BGH v. 24.01.2012 – II ZR 109/11

Der englische Philosoph und Staatstheoretiker Thomas Hobbes (1588-1679) sagte einmal, „So liegen also in der menschlichen Natur drei hauptsächliche Konfliktursachen: Erstens Konkurrenz, zweitens Misstrauen, drittens Ruhmsucht“.

Bei Geschäftspartnern reicht nicht selten ein von Hobbes genannter Grund aus, um die Zusammenarbeit zu beenden und fortan getrennte Wege zu gehen. Allerdings ist der Prozess des Ausscheidens eines Partners zumeist ein zeit- sowie kraftraubender Akt, vor allem dann, wenn Geld eine nicht unwesentliche Rolle spielt. Die Fragen, die sich im Zusammenhang mit dem vom BGH entschiedenen Sachverhalt stellen, sind, wann ein gefasster Einziehungsbeschluss bei Notwendigkeit der Zahlung eines Abfindungsentgeltes wirksam ist und wer dem Ausscheidenden, wenn die Abfindung nicht aus dem ungebundenen Vermögen der Gesellschaft geleistet werden kann, haftet?

Hintergrund war ein Rechtsstreit zwischen zwei Gesellschaftern einer GmbH, bei dem einer von beiden seine Geschäftsanteile ohne Zustimmung durch einen Gesellschafterbeschluss verlor. Ein wichtiger, in dessen Person liegender Grund für die Einziehung lag zu dieser Zeit vor, jedoch erhielt er die in der Satzung der GmbH vereinbarte Abfindung nicht innerhalb der vorgesehenen Zeit. Bei einer zweiten, knapp ein Jahr später stattfindenden Gesellschafterversammlung wehrte sich der ausscheidende Gesellschafter nun in der Form, dass er beantragte zu beschließen, den einzig weiteren Gesellschafter auf Zahlung des Abfindungsentgeltes in Anspruch zu nehmen und sich selbst zur gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche zu ermächtigen.

Wann wird die Einziehung des Geschäftsanteils wirksam? Hatte der ausscheidende Gesellschafter zur Zeit der Gesellschafterversammlung noch ein Stimmrecht?

Zunächst ist anzumerken, dass die Wirksamkeit und Vollziehbarkeit von Beschlüssen sowie Rechtsgeschäften grundsätzlich mit ihrem Abschluss einsetzt. Ausnahmen davon bilden die aufschiebende und auflösende Bedingung § 158 BGB. Im vorliegenden Fall entschied der BGH nicht anders, die Einziehung der Geschäftsanteile wird mit Mitteilung des Beschlusses an den betroffenen Gesellschafter und nicht erst mit der Leistung der Abfindung wirksam. Gesetzlich steht der Einziehungsbeschluss nämlich nicht unter der Bedingung, dass das Einziehungsentgelt gezahlt wird. Der ausscheidende Gesellschafter hatte also zum Zeitpunkt der zweiten Gesellschafterversammlung aufgrund der wirksamen Einziehung seiner Geschäftsanteile keinerlei Stimmrechte mehr. Ob die Einziehung vor Zahlung des Abfindungsentgeltes wirksam ist, ist in Rechtsprechung und Literatur allerdings umstritten.

Wer muss dem Ausscheidenden, wenn die Abfindung nicht aus dem ungebundenen Vermögen der Gesellschaft geleistet werden kann, haften?

Zur Sicherung des Abfindungsanspruches des ausgeschiedenen Gesellschafters gibt es bei der sofortigen Wirksamkeit der Einziehung verschiedene Lösungswege. Der BGH entschied sich für den, dass die Mitgesellschafter verpflichtet sind, dem ausgeschiedenen Gesellschafter die Abfindung anteilig (pro rata) ihrer Beteiligung zu zahlen, soweit die Gesellschaft die Abfindung nicht leisten darf, da § 34 III GmbHG im Interesse der Gläubiger sicherstellen soll, dass die Gesellschafter die Kapitalerhaltungspflicht nach § 30 I GmbHG nicht durch die Aufgabe der Mitgliedschaft umgehen können. Ein Abfindungsanspruch des Gesellschafters soll aber in diesem Zusammenhang nicht geschützt werden.

Der Gesellschafter, dessen Geschäftsanteil eingezogen wird, muss allerdings davor geschützt werden, dass die verbleibenden Gesellschafter sich mit der Fortsetzung der Gesellschaft den wirtschaftlichen Wert des Anteils des ausgeschiedenen Gesellschafters aneignen und ihn aufgrund der gläubigerschützenden Kapitalerhaltungspflicht mit seinem Abfindungsanspruch leer ausgehen lassen. Dazu genügt es aber laut BGH, die verbleibenden Gesellschafter selbst in die Haftung zu nehmen, wenn sie nicht auf andere Weise für die Auszahlung der Abfindung sorgen.

Den verbleibenden Gesellschaftern wächst anteilig der Wert des eingezogenen Geschäftsanteils zu. Sie müssten, wenn sie sich redlich verhalten und eine Unterdeckung nicht auf andere Art und Weise ausgleichen, etwa durch Auflösung von stillen Reserven oder eine Herabsetzung des Stammkapitals, grundsätzlich die Gesellschaft auflösen, um so die Gesellschaft in die Lage zu versetzen, den Abfindungsanspruch des ausgeschiedenen Gesellschafters soweit wie möglich zu erfüllen. Mit der Auflösung stellen sie den ausgeschiedenen Gesellschafter bezüglich seines Abfindungsanspruches so, als sei er noch Gesellschafter.

Die Gesellschafter verhalten sich dementsprechend treuwidrig, wenn sie sich dagegen mit der Fortsetzung der Gesellschaft den Wert des eingezogenen Geschäftsanteils auf Kosten des ausgeschiedenen Gesellschafters einverleiben, ihn aber eine Abfindung unter der berechtigten Berufung auf die Kapitalbindung der Gesellschaft verweigern.

Fazit

Die Einziehung wird durch die Mitteilung des Beschlusses an den betroffenen Gesellschafter und nicht erst mit der Leistung des Abfindungsentgeltes wirksam.

Gesellschafter, die den Einziehungsbeschluss gefasst haben, haften dem ausscheidenden Gesellschafter anteilig, wenn sie nicht dafür Sorge tragen, dass die Abfindung aus dem ungebundenem Vermögen der Gesellschaft geleistet werden kann, oder sie die Gesellschaft nicht auflösen.