Die Vergütung von Vorständen in börsennotierten Gesellschaften und das Vergütungssystem, wird nicht erst seit der Finanzmarktkrise im Jahr 2008 analysiert und kritisiert, nein, es handelt sich um eine Problematik, welche seit Jahren Unzufriedenheit in der Gesellschaft auslöst. Im Jahr 2009 reagierte der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) auf den anhaltenden öffentlichen Diskurs und verankerte eine gesetzliche Regelung im deutschen Aktiengesetz (AktG). Der vorliegende Artikel beschäftigt sich mit den Vor- und Nachteilen einer verbindlichen „Say on Pay“ Regelung auf europäischer Ebene und mit der Frage, ob diese Regelung für Deutschland systemwidrig sein könnte und daher nicht empfehlenswert ist.

Beweggründe für die Entwicklung von Vergütungssystemen und die Verankerung im deutschen Aktiengesetz

Die Beweggründe für die Entwicklung von Vergütungssystemen liegen auf der Hand. Seit Jahren kristallisierte sich in Bezug auf die Vergütung von Vorständen ein wachsender Unmut in der Öffentlichkeit heraus. Der Gesetzgeber reagierte daraufhin und führte Vergütungssysteme ein. In diesem Zusammenhang spielt die Anwendung der „Prinzipal-Agent-Theorie“ eine wichtige Rolle. Sie dient als eine häufig herangezogene Grundlage, ist weit verbreitet und stellt ein effizientes Steuerungs- und Überwachungsmittel dar. Zwischen dem Prinzipal und dem Agenten kann eine Informationsasymmetrie entstehen, welche jedoch unschädlich ist, da vor Vertragsschluss feststeht, dass der Agent seinen Handlungsspielraum nicht zu Lasten des Prinzipals ausnutzen darf. Im Verhältnis zwischen dem Prinzipal und dem Agenten kann es zu Interessenkonflikten kommen, da der Aktionär in der Rolle des Prinzipals an einer hohen Rentabilität seines eingesetzten Kapitals interessiert ist und der Agent, sprich der Vorstand, eine hohe monatliche Vergütung anstrebt.

Im Jahr 2009 hat der deutsche Gesetzgeber mit dem VorstAG auf die öffentliche Wahrnehmung zur Vergütungsstruktur für Vorstände in börsennotierten Gesellschaften reagiert. Die Vorlage für das VorstAG lieferte der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) mit Empfehlungen in den Ziffern 4.2 ff. DCGK. Durch diese Weichenstellung wurden verschärfte Anforderungen an die Ausgestaltung von Vergütungssystemen auf Vorstandsebene gestellt.

Für Deutschland ergab sich in Bezug auf die Neuerung zur „Say on Pay“ Regelung eine Änderung in der gesetzlichen Vorschrift des § 120 Abs. 4 AktG. Darin heißt es: „Die Hauptversammlung der börsennotierten Gesellschaft kann über die Billigung des Systems zur Vergütung der Vorstandsmitglieder beschließen.“ Gemäß dieser Rechtsvorschrift besteht für Aktionäre auf der Hauptversammlung die Möglichkeit, über die Billigung bzw. Missbilligung des Vergütungssystems zu beschließen. Es stellt sich die Frage, was das genau bedeutet und in welchem Rahmen die Aktionäre hier eine Einflussmöglichkeit auf das Vergütungssystem der Vorstände haben?

Durch die eingeführte Hauptversammlungskompetenz im Jahr 2009, ergibt sich für die Aktionäre die Möglichkeit, das Vergütungssystem der börsennotierten Gesellschaft zu bewerten und dadurch ihre Informations- und Fragerechte zu stärken. Bei dieser Kompetenzregelung handelt es sich jedoch lediglich um einen Beschlussgegenstand der Hauptversammlung, welcher nur auf Vorschlag bzw. auf Verlangen einer Aktionärsminderheit als „Top“ auf die Tagesordnung gelangt und keinen zwingenden Tagesordnungspunkt in der Hauptversammlung darstellt. Daraus ergibt sich zum Nachteil für die Aktionäre, dass diese kein zwingendes Mitbestimmungsrecht beim Vergütungssystem auf der Hauptversammlung haben.

Das System zur Vergütung des Vorstands

Gemäß § 120 Abs. 4 AktG beschließt die Hauptversammlung über das „System zur Vergütung der Vorstandsmitglieder.“ Dem Gesetzestext kann nicht genau entnommen werden, was unter einem Vergütungssystem zu verstehen ist. Hinsichtlich der Wortlautbestimmung, wird auf die Empfehlung des DCGK in der Ziffer 4.2.3 verwiesen, welche besagt, dass der Aufsichtsrat die einzelnen Vergütungskomponenten aufzuschlüsseln hat, um den Anforderungen eines Vergütungssystems gerecht zu werden.

