Die deutsche Unternehmensmitbestimmung ist weltweit ein einmaliges Instrument, welches durch Wahl und Entsendung von Arbeitnehmervertretern in den Aufsichtsrat die Mitbestimmung durch Mitarbeiter ermöglicht. Als Arbeitnehmervertreter hat jedes Mitglied verschiedene Funktionen neben der Aufsichtsratstätigkeit zu erfüllen. So sind einige leitende Angestellte oder Gewerkschaftsvertreter. Insbesondere im „Fall Bsirske“ wird der Rollenkonflikt von Gewerkschaftsvertretern in Aufsichtsräten deutlich.

 

Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat durch die Mitbestimmungsgesetze

Je nach erreichtem Schwellenwert, findet das DrittelbG, MitbestG oder das MontanMitbestG Anwendung. Jedes dieser Gesetze legt fest, wie hoch der Anteil der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat sein muss. Beim DrittelbG muss nach § 4 I DrittelbG der Aufsichtsrat zu 1/3 aus Arbeitnehmervertretern bestehen. Wohingegen das MitbestG etwas detailliertere Ausführungen diesbezüglich macht. Hier muss laut § 7 II MitbestG je nach Aufsichtsratsgröße nicht nur eine bestimmte Anzahl an Arbeitnehmervertretern erfüllt sein, sondern diese müssen auch anteilig aus Gewerkschaftsvertretern bestehen. Das MontanMitbestG regelt in § 4 I MontanMitbestG, dass der Aufsichtsrat aus elf Mitgliedern besteht. Hiervon müssen jeweils fünf auf der Arbeitnehmerseite und auf der Anteilseignerseite vertreten sein. Zusätzlich wird ein weiteres Mitglied aufgenommen, welches sich neutral zu beiden Seiten verhält.

 

Der Aufsichtsrat als Kontrollorgan

Die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats ist die fundamentalste Voraussetzung, um als Kontrollorgan zu fungieren (§ 111 I AktG). Eben jene Unabhängigkeit kann nur gewährleistet werden, wenn zum Vorstand eine fachliche und personelle Distanz gewahrt wird. Aus diesem Grund normiert der Gesetzgeber in § 100 AktG umfangreiche Anforderungen an die Mitglieder des Aufsichtsrats, ungeachtet ob diese nun der Arbeitnehmer- oder Anteilseignerseite angehören. Grundsätzlich hat jedes Aufsichtsratsmitglied im Interesse des Unternehmens zu handeln, denn wer eine solche Position einnimmt, übernimmt auch die Verpflichtung im Wohle des Unternehmens zu handeln. Dies normiert auch der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) unter Nr. 5.5.1. Dennoch ist es mitunter schwer einzuschätzen, wann ein Interessenkonflikt vorliegt und wie weit dieser tatsächlich reicht.

 

Konfliktlage bei Arbeitskämpfen am Fall Bsirske

Für viele Diskussionen bezüglich des Spannungsverhältnisses zwischen der organschaftlichen Stellung der Gewerkschaftsvertreter in der mitbestimmten Aktiengesellschaft und ihrem Hauptamt in der Gewerkschaft sorgte in jüngster Vergangenheit der Fall Bsirske. Dieser ist seit vielen Jahren der Chef der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und war daneben unter anderem auch im Aufsichtsrat der Lufthansa AG tätig. Bsirske hat im Jahre 2003 einen Streikaufruf gestartet, welcher dem Unternehmen mehrere Millionen Euro kostete. Dafür wurde er als Aufsichtsratsmitglied nicht entlastet (§ 120 AktG).

Diese Konstellation der Ereignisse führte zu der Debatte, ob Herr Bsirske pflichtwidrig in seiner Rolle als Aufsichtsratsmitglied der Lufthansa AG handelte. Einerseits war er der Gewerkschaft und den Mitgliedern verpflichtet, andererseits musste er als Aufsichtsratsmitglied das Interesse des Unternehmens im Blick haben. Die Meinung in diesem Fall sind mannigfaltig und reichen von Unverständnis, bis hin zu Rücktrittsvorschlägen und Schadensersatzforderungen.

