Die  OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen verkörpern den Anspruch, das führende internationale Instrument bei der Förderung von verantwortungsvollem unternehmerischen Handeln zu sein. Ihre praktische Umsetzung soll dabei durch eine eigens dafür geschaffene Vermittlungs- und Schlichtungsplattform in Gestalt der so genannten Nationalen Kontaktstellen (NKS) erfolgen. Eine bessere Welt durch besseren Dialog ist dabei quasi das Ziel. Ein mitunter ambitioniertes; wenn nicht sogar übermütiges Ziel.

Der Inhalt der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen und die Funktionsweise der NKS wurden in diesem Zusammenhang bereits umfassend in einem vorangegangenen Artikel erörtert. Anknüpfend an diese Arbeit soll im Folgenden nunmehr zur Jahreswende 2017/2018 eine Bilanz in Bezug auf die praktischen Ergebnisse der Vermittlungs- und Förderarbeit der deutschen NKS gezogen werden.

Hierzu werden die jüngsten Ergebnisse der von der NKS Deutschland bearbeiteten Vermittlungsverfahren anhand ausgewählter Fälle objektiv gegenübergestellt und ausgewertet. Die zentrale Frage ist dabei, ob die NKS Deutschland den Zielen der OECD-Leitsätze gerecht werden und die Umsetzung des vermeintlich führenden internationalen Instruments zur Förderung von verantwortungsvollem unternehmerischen Handeln durch ihre Arbeit wirksam zu begünstigen vermag.

Vermittlungsverfahren

I. Beschwerde gegen die Nordex SE

In diesem Verfahren erhob Dominic Whiting (Beschwerdeführer) Beschwerde gegen die Nordex SE (Beschwerdegegner).
Beanstandet wurde die unzureichende Durchführung allgemeiner risikoabhängiger Prüfungen der Sorgfaltspflicht zur Ermittlung, Verhütung oder Minderung tatsächlicher oder potenzieller negativer Effekte für Umwelt, Gesundheit und Sicherheit nach Kapitel II, Nr. 10, Allgemeine Grundsätze der OECD-Leitsätze.

Verfahrensausgang:

Zwar sagte der Beschwerdegegner zu, umfassende Verbesserungsmaßnahmen zur Umsetzung der OECD-Leitsätze durchführen zu wollen. Diese Zugeständnisse führten jedoch nicht zu einer Einigung mit dem Beschwerdeführer und dieser stimmte folglich einer gemeinsamen Erklärung nicht zu. Das Vermittlungsbemühen der NKS blieb damit erfolglos und es kam letztlich lediglich zu einer einseitigen Abschlusserklärung durch die NKS.

II. Beschwerde gegen Kik Textilien und Non-Food GmbH, C&A Mode GmbH & Co und Karl Rieker GmbH & Co. KG

In diesem Verfahren hat Herr Uwe Kekeritz (MdB) eine schwerwiegende Beschwerde gegen die Kik Textilien und Non-Food GmbH, C&A Mode GmbH & Co. und Karl Rieker GmbH & Co. KG vorgebracht, indem er den Firmen eine Mitverantwortung für den verheerenden Brand in der Fabrik von Tazreen Fashion Ltd. in Bangladesch am 24. November 2012, bei dem 111 Mitarbeiter ums Leben kamen, unterstellte. Für die drei deutschen Textilhandelsunternehmen sei in der betroffenen Fabrik Ware gefertigt worden.

Verfahrensausgang:

Während die Klärung der Vorwürfe gegen C&A an die NKS Brasilien abgegeben wurde, initiierte die NKS Deutschland daraufhin ein umfassendes Vermittlungsverfahren. Aus diesem ging hervor, dass der Beschwerdegegner Karl Rieker bereits selbstständig vor Beginn des Vermittlungsverfahrens aus Sicht des Beschwerdeführers zufriedenstellende Verbesserungsmaßnahmen durchgeführt hat und somit eine weitere Vermittlung durch die NKS nicht mehr nötig war.
Auch der Beschwerdegegner Kik sagte die Durchführung von Verbesserungsmaßnahmen zur Umsetzung der OECD-Leitsätze („Accord on Fire and Building Safety in Bangladesh http://bangladeshaccord.org/ „) zu, weshalb die NKS Deutschland keinen weiteren Anlass zur Fortführung der Vermittlung sah und das Verfahren aus ihrer Sicht erfolgreich beendet werden könnte.

