Exzessive Vorstandsvergütungen geben seit längerem Anlass zur Kritik. Gefordert werden strengere Regelungen und mehr Mitspracherechte für die Aktionäre. Seit 2014 arbeitet die EU-Kommission diesbezüglich auf europäischer Ebene an einem Vorschlag zur Änderung der geltenden Aktionärsrechterichtlinie (2007/36/EG). Vorbild für den Änderungsvorschlag sind insbesondere die beiden angelsächsischen Systeme von Großbritannien und den USA, wo bereits seit geraumer Zeit gesetzliche Regelungen zum Say on Pay (Aktionärsabstimmungen über die Vorstandsvergütungen) bestehen. Doch führen Say on Pay – Regelungen nicht generell zu einem Systembruch, insbesondere wenn in die originären Pflichten der leitenden Organe eingegriffen wird? Ein Vergleich der Regelungen in den monistischen Systemen Großbritanniens und der Vereinigten Staaten sowie denen des dualistischen Systems in Deutschland soll in diesem Artikel erörtert werden.

Monistisches vs. Dualistisches System

Bei aktienrechtlichen Organisationsstrukturen kann zwischen einstufigen (monistischen-) Systemen und zweistufigen (dualistischen-) Systemen unterschieden werden. In den USA sowie Großbritannien gilt, wie eingangs erwähnt, das einstufige System. In diesem ist die gesamte Unternehmensführung bei einem einzigen Organ konzentriert, dem Verwaltungsrat (Board of Directors). Etwaige Überwachungsfunktionen werden von unabhängigen bzw. teilweise auch nicht geschäftsführenden Mitgliedern in dafür eigens eingerichteten Komitees wahrgenommen. Ihnen obliegt es beispielsweise, sich sowohl mit Buchhaltungs- und Bilanzierungsfragen (Audit Committee) als auch mit der Ausgestaltung eines geeigneten Vergütungssystems (Compensation/Remuneration Committee) auseinanderzusetzen. Die Trennung von Geschäftsführung und Überwachung ist dem monistischen System also keineswegs fremd. Im dualistischen System der deutschen Aktiengesellschaft ist die Führung des Unternehmens auf die verselbstständigten Organe Vorstand und Aufsichtsrat jedoch zwingend ausgerichtet. Überwachungsfunktionen werden hier durch den personell und funktionell von der Geschäftsführung getrennten Aufsichtsrat übernommen.

Say on Pay in den USA

In den monistisch ausgerichteten Vereinigten Staaten von Amerika erfolgte, bedingt durch die Finanzmarktkrise von 2008, mit der Verabschiedung des Finanzmarktreformgesetztes „The Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act“ im Jahr 2010 die gesetzliche Verankerung des Say on Pay in Section 951 Dodd-Frank Act. Die US-Börsenaufsicht „Securities and Exchange Commission“ (SEC) hat am 25.01.2011 konkretisierende Vorschriften über das Say on Pay erlassen und diese als Section 14A in den „Securities Exchange Act 1934“ (SEA) eingefügt. Gemäß dieser Regelung ist in den Stimmrechtsunterlagen (Proxy Statements) ein gesonderter Beschluss vorzusehen, durch den die Aktionäre der Vergütung des Managements ihre nicht bindende Zustimmung oder Ablehnung erteilen können. Zudem sind die Gesellschaften verpflichtet, in ihren Proxy Statements neben den offenzulegenden Vergütungsinformationen zu beschreiben, ob und in welchem Umfang die Vergütungsstrukturen und -entscheidungen durch die letzte Say on Pay – Abstimmung geändert wurden.

Das Votum muss nach Sec. 14A (a)(1) SEA mindestens alle drei Jahre stattfinden. Jedoch können die Aktionäre auch bestimmen, dass das Votum gegebenenfalls in geringeren Abständen erfolgen soll. So ist nach Sec. 14A (a)(2) SEA spätestens alle sechs Jahre ein Beschluss darüber zu fassen, ob das Say on Pay jährlich, alle zwei bzw. drei Jahre wiederholt werden soll. Das Ergebnis der Abstimmung entfaltet allerdings gemäß Sec. 14A (c) SEA keine rechtliche Bindungswirkung. Sprich, die Aktionäre können durch eine negative Abstimmung lediglich ihre Unzufriedenheit hinsichtlich der Managementvergütung signalisieren. Den Kontrollgremien steht es frei, ob sie infolge eines negativen Votums die Vergütungsstrukturen ändern oder nicht.

