Im Hinblick auf das Aktienrecht war lange fraglich, ob die im „Qivive”-Urteil (BGH, Urteil vom 16.02.2009 – II ZR 120/07) entwickelten Voraussetzungen der verdeckten Sacheinlage und die Grundsätze zum Hin- und Herzahlen auch auf die Aktiengesellschaft übertragbar sind. Diese Frage hatte der BGH im Fall „Eurobike“ zu klären

1. Sachverhalt

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Eurobike AG. Beklagte zu 1) ist die börsennotierte Eurobike AG, einem damals in Deutschland führenden Anbieter für Motorradzubehör und -Bekleidung und spätere Schuldnerin. Die Eurobike AG geriet im Mai 2001 in wirtschaftliche Schwierigkeiten und beauftragte ein Beratungsunternehmen – ihre 100%-ige Tochtergesellschaft und nunmehr Beklagte zu 2) – mit der „strategischen und operativen Restrukturierung“ ihres Unternehmens gegen ein monatliches Pauschalhonorar.

Im Zuge der Restrukturierung entschieden die Beteiligten – u. a. auch der die Eurobike AG finanzierende Bankenpool – zur Sanierung des Mutterkonzerns eine Kapitalerhöhung durchzuführen. Dafür beschloss zunächst die Hauptversammlung des Mutterkonzerns, ein genehmigtes Kapital zu schaffen und anschließend ihr Vorstand, das Grundkapital durch Ausgabe von 2,8 Mio. Euro neuen Aktien gegen Bareinlagen um ca. 7,2 Mio. Euro auf insgesamt ca. 21,5 Mio. Euro zu erhöhen. Die Eurobike AG erwarb fast 50% der neuen Aktien für ca. 3,6 Mio. Euro. Die Durchführung der Kapitalerhöhung wurde im Oktober 2002 im Handelsregister eingetragen. Für die Beratungsleistungen im Zeitraum 2001/2002 der Beklagten zu 2) zahlte die Eurobike AG ca. 2,7 Mio. Euro Honorar.

Die Sanierung scheiterte. Anfang November 2003 wurde daher der Eurobike AG das Involvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter klagte auf Leistung der Einlage, da er der Auffassung war, dass zumindest in Höhe der Beratungshonorare die Bareinlage nicht ordnungsgemäß eingebracht worden war und die Einbringung der Dienstleistungen der Tochtergesellschaft eine verdeckte Sacheinlage darstelle.

2. Entscheidung des BGH

Der BGH hatte daher Anfang 2010 darüber zu entscheiden, ob die Erbringung von Dienstleistungen durch Gesellschafter im sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung als eine verdeckte Sacheinlage oder als ein Hin- und Herzahlen anzusehen sei. Beide Vorgänge zeichnen sich dadurch aus, dass im Zusammenhang mit einer Einlageleistung an die Gesellschaft Geldleistungen von der Gesellschaft an den Einleger erfolgen. Verträge, die im Zusammenhang mit einer verdeckten Sacheinlage im Sinne des § 19 Abs 4 GmbHG geschlossen werden, sind wirksam. Allerdings ist bei Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage der Gesellschafter nicht von seiner Einlageverpflichtung befreit. Bei Vorliegen eines Hin- und Herzahlens im Sinne des § 19 Abs 5 GmbHG ist der Gesellschafter von der Einlageverpflichtung dann befreit, wenn die Leistung durch einen vollwertigen Rückgewähranspruch gedeckt ist, der jederzeit fällig ist oder durch fristlose Kündigung durch die Gesellschaft fällig werden kann. Angesichts der unterschiedlichen Rechtsfolgen der verdeckten Sacheinlage und des Hin- und Herzahlens ist eine Abgrenzung daher wichtig.

