Im Jahr 2016 hat sich die englische Bevölkerung wider Erwarten in einem Referendum mit 51,9 % für einen Austritt aus der EU entschieden. Die Folge daraus ist nun ein Abnabelungsprozess,, der sich über mehrere Jahre hinziehen wird. Für viele deutsche Unternehmen, die in Großbritannien Handel betreiben bzw. im Waren- und Dienstleistungsaustausch mit ihnen stehen werden sich in steuerrechtlicher Natur, insbesondere im Umsatzsteuerrecht, einige Veränderungen ergeben.

Bisherige Umsatzsteuerregelung

Das Umsatzsteuerrecht innerhalb der EU wurde in der Vergangenheit immer wieder durch zahlreiche Initiativen (u.a. die 2006 eingeführte 6. EG-Richtlinie zur Vereinheitlichung der Umsatzsteuer) des ECOFIN-Rates der Europäischen Kommission harmonisiert. Die Richtlinie fasst in ca. 400 Artikeln die Vorgaben der EU über die Ausgestaltung der nationalen Umsatzsteuergesetze zusammen. Die Richtlinie kann somit als umsatzsteuerrechtliches Grundgesetz betrachtet werden. Großbritannien wäre nach dem Austritt aus der EU jedoch nicht mehr an die beschlossene Mehrwertsteuersystemrichtlinie gebunden, was bedeutet, dass sie ihr System zur Anwendung der Umsatzsteuer grundlegend selbst konzipieren können, was wiederum zur Folge hat, dass sich für deutsche Unternehmen die Anwendung des Umsatzsteuerrechts im Ausland neu gestaltet.

Besteuerung des Warenverkehrs

Durch den Ausschluss aus der EU wird Großbritannien den Status eines innereuropäischen Mitgliedstaats verlieren und per se zum sogenannten Drittland mutieren. Waren, die von deutschen Unternehmen nach Großbritannien geliefert werden, werden somit nicht mehr als innergemeinschaftliche Lieferungen, sondern als Ausfuhrlieferungen im Sinne des Umsatzsteuerrechts nach § 6 UStG i.V.m. § 4 Nr. 1 a UStG betrachtet. Dies hat für deutsche Unternehmen zur Folge, dass Waren und Dienstleistungen aus Großbritannien der Einfuhrumsatzsteuer unterliegen und diese von den Unternehmen an der innergemeinschaftlichen Grenze zu entrichten ist (§§ 13 Abs. 2, 21 Abs. 2 UStG i.V.m. Art. 201 Abs. 3 S. 1 ZK). Die Einfuhrumsatzsteuer wird dann fällig, wenn Waren aus dem Drittland in das europäische Gemeinschaftsgebiet eingeführt werden. Für deutsche Unternehmer bedeutet das eine zusätzliche finanzielle Belastung in Form von höheren Zoll-und Lieferkosten. Dies müsste von Unternehmen in Zukunft, insbesondere bei der Preisgestaltung, mitberücksichtigt werden, da die zusätzliche Belastung für Unternehmen bei der Einfuhr der Waren sich auf den Endverbraucher auswirken kann. Durch die Einfuhrumsatzsteuer würden sich die Importe weniger lohnen und Produkte grundsätzlich unattraktiver werden, was angesichts des gigantischen Marktes in beiden Ländern ein fatales Szenario für den grenzüberschreitenden Handel wäre.

Besteuerung von Dienstleistungen

Bei der Besteuerung von Dienstleistungen gilt aus der Sicht des deutschen Umsatzsteuerrechts, dass bei einer Leistungserbringung an einen Unternehmer der Umsatz an dem Ort steuerbar ist, an dem der Leistungsempfänger sein Unternehmen betreibt (§ 3 a Abs. 1 UStG). Im Hinblick auf den Leistungsort hegt der Paragraph jedoch bestimmte Tücken. Es gilt nämlich das Empfängerortsprinzip. Bei bestimmten Leistungen deutscher Unternehmen, wie z.B. bei Veranstaltungsdienstleistungen oder Dienstleistungen nach den sog. Katalogberufen (Rechtsanwälte, Steuerberater etc.) ist bei Leistungserbringung eine Steuerbarkeit am Sitz des britischen Kunden vorgesehen, was für deutsche Dienstleister zur Folge hat, dass sie nun in Großbritannien zu einer umsatzsteuerlichen Registrierung verpflichtet sind und damit nach dem britischen Gesetz steuerpflichtig, aber nach dem deutschen Umsatzsteuerrecht jedoch nicht. 