Rechtfolgen der „Kann-Bestimmung“ zum Vergütungsvotum

Kommt es auf der Hauptversammlung zu einem missbilligenden oder billigenden Vergütungsvotum durch die Aktionäre, so entstehen für den Aufsichtsrat aus dieser „Kann-Bestimmung“ des § 120 Abs. 4 AktG keine direkten Rechtsfolgen oder unmittelbaren Verpflichtungen. Mit dieser fehlenden Rechtsfolgenlosigkeit korrespondiert auch die fehlende Anfechtbarkeit des Beschlusses. Mangels rechtlicher Verbindlichkeit, löst die bloße Willensäußerung der Aktionäre gerade keinen aktienrechtlichen Beschluss aus. Demnach fragt man sich, was die Regelung des § 120 Abs. 4 AktG eigentlich soll?

Der Gesetzgeber versprach sich durch das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung eine wirksame Kontrolle der Vergütungssysteme durch die Hauptversammlung. In der Praxis und Wissenschaft wurde diese Wirkung jedoch damals bezweifelt. Heute ist zu sagen, dass das Vergütungsvotum auf deutschen Hauptversammlungen börsennotierter Gesellschaften „angekommen“ ist und mit hohen Zustimmungsraten von den Aktionären angenommen wird. Dennoch kam es im Jahr 2013 zu einem neuen Gesetzesentwurf des § 120 Abs. 4 AktG, da die bisherige „Kann-Bestimmung“ verbindlich ins Gesetz erlassen werden sollte.

Neuer Gesetzesentwurf zu § 120 Abs. 4 AktG

Zur besseren Kontrolle über die Vorstandsvergütung, sollte im Jahr 2013 ein neuer Gesetzesentwurf des  § 120 Abs. 4 AktG erlassen werden. Der Entwurf sah zum Vorteil der Aktionäre vor, dass diese mindestens einmal jährlich ein zwingendes Votum über das vom Aufsichtsrat vorgelegte Vergütungssystem erhalten. Dadurch sollte den Aktionären eine größere Einflussmöglichkeit auf das Vergütungssystem des Vorstands eingeräumt werden, der Aufsichtsrat hätte keine Alleinentscheidungsbefugnis mehr gehabt und das Vergütungssystem wäre ein zwingender „Top“ auf der Tagesordnung gewesen. Mit dieser neuen Regelung wollte man den Aktionären ein zwingendes Mitbestimmungsrecht zur „Say on Pay“ Vorschrift einräumen und mehr Transparenz schaffen, d.h. mehr Klarheit in Bezug auf das Vergütungssystem, damit die Aktionäre sachkundige Entscheidungen treffen können.

Am 20.09.2013 hat der deutsche Bundesrat den Gesetzesentwurf jedoch gestoppt und da das Gesetzgebungsverfahren nicht vor der neuen Bundestagswahl abgeschlossen werden konnte, scheiterte der Entwurf. Die Ursachen ergaben sich u.a. daraus, dass Kritiker den Gesetzesentwurf als zu „wachsweich und wirkungslos“ empfanden und ihn ablehnten. Weiter vertraten Sie die Auffassung, dass man dem gescheiterten Gesetzesentwurf nicht „nachtrauern“ sollte, da es auf EU-Ebene bereits einen RL-Entwurf zu einem verbindlichen „Say on Pay“ gibt und mit einer Umsetzung im Jahr 2017 zu rechnen ist.

Regulierung der „Say on Pay“ Vorschrift auf EU-Ebene – was möchte die EU hiermit bezwecken?

Auf EU-Ebene gab es seit längerem Überlegungen eine neue verbindliche Hauptversammlungskompetenz für Aktionäre in börsennotierten Gesellschaften zu schaffen. Die Inspiration für die Ausgestaltung zur „Say on Pay“ Vorschrift lieferte dabei Großbritannien.

Durch die neu zu erlassende AktR-RL im Jahr 2017, beabsichtigt die Kommission zum Vorteil der Aktionäre, dass diese langfristig bei der Vorstandsvergütung einbezogen werden. Beurteilt man den europäischen RL-Vorschlag zur „Say on Pay“ Vorschrift, so ergeben sich Regelungen zur Genehmigung der Vergütungspolitik durch die Hauptversammlung gemäß Art. 9a AktR-RL und deren Abstimmung über einen Vergütungsbericht nach Art. 9b AktR-RL.

