2013 – II ZR 56/12 hat für ein Aufsichtsratsmitglied, dessen Wahl für nichtig erklärt wurde, eine einscheidende Bedeutung. Der Sachverhalt ist denkbar einfach, doch seine Auswirkungen sind weitreichend und führen zu einem Umdenken in weiten Teilen der Literatur und Rechtsprechung. Die Kernaussage der BGH Entscheidung ist, dass ein Aufsichtsratsmitglied, dessen Wahl nichtig ist oder für nichtig erklärt wird, für die Stimmabgabe und Beschlussfassung wie ein Nichtmitglied zu behandeln ist (Tz. 20). Diese Auswirkungen war bis dato in der Literatur höchst umstritten (vgl. Tz. 18) und sind nunmehr durch das BGH Urteil endgültig entschieden worden.