a) keine verdeckte Sacheinlage

Bei einer verdeckten Sacheinlage werden die Regeln über die Kapitalaufbringung durch eine Sacheinlage dadurch umgangen, dass eine Bareinlage vereinbart wird, die Einlage aber bei wirtschaftlicher Betrachtung einer Sacheinlage entspricht und diese Einbringung auf Grund einer im Zusammenhang mit der Übernahme der Bareinlage getroffenen Abrede erfolgt (BGH, Versäumnisurteil vom 07.07.2003II ZR 235/01, NJW 2003, 3127;Urteil vom 16.01.2006 – II ZR 76/04, NJW 2006, Urteil vom 20.11.2006 – II ZR 176/05, NJW 2007, 765). Mithin erfolgt bei einer verdeckten Sacheinlage die Rückzahlung durch die Gesellschaft als Entgelt für eine ihr gewährte sacheinlagefähige Leistung. Die Gesellschaft ist daher bei der verdeckten Sacheinlage im Sinne von § 19 Abs 4 GmbHG vor der Zahlung einer Verbindlichkeit des Gesellschafters ausgesetzt, die durch die Zahlung getilgt wird. Kriterium für das Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage ist daher eine bestehende Verbindlichkeit und aufgrund derer der wirtschaftliche Empfang eines sacheinlagefähigen Gegenstands der Gesellschaft. 

Im Fall Eurobike weist der BGH zunächst darauf hin, dass die Anwendung der verdeckten Sacheinlage nicht daran scheitert, dass nicht die Beklagte zu 1), sondern die Beklagte zu 2) die Beratung erbrachte und dafür das Honorar erhielt, da es auf eine Personenidentität von Inferenten und Zahlungsempfänger bei der Umgehung der Kapitalaufbringungsregeln nicht ankäme.

Entscheidend stellt der BGH sodann fest, dass die Grundsätze der verdeckten Sacheinlage nicht auf entgeltliche Dienstleistungen Anwendung finden. Der II. Senat stellt ausdrücklich klar, dass Gegenstand einer verdeckten Sacheinlage nur eine sacheinlagefähige Leistung sein könne. Der BGH entwickelt damit seine „Qivive“-Entscheidung (BGH, Urteil vom 16.02.2009 – II ZR 120/07) zum GmbH-Recht fort und überträgt diese auf das Aktienrecht. Dementsprechend seien Dienstleistungen – wie die Beratungen der Beklagten zu 2) – gemäß § 27 Abs. 2, 2. Halbsatz AktG weder offen noch verdeckt sacheinlagefähig. Jedoch folgt daraus laut BGH nicht, dass entgeltliche Dienstverträge zwischen der Gesellschaft und dem Inferenten im Aktienrecht verboten seien.

b) Kein Hin- und Herzahlen

Demgegenüber zahlt die Gesellschaft beim Hin- und Herzahlen im Sinne von § 19 Abs. 5 GmbHG nicht auf eine bestehende Verbindlichkeit gegenüber dem Gesellschafter, sondern durch die Zahlung entsteht ein (schuldrechtlicher) Anspruch der Gesellschaft gegen den Gesellschafter. Es fließen daher die Beträge beim Hin- und Herzahlen zurück, ohne dass der Gesellschaft im Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung eine Sachleistung zugeflossen ist (BGH, Urteil vom 21.11.2005 – II ZR 140/04, NZG 2006, 24). Im Fall Eurobike vereint der BGH das Vorliegen eines Hin- und Herzahlens schon deshalb, weil es bereits an dem Austausch einer Forderung fehle. Weiterhin verneint der BGH im vorliegenden Sachverhalt eine verdeckte Finanzierung der Einlage durch Her- und Hinzahlen, welches laut Senat wegen der wirtschaftlichen Vergleichbarkeit rechtlich dem Hin- und Herzahlen gleichsteht. Der BGH führt aus, dass es sich um eine solche verdeckte Finanzierung durch die Gesellschaft nicht handele, wenn eine tatsächlich erbrachte. Leistung abgegolten wird, die dafür gezahlte Vergütung einem Dirttvergleich standhält und die objektiv werthaltige Leistung nicht aus der Sicht der Gesellschaft für sie unbrauchbar und damit wertlos ist. Im vorliegenden Fall war die Beratungsleistung für die Gesellschaft laut BGH nicht wertlos und es bestand kein Missverhältnis zwischen Leistung und Vergütung.

c) Ergebnis

Im Ergebnis hatte die Revision Erfolg und führte zur Abweisung der Klage.