Die sog. „Frauenquote“ (Geschlechterquote) im Aufsichtsrat  wurde bereits vor einigen Jahren in Deutschland umgesetzt, um mehr Frauen in die Führungspositionen zu bringen. Dennoch gibt es weiterhin viele Missverständnisse und offene Fragen bezüglich der Geschlechterquote in den Aufsichtsräten. Insbesondere wirft sich die Frage auf, was nun passiert, wenn die Quote nicht erfüllt wird und weshalb wir die „Politik des leeren Stuhls“ im Zusammenhang mit der Geschlechterquote in den Medien hören. Um diese und weitere Fragen zu beantworten, werden im folgenden Artikel mithilfe eines aktuellen Beispiels die gesetzlichen Regelungen zu der Geschlechterquote im Aufsichtsrat dargestellt und erläutert.

Entstehung der Geschlechterquote

Um der Unterrepräsentanz von Frauen entgegenzuwirken, wurde im Jahre 2013 im Koalitionsvertrag vereinbart, dass der Frauenanteil in Führungspositionen erhöht werden soll. Weiterhin widmete sich auch der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK)  diesem Thema zu und schrieb den Aufsichtsräten vor, den Frauenanteil einzubeziehen und für Vielfalt zu sorgen. Zwei Tage vor dem Weltfrauentag wurde das Quotengesetz im Jahre 2015 beschlossen und trat am 01. Mai 2015 in Kraft.

I. Die Säulen

Die insgesamt 24 Artikel des Quotengesetzes können in 3 Säulen aufgeteilt werden:

Säule 1: Die feste 30-Prozent-Quote

Die feste Quote gilt für Aufsichtsräte von börsennotierten und gleichzeitig paritätisch mitbestimmungspflichtigen Unternehmen. Paritätische Mitbestimmung bedeutet, dass der Aufsichtsrat zu gleicher Anzahl aus Vertretern der Arbeitnehmer und zur anderen Hälfte aus Vertretern der Anteilseigner besetzt werden muss. Der Aufsichtsrat muss sich folglich zu mindestens 30 Prozent aus Frauen und zu mindestens 30 Prozent aus Männern zusammensetzen. Hier ist kurz auf die Bezeichnung der Geschlechterquote als die wohl bekannte „Frauenquote“ einzugehen. Die Geschlechterquote stellt eine Mindestquote für Frauen UND Männer auf; sie richtet sich an das unterrepräsentierte Geschlecht in den Führungspositionen. Da aktuell Frauen diese Minderheit bilden, wird die Quotenregelung oft als Frauenquote bezeichnet.

Bei der Berechnung der 30-Prozent-Quote  unterscheidet man zwischen der Gesamterfüllung und der Getrennterfüllung. Bei der Gesamterfüllung gilt die Mindestquote für den gesamten Aufsichtsrat, sodass beispielsweise bei einem Aufsichtsrat mit 12 Mitgliedern sich vier weibliche Mitglieder befinden müssen. Ob die weiblichen Mitglieder auf der Anteilseigner- oder Arbeitnehmerbank befinden, ist hier irrelevant; entscheidend ist nur das Ergebnis von 30 Prozent. Vor jeder Wahl kann der Gesamterfüllung widersprochen werden (§ 96 II AktG), sodass jede Bank die 30-Prozent-Quote einzeln erfüllen muss.

Säule 2: Zielgrößen

Unternehmen, die entweder mitbestimmungspflichtig oder aber börsennotiert sind, fallen zwar nicht unter dem Anwendungsbereich der 30-Prozent-Regelung. Diese sind verpflichtet selbst zu entscheiden, wie hoch ihre Zielgrößen sein sollen. Eine Mindestzielgröße gibt es nicht. Die festgelegte Zielgröße darf jedoch nicht unter der aktuellen Quote fallen. Nach dem Prinzip „Comply or Explain“ müssen die Unternehmen berichten, ob die Zielgrößen eingehalten wurden und falls nicht, welche Gründe dafür vorlagen.

Säule 3: Öffentlicher Dienst

Um den Rahmen dieser Untersuchung nicht zu sprengen, wird auf die Erläuterung bezüglich der Regelungen für den öffentlichen Sektor verzichtet.