Fehlende USt.-ID Nummer

Bisher konnten Unternehmer innerhalb der EU mithilfe der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (Abkürzung: Umsatzsteuer ID) ihre Unternehmereigenschaft nachweisen. Die USt.-Identifikationsnummer ist deswegen für alle Unternehmer wichtig, da sie mit deren Hilfe nicht nur ihre Unternehmereigenschaft im europäischen Ausland nachweisen können, sondern auch Umsätze innerhalb der EU tätigen bzw. mithilfe der ID-Nummer Waren und Dienstleistungen umsatzsteuerfrei erwerben können. Dies bedeutet, dass deutsche Unternehmen bisher die ausländische Umsatzsteuer beziehungsweise die Steuer, die der deutschen Mehrwertsteuer entspricht, in diesem Fall also die in Großbritannien sogenannte VAT (Value Added Tax) nicht bezahlen müssen, da es sich um einen innergemeinschaftlichen Erwerb bzw. Verkauf handelt, der als umsatzsteuerfrei betrachtet wird. Durch den Brexit entfällt für britische Unternehmen die Nachweiserbringung einer Unternehmereigenschaft, weshalb deutsche Unternehmen beim Kauf einer Ware nun die britische Umsatzsteuer zahlen müssen was dazu führen wird, dass bei einem Weiterverkauf Deutschlands die Preise sich nach oben entwickeln werden.

Vorsteuerabzug

Der Vorsteuerabzug (§§ 15, 15 a UStG) sichert es den deutschen Unternehmen zu, die in Deutschland gezahlte Umsatzsteuer auf Betriebsausgaben über die regelmäßig zu deklarierenden Umsatzsteuer-Voranmeldungen erstatten zu lassen. Innerhalb der EU ist es Unternehmen möglich, die im europäischen Ausland gezahlte Umsatzsteuer sich ebenfalls über das sogenannte Vorsteuervergütungsverfahren zurückzahlen zu lassen. Hierbei ist von entscheidender Bedeutung, dass dieses Verfahren nur dann möglich ist, wenn beide Staaten, in Falle des Brexits also zwischen Deutschland und Großbritannien, dies zulassen. Im Rahmen der Mehrwertsteuersystemrichtlinie ist die Zulässigkeit des Verfahrens unter allen Staaten innerhalb der EU bereits manifestiert. Da Großbritannien nicht mehr dabei wäre, wären sie auch nicht mehr an diese EU-Verordnung gebunden. Somit würde für deutsche Unternehmen die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs beim Kauf von Waren in Großbritannien entfallen. Für Unternehmen, die größere Anschaffungen tätigen oder sogar langfristige Warenbeschaffungsverträge mit britischen Unternehmen besitzen, eine finanziell belastende Situation, da der Vorsteuerabzug die Möglichkeit bietet, zumindest die gezahlte Umsatzsteuer über das Verfahren zurückzuerhalten. Diese Möglichkeit wird den nationalen Unternehmen nach Durchführung des Brexits genommen.

Fazit

Sollte der Brexit tatsächlich durchgeführt werden, müssen sich deutsche Unternehmen an viele Neuerungen im Hinblick auf die Anwendung des Umsatzsteuerrechts mit Großbritannien gewöhnen. Dabei müssen sich viele deutsche Unternehmen die Frage stellen, ob und inwieweit sie ihre Geschäftsbeziehungen mit britischen Unternehmen aufrecht erhalten wollen und können. Großbritannien als Handelspartner ist nicht adäquat und viele deutsche Unternehmen pflegen seit Jahren gute Geschäftsbeziehungen auf der Insel. Fest steht zumindest schon jetzt, dass steuerrechtlich betrachtet der Brexit viele Nachteile mit sich bringen wird. Da sich die Verhandlungen voraussichtlich noch eine ganze Weile hinziehen werden, bleibt es abzuwarten wie sich u.a. die umsatzsteuerrechtliche Situation mit Großbritannien darstellt und welche zusätzlichen Pflichten auf deutsche Unternehmer zukommen werden.