Der Bundesgerichtshof hat mit seinem Revisionsurteil vom 29.01.2001 – II ZR 331/00 entschieden, dass die (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) rechtsfähig ist, solange sie durch die Teilnahme am Rechtsverkehr nach außen eigene Rechte und Pflichten begründet. Des Weiteren ist die GbR gleichermaßen aktiv und passiv parteifähig, was heißt, dass die GbR sowohl klagen als auch verklagt werden kann.
Im Vordergrund des Urteils steht die Frage, ob die GbR als Gesellschaft tatsächlich als Beklagte infrage kommt und dementsprechend rechtsfähig ist. Der folgende Artikel erörtert inwiefern der BGH für die Rechtsfähigkeit der GbR argumentiert und gleichzeitig ihre Gegenargumente untermauert.
Anerkennung der Rechtssubjektivität der GbR
Die Argumente lassen sich durch die Unvollständigkeit der gesetzlichen Regelungen zur GbR erfassen, da im Gesetz keine umfassenden und abschließenden Regeln bezüglich der Rechtsnatur der GbR zu finden sind.
Im ersten Entwurf des BGB, wonach sich die traditionelle Auffassung richtet, sei die Gesellschaft als ein lediglich schuldrechtliches Rechtsverhältnis unter Gesellschaftern ohne eigenes, sich von den Gesellschaftern unterscheidendes, Gesellschaftsvermögen gestaltet worden. Die zweite Kommission hingegen konzipierte ein Gesellschaftsvermögen als Gesamthandvermögen, was sich in den §§ 718,719 BGB widerspiegelt. Dieser Grundsatz sagt zwar aus, dass das Vermögen der Gesellschaft vom Privatvermögen der Gesellschafter rechtlich separat zu betrachten sei und die Gesellschafter darüber nur gemeinschaftlich verfügen können, dennoch sei das Gesamthandsprinzip nicht im Einzelnen geregelt worden. Es sei eher bei der Regelung des Gesellschaftsverhältnisses als Schuldverhältnis geblieben.
Denn aus den Protokollen ginge hervor, dass die Meinungen darüber, wie die rechtliche Gesamthand auszuarbeiten und was nun als charakteristische Merkmal anzusehen sei, auseinandergehen würden. Somit sei deutlich, dass der historische Gesetzgeber eine konkrete Festlegung diesbezüglich vermeiden wollte und so Raum zur Beurteilung der Rechtsnatur, ob die GbR rechtsfähig sei, geschaffen hat.
Hiernach verdient die Auffassung der bestehenden beschränkten Rechtsfähigkeit der GbR Vorzug, denn das Verständnis der Rechtsnatur dieser bietet im Vergleich zur Ablehnung der Rechtsnatur der GbR, welche der traditionellen Auffassung entspreche, ein anwendbares und in hinreichenden Maßen widerspruchsfreies Modell für die vom Gesetz gewollte Abgrenzung des Gesellschaftsvermögens von dem Privatvermögen der Gesellschafter, §§ 718,719 BGB.
Die traditionelle Auffassung, welche lediglich die einzelnen Gesellschafter als Träger von Rechten und Pflichten ansehe, weist folgende Schwächen auf.
Zum einen würden Gesellschaftsverbindlichkeiten ausschließlich Verbindlichkeiten der gesamten Gesellschafter gem. § 427 BGB darstellen und so gegen das Gesamthandsprinzip gehen. Des Weiteren können die einzelnen Gesellschafter aufgrund der Regelung des § 719 BGB Leistungen, welche durch Gegenstände im Gesellschaftsvermögen erbracht werden, nicht als Gesamtschuldner alleine erbringen. Hierfür müsse demzufolge zwischen Gesellschaftsschuld und Gesellschafterschuld unterschieden werden.
Des Weiteren spricht für die Anerkennung der GbR als Rechtssubjekt und somit als Träger von Rechten und Pflichten, dass es bei einem Wechsel im Mitgliederbestand der GbR keinen Einfluss auf bestehende Rechts- und Schuldverhältnisse gebe. Somit würden insbesondere Dauerschuldverhältnisse nicht unwirksam werden oder neu geschlossen werden müssen. Bei der Anwendung der traditionellen Auffassung müssten Dauerschuldverhältnisse allerdings immer wieder neu geschlossen werden. Somit würden die neu eingetretenen Gesellschafter nicht für Altschulden haften müssen, da sie bei früheren Vertragsabschlüssen nicht vertreten worden seien.
Weiterhin würde die mögliche Umwandlung der GbR ohne jeden Publizitätsakt zu einer personen- und strukturgleichen OHG, unter Beachtung der erforderlichen Kriterien einer OHG, Probleme darstellen. Denn dadurch, dass der OHG Rechtsfähigkeit zugeschrieben wird, würden sich auch die Eigentumsverhältnisse der GbR an dem Gesellschaftsvermögen gehörenden Gegenständen mit der Umwandlung der OHG ändern. Die Problematik liegt darin, dass der Übergang von einer GbR zu einer OHG einen genauen Zeitpunkt benötige, was bei der o.g. Umwandlung mit nur geringer Wahrscheinlichkeit ausgemacht werden könne.
Außerdem lässt sich durch die Anerkennung des Gesetzgebers der Insolvenzfähigkeit der GbR, welche so als Träger der Insolvenzmasse angesehen wird, annehmen, dass die GbR Rechtssubjektivität besitzt.
Mit der Rechtssubjektivität der GbR kollidierende Normen
Fraglich ist allerdings, ob es nicht Normen gibt, welche mit der Anerkennung der Rechtssubjektivität der GbR kollidieren könnten.
Insbesondere stellt sich die Frage, ob die Vorschriften zur Vertretungsmacht, welche in § 714 BGB normiert sind, bei einer rechtsfähigen GbR anwendbar seien. Dem Wortlaut des § 714 BGB nach sei nur die Vertretungsmacht der Gesellschafter, aber nicht die der Gesellschaft an sich, geregelt. Hier folgt allerdings die Argumentation, dass der § 714 BGB noch aus dem ersten Entwurf des BGB stammt, welcher noch kein Gesamthandsprinzip kannte und somit auch kein ausschlaggebendes Hindernis der Rechtsfähigkeit der GbR darstelle.
Im Übrigen diskutiert der BGH, ob nicht ein Widerspruch zu den allgemeinen Vorschriften über die Vereine, §§ 21, 22, 54 BGB, vorliegen könne. Der BGH macht deutlich, dass die Rechtsfähigkeit von Vereinen nicht gleichwertig anzusehen sei mit der Rechtsfähigkeit einer GbR. Denn ausschlaggebend sei, dass die GbR als die Gesellschaft „als solche“ und nicht wie bei Vereinen als Gruppe ihrer verbundenen Mitglieder angesehen werden soll. Außerdem wird in § 14 II BGB bereits normiert, dass Personengesellschaften grundsätzlich rechtsfähig sein können, obwohl sie als Gesamthandsgemeinschaft nicht den Status einer juristischen Person besitzen. Die OHG, KG und Vorgesellschaften von Kapitalgesellschaften sind durchweg rechtsfähig.
Schlussendlich kommt der BGH zur Entscheidung, dass die GbR Träger von Rechten und Pflichten sein kann. Durch die zugesprochene Rechtsfähigkeit der GbR ist folglich auch ihre aktive und passive Prozessfähigkeit gegeben, was erschließen lässt, dass sie sowohl klagen als auch verklagt werden kann.