In Bezug auf die Vergütungspolitik, muss diese den Aktionären mindestens alle drei Jahre zur Genehmigung vorgelegt werden. Aus dem Wortlaut des Artikels ergibt sich die Besonderheit, dass die Mitgliedsstaaten entscheiden können, dass die Abstimmung auf der Hauptversammlung über die Vergütungspolitik zukünftig nur einen beratenden Charakter haben soll. An dieser Stelle ist zu sagen, dass die vorgesehenen europäischen Inhaltsvorgaben zur Vergütungspolitik über die deutschen Regelungen des § 120 Abs. 4 AktG hinausgehen, welche lediglich das Vergütungssystem der Vorstandsmitglieder beinhalten. Kritiker der EU-Neuregelung gehen davon aus, dass sich die europäische Änderung zur Vergütungspolitik als inhaltlich problematisch entpuppen wird. Ein weiterer negativer Aspekt ergibt sich aus der Tatsache, dass es auf EU-Ebene in Mitgliedsstaaten mit einem dualistischen Leitungssystem zu einer signifikanten Kompetenzverschiebung kommen könnte. Für Deutschland wäre mit der verbindlichen Einführung der „Say on Pay“ Vorschrift ein Systembruch verbunden, was nicht empfehlenswert ist.

Der EU-Regelung zum Vergütungsbericht in Art. 9b AktR-RL ist zu entnehmen, dass für alle Mitgliedsstaaten die Pflicht besteht, einen klaren und verständlichen Vergütungsbericht zu erstellen. Hier ergibt sich für die Aktionäre auf der Hauptversammlung das Recht, über den Vergütungsbericht des abgelaufenen Geschäftsjahres abzustimmen, was nunmehr vorteilhaft für die Anteilseigner wäre. Kommt es dabei zu einem Negativ-Votum der Hauptversammlung, so muss gemäß Art. 9b Nr. 3 AktR-RL im nächsten Vergütungsbericht dargelegt werden, ob und ggf. wie der Abstimmung der Aktionäre Rechnung getragen wurde.

Handelt es sich bei der EU-Neuregelung zur verbindlichen „Say on Pay“ Vorschrift um eine vor- oder nachteilhafte Regelung?

Beurteilt man die europäischen Neuregelungen in Bezug auf die verbindliche „Say on Pay“ Vorschrift zur Vergütungspolitik und zum Vergütungsbericht, so ist festzustellen, dass diese RL-Vorgaben einen Eingriff in die Privatautonomie und in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit darstellen. Weiter ist an der neuen AktR-RL zu kritisieren, dass die verbindlich vorgeschlagene „Say on Pay“ Vorschrift keine Unterscheidung zwischen einem dualistischem und einem monistischem System kennt und zusätzlich mit der Umsetzung ein hoher Zeit- und Kostenaufwand verbunden wäre. In diesem Zusammenhang stellen sich verschiedene Fragen: Kann diese RL so gewollt sein, dass es in Deutschland durch das dualistische Leitungssystem zu einer systemwidrigen Kompetenzverschiebung kommt und der Aufsichtsrat quasi „entmachtet“ wird? Passt die „neue EU-RL“ in das Verantwortlichkeitssystem des deutschen Rechts von heute?

Diese Fragen lassen sich mit der Antwort Nein beantworten, da die Verlagerung der Verantwortlichkeitsbereiche das Gleichgewicht der Gesellschaftsorgane stören würde. Weiter wäre mit der Umsetzung mehr Bürokratie verbunden, Wettbewerbsnachteile könnten sich für börsennotierte Gesellschaften ergeben und es würde zu einem Systembruch kommen. Gibt man also den Aktionären in ihrer „anderen Rolle“ auf der Hauptversammlung das Wort, so bestünde die Gefahr, dass es aufgrund von einem (begrenztem) Fachwissen, wechselnden Aktionären und keiner direkten Einbindung in die Unternehmensleitung, zu Schwierigkeiten und Diskussionen kommt.

Ausblick für Deutschland

Für Deutschland ist zu erwarten, dass die Bundesregierung im Jahr 2017 kein Sondergesetz erlassen wird, sondern das Inkrafttreten der Änderungsrichtlinie abwarten wird und dann ein Richtlinienumsetzungsgesetz anstrebt.

Nach Beleuchtung der Vor- und Nachteile zur verbindlichen „Say on Pay“ Vorschrift auf deutscher- und europäischer Ebene, kommen die Verfasserinnen des Artikels zu dem Fazit, dass ein zwingendes Vergütungsvotum der Aktionäre sinnvoll wäre, um einen senkenden Einfluss auf die Vorstandsvergütung in börsennotierten Gesellschaften zu nehmen. Es ist wichtig, Transparenz und Klarheit bei Vergütungssystemen zu schaffen und den Aktionären auf der Hauptversammlung das Wort zu geben. Dadurch soll ermöglicht werden, dass diese sachgerechte Entscheidungen treffen können, da gerade sie es sind, die Aktien am Unternehmen besitzen. Wiederum spricht gegen eine verbindliche „Say on Pay“ Vorschrift, dass eine solche Regelung in Deutschland systemwidrig wäre und nicht empfehlenswert ist. Aus den genannten Gründen bleibt abzuwarten, inwiefern sich die Große Koalition in einem „zweiten Anlauf“ auf ein zwingendes „Say on Pay“ im Jahr 2017 verständigen wird.

(Dieser Artikel wurde von Juliane und Theresa Heide im Dezember 2016 verfasst.)