Die am 15. April 2014 vom Europäischen Parlament verabschiedete CSR-Richtlinie (2014/95/EU) geht über die bisherige Berichterstattung für Unternehmen nach dem HGB hinaus. Sie soll einen Nachhaltigkeitsfortschritt bedeuten, da sie an dem Dogma rüttelt, Unternehmen nur nach ihren bloßen Finanzdaten zu bewerten. Vielmehr sollen die Unternehmen Verantwortung für ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft übernehmen und darüber berichten. Allerdings enthält die Richtlinie einen so erheblichen Spielraum, dass die Berichterstattung zur Produktion bloßen Papiermülls führen könnte.

1. Berichtspflicht für große Unternehmen zur Förderung der Nachhaltigkeit

Die CSR-Richtlinie sieht vor, dass kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten und einer Bilanzsumme von mindestens 20 Mio. Euro sowie einem Nettoumsatz von 40 Mio. Euro ab dem Geschäftsjahr 2017 eine nichtfinanzielle Erklärung in ihren Lagebericht aufnehmen. Diese nichtfinanzielle Erklärung soll Unternehmenspolitiken enthalten, deren Ergebnisse und Risiken in den Bereichen der Umwelt-, Sozial- und Mitarbeiterbelange liegen.

Ziel des europäischen Gesetzgebers ist es, durch die Berichtspflicht die unternehmerische Verantwortung so zu steuern, dass langfristig Profitabilität mit sozialer Gerechtigkeit und Umweltschutz verbunden werden, um insgesamt ein ressourcenschonendes Europa zu stärken. Die Berichterstattung soll dazu beitragen, nicht nur die Performance eines Unternehmens, sondern auch seine Auswirkungen auf die Gesellschaft zu messen, zu bewerten und zu überwachen. Zudem soll es Verbrauchern, Unternehmen und Investoren durch die CSR-Berichterstattung ermöglicht werden, diese Auswirkungen der verschiedenen Unternehmen der Europäischen Union miteinander zu vergleichen. Es geht grundsätzlich um die Vermeidung von negativen Auswirkungen des Unternehmens auf die Gesellschaft über den gesetzlichen Rahmen hinaus.

2. Nachhaltigkeit im Fokus der Unternehmenspublizität

Die Berichterstattung über nichtfinanzielle Faktoren ist grundsätzlich nichts vollkommen Neues. Bereits nach geltendem Recht sehen die §§ 289 III, 315 I 4 HGB vor, dass in den Lagebericht auch nichtfinanzielle Leistungsindikatoren, wie Informationen über Umwelt- und Arbeitnehmerbelange einzubeziehen sind, allerdings nur soweit sie für das Verständnis des Geschäftsverlaufs oder der Lage von Bedeutung sind.

Die CSR-Richtlinie geht jedoch über die bisherige Berichterstattung hinaus. Sie enthält insoweit einen Fortschritt, dass sie die Themen genau vorschreibt, über die berichtet werden muss und diese Informationen, unabhänging von ihrer Bedeutung für den Geschäftsverlauf der betroffenen Unternehmen, von diesen zwingend zu veröffentlichen sind. Es geht nicht mehr nur um die Darstellung der Werthaltigkeit des Unternehmens und der sie beeinflussenden nichtfinanziellen Faktoren, sondern auch um eine indirekte Verhaltenssteuerung. Die erhöhten Transparenzvorschriften sollen Unternehmen dazu motivieren, Maßnahmen im Sozial- und Umweltbereich zu ergreifen, da mit einer erhöhten gesellschaftlichen Aufmerksamkeit zu rechnen ist. Die Offenlegung nichtfinanzieller Informationen erleichtert interessierten Stakeholdern einen neutralen Überblick über das soziale Engagement von Unternehmen. Neben Compliance und dem Risikomanagement wird somit auch die soziale Verantwortung von Unternehmen Bestandteil der guten Unternehmensführung. Des Weiteren werden über die großen Kapitalgesellschaften hinaus auch, wenngleich nicht unumstritten, die Lieferketten und deren CSR-Auswirkungen indirekt in die Berichterstattung einbezogen, die zuvor nicht von der Pflicht zur Veröffentlichung von nichtfinanziellen Leistungsindikatoren in einem Lagebericht gemäß HGB betroffen waren.

3. Statt Verantwortung mehr Papiermüll

Die Kehrseite der CSR-Richtlinie sind jedoch heterogene Rahmenwerke, eine fehlende inhaltliche Überprüfung der Berichte, keine expliziten Sanktionen und der comply-or-explain Grundsatz. Dies könnte dazu führen, dass statt mehr Verantwortung von Unternehmen, mehr Papiermüll und Berichte mit Standardtexten entstehen. Über die tatsächliche Auswirkung lässt sich derzeit allerdings nur spekulieren, da die ersten CSR-Berichte erst Anfang 2018 veröffentlicht werden und auch die exakte Umsetzung in deutsches Recht noch abzuwarten bleibt. Hierzu sind Änderungen im HGB erforderlich. Der Regierungsentwurf vom 21. September 2016 wird voraussichtlich erst im März 2017 verabschiedet.