II. Rechtsfolgen bei Nichteinhaltung der Quote

Bei Wahlen der Anteilseignervertreter unterscheidet man zwischen zwei Arten von Wahlentscheidungen (Einzel- oder Blockwahl). Bei der Einzelwahl von Personen zum Aufsichtsrat ist der Wahlbeschluss nichtig, der in ihrer chronologischen Reihenfolge dazu führen würde, dass die Quotenvorgabe rechnerisch nicht mehr erfüllt werden könnte. Allerdings erfolgen in der Praxis die Wahlen durch die Hauptversammlung eher in Form einer Blockwahl, wenn mehrere Aufsichtsratssitze zu besetzen sind.  Bei der Blockwahl werden alle Stellen zusammengefasst zur Abstimmung gestellt und können somit nur einheitlich abgelehnt oder angenommen werden. Zu einer Nichtigkeit der gesamten Wahl „en bloc“ kommt es, wenn sie nicht der Quotenregelung entspricht. Bei einer quotenwidrigen Wahl der Anteilseignervertreter ist die Sanktion des „leeren Stuhls“ vorgesehen. Die Politik des leeren Stuhls besagt, dass für das unterrepräsentierte Geschlecht vorgesehenen Plätze rechtlich unbesetzt bleiben und der Gewählte demnach kein Aufsichtsratsmitglied wird.

Die Sanktion des leeren Stuhls kann außerdem für Wahlen zur Arbeitnehmervertreter vorübergehend eingreifen, wenn die Wahl die Mindestquote nicht eingehalten hat. Die Sanktion kann durch die Nachwahl oder durch die gerichtliche Ersatzbestellung (§104 AktG) getilgt werden.

Um die Voraussetzungen des Geschlechterquote kurz zusammenzufassen und die Rechtsfolge praxisorientiert verständlich zu machen, wird auf den Fall Villeroy & Boch verwiesen.

III. Fall Villeroy & Boch

Der weit bekannte Porzellanhersteller Villeroy & Boch konnte aufgrund der Geschlechterquote im September 2017  einen Sitz im Aufsichtsrat nicht besetzen. Somit kam erstmals ein „leerer Stuhl“  zustande. Grund für den unbesetzten Sitz war, dass die Arbeitnehmer, die fünf der zwölf Aufsichtsräte stellen, nur eine Frau gewählt hatten und nicht, wie im Kontrollgremium zuvor angestrebt, zwei Frauen. Außer einer einzigen Frau bekamen also nur Männer die Stimmzahlen. Der Aufsichtsrat hielt die 30 Prozent-Quote nicht ein. Diese Unterbesetzung führte dazu, dass der „leerer Stuhl“ drei Monate lang andauerte.  Demzufolge musste ein Gericht durch eine Ersatzbestellung eine Aufsichtsrätin berufen. Sabine Süpke wurde als Vertreterin der Gewerkschaft gewählt und nun ist der Aufsichtsrat  der Quotenregelung entsprechend besetzt.

IV. Fazit

Der aktuelle Fall von Villeroy & Boch zeigt, dass das Quotengesetz auf Unternehmen tatsächlich Druck ausüben kann und Wirkung zeigt. Es ist zudem erfreulich zu sehen, dass die gesetzliche Quote in Aufsichtsräten etwas bewegt und  den Anteil von Frauen, wenn auch nur gering, im Gegensatz zu 10-15 Jahren erhöht. Aktuell liegt der Frauenanteil in den Aufsichtsräten der deutschen Unternehmen, die der 30 Prozent-Quote unterfallen, bei 31 Prozent und bestätigt, dass Unternehmen sich bemühen der gesetzlichen Regelung nachzukommen.

Doch trotz dieser Verbesserung und Erhöhung des Frauenanteils in den Aufsichtsräten tut sich in den Vorstandsposten noch zu wenig. Durch Vorgabe von verbindlichen Zielgrößen ist es trotzdem nicht möglich, mehr Frauen in den Führungsebenen zu sehen. Diese bleiben weiterhin nur den Männern vorbehalten. Da eine deutliche  Erhöhung des Frauenanteils in den Aufsichtsräten bestrebt wird, um schließlich mehr Frauen in den Vorständen zu haben, sollte auch eine  gesetzliche Regelung und Sanktion für Vorstandsposten nicht außer Acht gelassen werden.