Dies entsprach jedoch nicht der Sicht des Beschwerdeführers, der keine Grundlage für eine gütliche Einigung mit dem Beschwerdegegner Kik sah und dessen Verbesserungsvorschläge zum einen als unbestimmt und zum anderen als „on top“ Projekte, die keine echten Auswirkungen auf die Einhaltung von Sorgfaltspflichten hätten, identifizierte.
So lehnte auch in diesem Verfahren der Beschwerdeführer eine gemeinsame Abschlusserklärung ab. Die NKS verfasste daraufhin mangels einer erzielten Einigung eine einseitige Abschlusserklärung.

III. Beschwerde gegen Hyundai Motor Europe Technical Center GmbH (HMETC)

Im Vorliegenden Fall hat die IG Metall (Beschwerdeführer) der Hyundai Motor Europe Technical Center GmbH (HMETC) (Beschwerdegegner) systematische Verstöße gegen die Arbeitnehmerrechte auf ungehinderte Betriebsratsarbeit und gewerkschaftliche Betätigung nach Kapitel V, Nr. 1 a) der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen vorgeworfen.

Verfahrensausgang:

Die Besonderheit in diesem Verfahren bestand darin, dass der Beschwerdegegner das Mediationsangebot der NKS gar nicht erst in Anspruch genommen hat.
Hyundai sah in diesem Kontext trotz ausdrücklicher Aufforderung bzw. Einladung der NKS keine Notwendigkeit darin, an einem Vermittlungsverfahren teilzunehmen, da sie die Beschwerde für unzulässig und unbegründet hielt.

Ein gemeinsamer Dialog konnte damit von Anfang an mangels Mitwirkung des Beschwerdegegners nicht stattfinden. Die NKS reagierte mit einer einseitigen Abschlusserklärung, in der sie das fehlende Mitwirken des Beschwerdegegners bedauerte.

 

Fazit

Die dargestellten Fallbeispiele lassen klare Rückschlüsse auf die Erfolgsbilanz der Vermittlungstätigkeit der NKS Deutschland zu:

Die Gemeinsamkeit dieser Fälle besteht erkennbar darin, dass in einer tatsächlichen Konfliktsituation, die nicht bereits durch das selbstständige Einlenken des Beschwerdeführers gelöst wird, keine erfolgreiche Mediation und damit keine Einigung zwischen Beschwerdeführer und -gegner erreicht werden konnte, was sich in den einseitigen Abschlusserklärungen äußert.
Das eigentliche Ziel, eine gemeinsame und für beide Parteien möglichst zufriedenstellende Lösung anzustreben, indem man den Dialog fördert und mit einer gemeinsamen Abschlusserklärung ein positives Zeichen für die Umsetzung der OECD-Prinzipien setzt, wurde somit verfehlt.

Um als echtes Upgrade angesehen zu werden, müsste den NKS zum einen ein alternatives Druckmittel an die Hand gegeben werden, um zumindest die Beschwerdeverfahren nicht völlig ins Leere laufen zu lassen und anderseits müsste eine intensivere Aufklärungsarbeit sowohl in den Unternehmen, vor allem aber in der Öffentlichkeit betrieben werden, damit der ethische Wert der OECD-Leitsätze verbindlicher wird und die Unternehmen so ein erhöhtes Interesse daran hätten, gegen diese gar nicht erst zu verstoßen.

Eine drohende einseitige Abschlusserklärung durch die NKS bei kompletter Verweigerung erscheint in diesem Kontext kein allzu schwerwiegendes Ereignis für uneinsichtige Unternehmen zu sein. Somit sind die OECD-Leitsätze zwar im Kern erstrebenswert, aber angesichts des geringen Erfolgs wohl eher nur guter Wille und die Nationalen Kontaktstellen mithin lediglich eine stumpfe Klinge.