Kein einheitlicher Schutzstandard

Die CSR-Richtlinie selbst schafft keinen neuen Schutzstandard. Um der Vielfalt der von den Unternehmen angewandten CSR-Ansätzen gerecht zu werden, sollen die Unternehmen bei der Berichterstattung auf nationale, EU- oder internationale Leitlinien zurückgreifen. In materieller Hinsicht bleibt somit auch nach Verabschiedung der CSR-Richtlinie Freiwilligkeit.  Beispielhaft werden folgende anerkannte internationale Leitlinien genannt: EMAS, UN-Global Compact, die UN-Leitsätze für Wirtschaft und Menschenrechte, die OECD-Leitlinien für multinationale Unternehmen, ISO 26000. Durch die heterogenen Rahmenwerke scheint es allerdings fraglich, wie das Ziel des europäischen Gesetzgebers von vergleichbaren Berichten großer Unternehmen der Europäischen Union gewährleistet werden kann. Investoren, Verbraucher und Unternehmen haben nicht zuletzt durch die Krisen der vergangenen Jahre ein erhöhtes Transparenz- und Informationsverlangen. Sie wollen Unternehmen miteinander vergleichen, um zu entscheiden, in welches Unternehmen sie investieren wollen, welches Produkt sie kaufen möchten oder welche Leistung sie nutzen.

Comply-or-Explain-Ansatz

Art. 19 a der CSR-Richtlinie sieht für die Berichtspflicht einen Comply-or-Explain-Ansatz vor. Dies soll sicherstellen, dass sich das Unternehmen zu jedem der Themen des festgelegten Katalogs äußert. Entweder das Unternehmen erläutert, wie es die festgestellten Probleme im Bereich der CSR-Belange löst oder es begründet, wenn es hinsichtlich eines CSR-Themas kein Konzept verfolgt. Die Erklärungspflicht besteht allerdings nicht für einen fehlenden Analyseprozess zur Risikoermittlung (Due-Diligence-Prozess). Über die Feststellung, dass kein wesentliches Risiko besteht, muss also nicht gesondert berichtet werden. Zur Wahrung der inhaltlichen Anforderungen an das „Explain“ sollte es daher ausreichen, sich auf die Äußerung zu beschränken, dass die jeweiligen Nachhaltigkeitsbelange als nicht einschlägig erachtet werden. Durch diesen Spielraum in der Berichterstattung der Unternehmen ist zu befürchten, dass die nichtfinanzielle Erkläung kaum eingehende Erläuterungen enthalten wird. Darüber hinaus können Informationen über künftige Entwicklungen weggelassen werden, wenn diese Angabe der Geschäftslage des Unternehmens ernsthaft schaden würde. Die Unterlassung darf jedoch eine faire und ausgewogene Einschätzung des Unternehmens nicht verhindern.

Keine inhaltliche Prüfpflicht, keine expliziten Sanktionen

Die Richtlinie selbst sieht keine expliziten Sanktionen vor. Die Mitgliedstaaten sollten dafür sorgen, dass wirksame nationale Verfahren eingerichtet sind, mit denen die Erfüllung der Pflichten nach dieser Richtlinie gewährleistet wird. In Deutschland soll deshalb gemäß § 317 II S. 4 HGB-E der Abschlussprüfer das Vorliegen der nichtfinanziellen Erklärung prüfen. Eine inhaltliche Überprüfung findet jedoch grundsätzlich nicht statt. Eine fehlerhafte oder negative CSR-Berichterstattung soll lediglich von den Marktteilnehmern durch ein entsprechendes Konsum- und Investitionsverhalten faktisch sanktioniert werden. Es ergibt sich allerdings eine mittelbare inhaltliche Prüfpflicht für den Aufsichtsrat nach den §§ 170, 171 AktG. Danach hat der Aufsichtsrat zu prüfen, ob der Vorstand eine nichtfinanzielle Erklärung abgibt und diese inhaltlich richtig ist. Andernfalls hat der Aufsichtsrat nach der ARAG-Rechtsprechung die Unrichtigkeiten gegenüber dem Vorstand zu beanstanden. Eine Haftung des Aufsichtsrates wegen der Verletzung seiner Aufsichtsratspflichten gemäß §§ 116, 93 AktG ist allerdings schwierig, da die jeweilige schuldhafte Pflichtverletzung kausal mit dem verursachten Schaden nachgewiesen werden muss. Des Weiteren wirkt sich eine fehlerhafte Erklärung auf die Richtigkeit des Lageberichts aus. Ist dieser fehlerhaft, kann die Hauptversammlung die Entlastung des Vorstandes verweigern (§ 120 AktG). Aber auch die Verweigerung der Entlastung des Vorstandes der AG bedeutet lediglich einen Vertrauensentzug und keine direkte vermögenswerte Sanktion für die Gesellschaft. Lediglich das Fehlen der nichtfinanziellen Erklärung wird den Straf- und Bußgeldvorschriften der §§ 331, 334 HGB unterstellt.

4. Einschätzung

Die mangelnde Vergleichbarkeit der Berichterstattung, das Fehlen materieller Standards, die bescheidenen Sanktionierungsmöglichkeiten sowie der Verzicht auf eine inhaltliche Kontrolle lassen die CSR-Richtlinie zunächst wie einen Papiertiger erscheinen. Frühestens ab 2018 – mit Vorliegen der ersten Berichte – können wir einschätzen, wie ernst die Unternehmen ihre CSR-Berichtspflicht nehmen und ob das Verhalten der Stakeholder die CSR-Aktivitäten beeinflussen kann. Die Unternehmen sollten dabei nicht vergessen, dass die EU diese Richtlinie als Schritt zur Verrechtlichung von CSR erlassen hat, nachdem sie die Freiwilligkeit im CSR-Bereich scheitern sah. Sollte dieser Weg des Comply-or-Explain ebenfalls keine ausreichende Wirkung zeigen, kann die EU weitere Schritte in Richtung Hard Law veranlassen.