 

Vorliegen und Handhabung von Interessenkonflikten

Interessenkollisionen können nicht völlig vermieden werden, dennoch gibt es einige Handlungsempfehlungen wie mit ihnen umgegangen werden kann. Nach dem DCGK (Nr. 5.5.2) sollen bestehende Interessenkonflikte (lang- und kurzfristige) dem Aufsichtsrat offengelegt werden. Ergänzend dazu soll auch die Hauptversammlung in einem Bericht über Konflikte und deren Handhabung informiert werden (Nr. 5.5.3). Teilweise wird davon ausgegangen, dass bei offenkundigen Interessenkonflikten kein erneuter Hinweis nötig ist. Sollte also eine Person im Aufsichtsrat auch gleichzeitig auch ein Gewerkschaftsfunktionär sein, so ist dies eine bekannte Tatsache und damit wohl auch als akzeptabler Interessenkonflikt anzusehen. Allerdings ist der Interessenkonflikt immer dann offenzulegen, wenn eine Auswirkung auf die Aufsichtsratsfunktion absehbar ist. Dies bedeutet sowohl beim Ausmaß des Interessenkonflikts, als auch wann dieser offengelegt wird eine intensive Einzelfallbetrachtung. Jedes Aufsichtsratsmitglied muss in der Lage sein den Kern des Interessenskonflikts zu verstehen, dafür ist eine detaillierte Betrachtung des Sachverhalts notwendig.

 

Rechtliche Konsequenzen

Die möglichen rechtlichen Konsequenzen richten sich nach der Intensität des Interessenkonflikts. Eine Möglichkeit bietet die Stimmenenthaltung. Das von der Interessenkollision betroffene Aufsichtsratsmitglied muss sich in diesem bis zum Ende des Konflikts der Stimme enthalten. Des Weiteren kann auch ein Stimmverbot im Sinne des § 34 BGB in Frage kommen, oder aber die Mitwirkungspflichten des Aufsichtsratsmitglieds werden beschränkt. Häufen sich die Rollenkonflikte bei Einzelpersonen sollte über eine Abberufung nach § 103 AktG, oder über einen Rücktritt nachgedacht werden.

Ist dieser Punkt bereits überschritten und es lässt sich nachweisen, dass der entstandene Schaden auf eine Beeinflussung des Aufsichtsratsmitglieds zurückzuführen ist, kann sich dieser im Sinne des § 93 AktG in Verbindung mit § 116 AktG schadensersatzpflichtig machen.

Auffallend ist, dass Handlungsweisen wie die von Herrn Bsirske,  kaum gerichtliche Konsequenzen für die betroffenen Gewerkschaftsvertreter nach sich ziehen. Denkbar wären Aktionärsklagen für den verursachten Schaden. Da an dieses Vorgehen jedoch sehr strenge Bedingungen geknüpft sind, ist man dazu übergegangen den Vorstand für die Verfolgung von Schadensersatzansprüchen zuständig zu machen gemäß  § 78 I AktG. Denkbar ist es, dass Vorstände eine offensichtliche Konfrontation mit den Aufsichtsratsmitgliedern oder gar den Gewerkschaftsvertretern melden, um nicht negativ in der Presse aufzufallen. Weiterhin könnte sich eine Konfrontation in Bezug auf eine Wiederbestellung negativ auswirken, denn immerhin entscheidet der Aufsichtsrat über eine erneute Bestellung, gemäß § 31 MitbestG in Verbindung mit § 84 f AktG.

 

Fazit

Der Gesetzgeber hat es leider versäumt in Fällen der Interessenskollision eindeutige Handlungsempfehlungen auszusprechen. So dient den einzelnen Mitgliedern im Aufsichtsrat nur der DCGK als Richtlinie. Zwar bietet der DCGK einige Empfehlungen wie mit Interessenkonflikten umgegangen werden kann, die Umsetzung liegt dennoch bei jedem Unternehmen und Aufsichtsratsmitglied selbst. So muss jeder individuell und möglichst objektiv entscheiden, ob denn tatsächlich ein Konflikt vorliegt und ob dieser offengelegt werden muss. Abhilfe könnte hier eine Einverständniserklärung schaffen, welches sich an jedes Aufsichtsratsmitglied richtet. In dieser würde jeder individuell die Einhaltung des DCGK erklären als Basis für eine Entsprechenserklärung nach § 161 AktG. So würde jedes Organmitglied die selbstgetroffenen Empfehlungen verantworten. Zwar spielt diese in der Außenwirkung eher eine untergeordnete Rolle, da sowohl Vorstand als auch Aufsichtsrat gemeinsam die Verantwortung tragen. Jedoch könnte eine individuelle Einverständniserklärung eine genauere und zeitnahe Befolgung der DCGK-Richtlinien fördern.