Say on Pay in Großbritannien

Großbritannien gilt in Europa als Vorreiter des Say on Pay. Bereits 2002 wurde den Aktionären mit dem Erlass der „Directors Remuneration Report Regulation“ ein jährliches, in der Rechtsfolge jedoch ebenfalls nur rein konsultatives Votum (Advisory Vote) über den Bericht der Direktorenvergütung (Directors Remuneration Report) eingeräumt. 2013 wurde die englische Say on Pay Regelung, wegen mäßigem Erfolg, mit dem „Enterprise and Regulatory Reform Act“ durch die britische Regierung reformiert. Die heutige Regelung, die sich nun im Companies Act 2006 wiederfindet, sieht sowohl ein bindendes Votum über den Bericht der Vergütungspolitik der Direktoren (Policy) als auch eine konsultative Abstimmung über den alljährlichen Bericht hinsichtlich deren Umsetzung (Implementation Report) vor. Beide Berichte sind Bestandteile des Directors Remuneration Report und werden von Vergütugskomitees ausgearbeitet.

Börsennotierte Unternehmen müssen die Policy nach s. 439A (1)(b) des Companies Act 2006 mindestens alle drei Jahre zur Resolution auf der jährlichen Hauptversammlung vorlegen. Sie soll den Aktionären ausführlich aufzeigen, wie sich die einzelnen Elemente des Vergütungssystems zusammensetzen. Detaillierte Vorgaben zum Inhalt der Policy werden durch die „Large and Medium sized Companies and Groups Regulations“ von 2013 verordnet. In dieser müssen unter anderem alle Bestandteile der Direktorenbezüge, sprich deren Art und Umfang, offengelegt werden. Das vorgeschlagene Vergütungssystem soll auch aufzeigen, wie durch die einzelnen leistungsabhängigen Kompensationselemente ein Anreiz für die Direktoren geschaffen wird, kurz- und langfristige Ziele im Interesse des Unternehmens zu verfolgen. Stimmen die Aktionäre für die Policy, binden die vereinbarten Vorgaben über die Vergütungspolitik den Verwaltungsrat. Bei Änderungen oder vollständig neuer Vergütungspolitik muss über diese auf der Hauptversammlung erneut abgestimmt werden (s. 422A Companies Act 2006).

Die Abstimmung über den Implementation Report ist anders als bei der Policy ein Votum über die tatsächlich erfolgte Vergütung der Direktoren für das jeweilige Geschäftsjahr. Hier findet demnach eine vergangenheitsbezogene Betrachtung statt, wohingegen die Policy auf die zukünftige Entwicklung gerichtet ist. Das Votum über den Implementation Report ist in seiner Rechtsfolge jedoch nicht bindend, also rein konsultativ (vgl. Advisory Vote). Einmal geleistete Vergütungen bleiben somit bestehen (s. 439 (5) Companies Act 2006). Gelingt es den Unternehmen indes nicht, ein positives Votum über den Implementation Report in einem Jahr, in dem keine Abstimmung über die Vergütungspolitik erfolgt, zu erzielen, so ist die Policy im nächsten Jahr erneut der Hauptversammlung zur Resolution vorzulegen. Im Falle eines Unterlassens müssen die Unternehmen mit einem Bußgeldverfahren rechnen (s. 440 Companies Act 2006).

