Heiko Maas hat Anfang dieses Jahres den „Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken“ vorgestellt. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (kurz: NetzDG) hat es innerhalb des Gesetzgebungsverfahrens in die erste Lesung geschafft. Nach der 3. Lesung geht es in den Bundestag. Die Befürworter hoffen auf eine Verabschiedung des Gesetzes noch vor der Sommerpause.

Doch nie zuvor hat sich so schnell eine Allianz gegen ein Gesetz zusammengeschlossen. Von den Kritikern wird das Gesetz als „private Meinungspolizei“ bezeichnet und es werden „katastrophale Auswirkungen“ befürchtet. Facebook betitelte das Gesetz als „verfassungswidrig„. Zu der sog. Allianz die sich Anfang April zusammenfanden gehören die Reporter ohne Grenzen und Verbände wie BIU, Bitkom der Deutschen Journalisten-Verband, eco, BVDW und BITMi, die Internet Society, der Chaos Computer Club, Wikimedia Deutschland sowie zahlreiche Rechtswissenschaftler.

Alle befürchten, dass die Grundsätze der Meinungsfreiheit unter dem NetzDG leiden – aber warum?

Inhalt des Gesetzes

  • Wen betrifft das Gesetz?

Das Gesetz betrifft soziale Netzwerke mit mehr als zwei Millionen Nutzern. Also insbesondere Facebook, Twitter und Youtube. (vgl. § 1 I, II NetzGD)

  • Wann findet das NetzDG Anwendung?

Es findet dann Anwendung, wenn offensichtlich rechtswidrige Inhalten auf den Plattformen ausgetauscht, geteilt oder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Rechtswidrig sind die Inhalte dann, wenn sie eines der Straftatbestände erfüllen, die in dem NetzDG aufgelistet sind. Darunter sind z.B. die Volksverhetzung, die Verbreitung und die Verwendung von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen und die Beleidigung. (vgl. § 1 III NetzGD)

  • Wozu verpflichtet das NetzDG die Unternehmen?

Aufgabe der Betreiber der sozialen Netzwerke soll es dann zukünftig sein, diese offensichtlich rechtswidrigen Inhalte nach ihrer Meldung binnen 24 Stunden zu löschen. Für alle nicht so eindeutigen rechtwidrigen Inhalte haben die Unternehmen sieben Tage Zeit. Tun sie dies nicht, dann droht ihnen ein Bußgeld in Höhe von bis zu 50 Millionen Euro.

  • Was ändert sich für die Opfer der offensichtlich rechtswidrigen Inhalte?

Das Gesetz befugt die Unternehmen auskünfte über den Absender zu geben. Bisher ist das ist das nur mit einer Richteranordnung möglich. Zwar wird in dem Begleittext des Gesetzes auf ein Richtervorbehalt verwiesen, aber es steht keins ausdrücklich im Gesetz.

Hintergrund

Maas ist der Überzeugnung, dass das Internet nicht mehr rechtfreier Raum sein darf. Fake News und Hasskommentare dürften demnach nicht mehr straflos bleiben. Dafür bedarf es der Zusammenarbeit von Staat und den sozialen Netzwerken. In dem NetzDG ist die Rede von einer Task Force. Wenn rechtswidrige Inhalte gemeldet werden, dann fordert das Gesetz eine schnellstmögliche Reaktion. Fristen und Bußgeldandrohungen sind hierbei Reize, die zum zügigen Handeln motivieren sollen.

Die Geburt einer Löschkultur

Die starre Frist und die angedrohte Bußgeldforderung wirken zusammen und verleiten die Unternehmen möglicherweise zu vorschnellen Löschungen. Es ist nicht auszuschließen, dass sich darunter auch zu unrecht gelöschte Inhalte finden werden. Wie sich die Betroffenen dagegen wehren können, regelt das Gesetz nicht. In der Konsequenz würden Meinungen ohne rechtliche Folgen gelöscht. Faktisch würden die Unternehmen nichts anderes tun, als zu zensieren. Die Meinungesfreiheit ist unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt. Es ist im Gewissen Sinne die Grundlage jeder Freiheit überhaupt. In das so vom Bundesverfassungsgericht gewichtete Grundrecht würde dann aus Angst vor der Begehung einer Ordnungswidrigkeit eingegriffen.

Rechtsdurchsetzung wird privatisiert

Zur Eröffnung des Anwendungsbereich muss eine Straftat vorliegen. Die Ermittlung, Auslegung und Anwendung des Rechts ist grundsätzlich den Gerichten vorbehalten. Darüber hinaus, laufen vorgesehenen Richtervorbehalte durch das NetzDG leer. Sicherlich, gibt es für die Gerichte noch genügend zu tun, allerdings gibt es für die Richtervorbehalte einen überaus wichtigen Grund. Die Herausgabe der Kontaktdaten von Absendern beispielsweise wäre nicht ohne richterliche Anordnung möglich.

Fazit

Es dauert nicht lange bis man auf den entsprechenden Plattformen Hasskommentare findet. Die sozialen Netzwerke schaffen der sog. Hate Speech den Raum. Wenn also ein rechtswidriger Inhalt gemeldet wird, dann erscheint es nur sinnvoll, dass die sozialen Netzwerke ein gut strukturiertes und nachvollziehbares System haben, damit die Inhalte schnellstmöglichst entfernt werden. Es ist also vertretbar, wenn Befürworter eine Stärkung der Verantwortung der Unternhemen fordern. Insbesonder kürzlich veröffentliche interne Anweisung an Facebook-Mitarbeiter stärkte diese Sichtweise. Laut einer geleakten Veröffentlichung wurde bekannt, dass bspw, Facebook nur Posts löscht, wenn sie „glaubhaft“ sind. Auch, wenn der Hintergrund des Gesetzes nachvollziehbar ist, werden zu viele ungeklärte Fragen aufgeworfen.

Neben den aufgeführten Kritikpunkten kommen die unbestimmten Rechtsbegriffe hinzu, die zu großen Anwendungsschwierigkeiten führen. Außerdem bleibt die Tatsache, dass die Frage der Rechtswidrigkeit auf die Unternehmen auferlegt wird. Ob damit die Stärkung optimiert ist, ist fraglich. Auch ein ungerechtfertigter Eingriff in die Meinungsfreiheit bleibt folgenlos. In der Summe spricht mehr gegen das NetzDG.

Am Freitag geht es nun in die nächste Runde. Der Bundesrat stimmt über die Empfehlungen seines Ausschusses für die Änderung der NetzDG ab. Sollte das Gesetz bis zum Ende der Wahlperiode nicht das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen haben, sieht es für das Inkrafttreten sehr schlecht aus.