Gesetzesreformen. Für die einen eine Erweiterung ihrer Rechte, für die anderen der Abgrund. Alte Streitpunkte werden beigelegt und neue Fragen kommen auf. Allen Anforderungen gerecht zu werden scheint ein unmögliches Ziel zu sein. Warum sollte das bei der Urheberrechtsreform anders laufen? Am 01. März wird das Urheberrechtsgesetz (UrhG) zum Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz (UrhWissG). Während sich für Bildungseinrichtungen und Urheber einiges zum Positiven verändert, blicken so einige Verlage ins Leere.

Urheberrecht hat einen neuen Namen: Zum 01. März 2018 tritt das neue Urheberrechtsgesetz in Kraft, welches sich nun Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz (UrhWissG) nennt. Ziel ist es zum einen die Urheberrechte zu schützen und zum anderen das Tor zur Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke für Bildung und Forschung ein Stück weiter zu öffnen. Man möchte die Potenziale von Digitalisierung und Vernetzung für Unterricht und Wissenschaft erschließen und besser nutzen. Die Digitalisierung ist nun also auch im Urheberrecht angekommen. Aber nicht nur in Deutschland wird das Urheberrecht diskutiert. Auch EU-weit soll noch einmal überprüft werden inwiefern das Urheberrecht den heutigen Anforderungen überhaupt noch gerecht werden kann.

Was wird sich ändern und was bedeutet das in der Praxis? Nehmen wir einige Neuerungen der Urheberrechtsreform einmal genauer unter die Lupe.

Von „zur Veranschaulichung IM Unterricht“ zu „zur Veranschaulichung DES Unterrichts“

Bildungseinrichtungen, wie beispielsweise die Hochschulen und Schulen dürfte das Gesetz freuen. Während es aktuell nur möglich ist kleine Teile eines Werkes zur Veranschaulichung IM Unterricht zu verwenden, darf man zukünftig laut § 60a UrhWissG auch Auszüge von bis zu 15% eines Buches zur Veranschaulichung DES Unterrichts nutzen und vervielfältigen und das auch ohne eine Lizenz vom jeweiligen Verlag oder Erlaubnis vom Urheber. Die Auszüge können nun also auch für die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts genutzt werden. Abbildungen können sogar vollständig genutzt werden, sowie Werke geringen Umfangs und einzelne Artikel aus Zeitschriften. Ein Dozent, der mit einem Buch in seinem Seminar arbeitet, muss es nicht mehr kaufen. Er arbeitet mit Kopien, die er im Unterricht -auch digital- zur Verfügung stellt.

Die Verwertungsgesellschaften vergüten die Urheber hierfür pauschal. Ein weiterer Vorteil, den die pauschale Vergütung entgegen der Einzelabrechnung mit sich bringt ist, dass Hochschulen nun keine Auskunft mehr darüber machen müssen, wie oft und von wie vielen ein Werk genutzt wird.

Gute Aussichten für die Urheber?

Wer sollte vom Urhebergesetz profitieren, wenn nicht der Urheber selbst?

Im Falle, dass ein Urheber seine Nutzungsrechte gegen eine einmalige Pauschale an Verlage überträgt, sieht der Gesetzgeber ein besonderes Schutzerfordernis. Durch den neuen §40 a UrhWissG wird den Urhebern in solchen Fällen nun das Recht gegeben zehn Jahre nach Veröffentlichung ihres Werkes, dieses anderweitig zu verwerten. Vorausgesetzt natürlich, er hat vorher sein ausschließliches Recht an den Verlag übertragen. Ob das in der Praxis dann so gut funktioniert, wie es in der Theorie klingt, ist fraglich. Von Kritikern wird befürchtet, dass nach einem solch langen Zeitraum von zehn Jahren die Rechte bereits „ausgelutscht“ sind. Zumal den Verlagen weiterhin das einfache Nutzungsrecht zusteht, sie das Werk also auch weiter verwerten dürfen, aber eben nicht mehr als ausschließlicher Inhaber der Nutzungsrechte.

Weiterhin hat der Urheber nun das Recht auf eine jährliche Auskunft gemäß §32 d UrhWissG. Dies soll dem Urheber helfen, die Nutzung seiner Werke besser zu kontrollieren um auch bei neu hinzukommenden Nutzungsmöglichkeiten vergütet zu werden.

Die Leidtragenden: die Verlage

Buhrufe gibt es aus dem Block der Verlage: sie fürchten Einnahmeverluste. Gerade für kleinere Verlage können die Änderungen zu großen finanziellen Einbußen führen.

Durch das Recht der Vervielfältigung kann man davon ausgehen, dass sich die Anzahl der verkauften Werke deutlich reduziert. Wieder an unserem Beispiel im Hochschulkontext erklärt: wenn die Bibliothek oder auch mal der Dozent ein Buch kauft und die relevanten Passagen vervielfältigt, kommt wahrscheinlich kein armer Student mehr auf die Idee sich das Buch ebenfalls anzuschaffen.

Dennoch hat der Gesetzgeber versucht auch ein Stück weit auf die Verlage zuzugehen. Die oben genannte Frist des §40 a UrhG war nämlich erst nur für einen Zeitraum von fünf Jahren geplant. Nun wurde sie auf zehn Jahre verlängert. Hintergrund: man befürchtete, dass gerade kleinere Verlage durch die fünf-Jahres-Regel wirtschaftlich schlechter gestellt werden, wenn diese bereits nach fünf Jahren nicht mehr zur ausschließlichen Nutzung berechtigt sind.

Doch das dies wohl nur ein kleines Trostpflaster ist, wird dann ersichtlich, wenn man bedenkt, dass durch das BGH Urteil ,,Vogel‘‘, Fachverlage nicht mehr an Ausschüttungen für physische und digitale Kopien urheberrechtlich geschützter Werke beteiligt werden dürfen. In der Praxis führt das zu erheblichen Rückzahlungen an die VG Wort. Offensichtlich ist somit, dass die Existenz von kleinen und mittelständischen Verlagen massiv bedroht ist.

Gelungene Reform oder vergebene Mühe?

Ein Urheberrechtsgesetz soll, wie der Name schon sagt, im ersten Sinne die Urheber schützen. Dass die Wirtschaftlichkeit der Verlage und anderer Einrichtungen dabei auf der Strecke bleiben könnte stellt einen schwierigen Spagat dar. Das neue UrhWissG befördert außerdem die einfache Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken für Bildung und Forschung, ist aber noch nicht das Ende dessen, was man sich für die Zukunft einer Wissensgesellschaft in der digitalen Welt wünschen kann.

Mit dem Gesetz ist man zwar an den Grenzen der europaweit möglichen Regelungen angelangt -in der EU gibt es derzeit aber ebenfalls eine große Urheberrechtsreform. Diese beinhaltet auch Regelungen zu Bildung und Wissenschaft und könnte den Urheberrechtsstatus im Unionsrecht ausweiten und der deutsche Gesetzgeber könnte neue Regelungen nachschieben. Somit bleibt der Blick auf die EU gerichtet – technische Entwicklungen und europarechtliche Vorgaben werden das Thema weiter bestimmen. Das bedeutet nach der Reform ist vor der Reform.

In vier Jahren werden die Auswirkungen des Gesetzes noch einmal auf den Prüfstand gestellt, es bleibt also abzuwarten, ob sich dieses System durchsetzt. Ob bis dahin die kleinen und mittelständischen Verlage durchhalten, ist nur zu hoffen.