Änderungsvorschlag der EU-Kommission

Der Vorschlag der EU-Kommission zur Änderung der Aktionärsrechterichtlinie sieht vor, dass Aktionäre auf der Hauptversammlung in Zukunft bei der Bestimmung der Höhe der Vorstandsvergütung miteinbezogen werden. Nach dem Richtlinienentwurf sollen diese alle drei Jahre über die Vergütungspolitik (Art. 9 a Abs. 1 AktRRL-E) sowie einmal jährlich über den Vergütungsbericht der Vorstände abstimmen dürfen (Art. 9 b Abs. 3 AktRRL-E). Es wird deutlich, dass die Regelungsvorschläge der EU-Kommission auf den englischen Vorbildnormen basieren. Jedoch wird hier ein „Comply or Explain“-Ansatz, der sich nach den jeweiligen nationalen Empfehlungen richtet, favorisiert. Im Falle eines ablehnenden Votums durch die Aktionäre soll im darauffolgenden Vergütungsbericht dargelegt werden, ob und gegebenenfalls wie dem Hauptversammlungsvotum Rechnung getragen wurde. Weiterhin sieht der Änderungsvorschlag der EU-Kommission vor, die Abstimmung über den Vergütungsbericht bindend auszugestalten und nicht die Abstimmung über die Vergütungspolitik (vgl. Großbritannien), da den Mitgliedstaaten hier ein Wahlrecht eingeräumt werden soll.

Kritik des Änderungsvorschlags aus deutscher Sicht

Der deutsche Gesetzgeber berät bereits seit längerem über eine Neufassung des § 120 Abs. 4 AktG. Gemäß der aktuellen Vorschrift „kann“ die Hauptversammlung die Billigung des Systems zur Vergütung der Vorstandsmitglieder beschließen. Der Änderungsvorschlag der EU-Kommission sieht anders als § 120 Abs. 4 AktG jedoch vor, dass nicht mehr ausschließlich über das Vergütungssystem abgestimmt werden soll, sondern insgesamt über die Vergütungspolitik der Unternehmen. Desweiteren muss die Vergtungspolitik umfangreiche inhaltliche Vorgaben erfüllen, die weit über die Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex hinausgehen. Dies bewirkt eine deutliche Verschiebung der originären Kompetenzen des Aufsichtsrats zugunsten der Hauptversammlung und führt somit zu einem Bruch im dualistischen System. Im Gegensatz dazu existiert im monistischen System, wie in den USA und Großbritannien, kein Aufsichtsrat als Kontrollinstanz, der dem Vorstand, respektive dem Board of Directors, zwischengeschaltet ist. Im Falle des deutschen Konzernrechts scheint eine stärkere Reglementierung, wie sie die EU-Kommission vorsieht, demnach als entbehrlich, insbesondere da es zu den originären Kompetenzen des Aufsichtsrats gehört, eigene Vergütungssysteme zu entwickeln und vorzuschlagen (vgl. § 87 Abs. 1 AktG). Eine Beschneidung dieser Kompetenz kann daher nicht zieführend sein.

Fazit

Der angelsächsische Rechtsraum, in dem das Konzern- und Gesellschaftsrecht monistisch ausgestaltet ist, bedarf verständlicherweise einer strengeren Reglementierung über die Vorstandsvergütungen. Indes kann die Frage, ob eine Say on Pay – Regelung im monistischen System zu einem Bruch führt, teilweise verneint werden. Zwar fehlt es diesem System an einem vergleichbaren Kontrollorgan wie dem Aufsichtsrat, jedoch übernehmen hier entsprechende Gremien wie z.B. das Vergütungskomitee die jeweiligen Kontroll- und Überwachungsfunktionen. Dass die EU-Kommission die Regelungen des monistisch ausgestalteten Systems von Großbritannien als Vorbild für den Änderungsvorschlag der Aktionärsrechterichtlinie gewählt hat, ist für das dualistisch ausgestaltete System Deutschlands äußerst unglücklich. Für den Änderungsvorschlag der EU-Kommission spricht allerdings, dass dieser den Mitgliedsstaaten ein Wahlrecht hinsichtlich der Vergütungspolitik überlässt. Im Falle der Bundesrepublik erfolgt jedoch durch die Verbindlichkeit des Votums über den Vergütungsbericht ein Eingriff in die originären Pflichten des Aufsichtsrats. Ein Systembruch ist somit unvermeidbar. Es bleibt abzuwarten, ob die EU-Kommission ihren Änderungsvorschlag überarbeitet oder an der derzeitigen Fassung festhält. Spannend ist auch die Frage, wie der deutsche Gesetzgeber die Vorgaben letztendlich umsetzen wird, wobei damit in Form eines RL-Umsetzungsgesetzes frühestens 2017 zu rechnen ist.