Jahr für Jahr konnte man bei der Tagung der Regierungskommission für Corporate Governance in Berlin erleben, wie mehrfach die FDP-Justizministerin Frau Leutheusser-Schnarrenberger laut und deutlich warnte: Wenn die Herren in den Führungsetagen weiterhin kein Einsehen hätten und von sich aus für mehr Diversity sorgten, dann sei die gesetzliche Frauenquote nicht mehr zu verhindern. Damals zuckten noch viele unbeeindruckt mit den Schultern. Einige Spitzenvertreter des Managerstandes erklärten sogar auf den Podien, sie hätten natürlich längst geeignete Frauen eingestellt – wenn es nur welche gäbe. Um der „Männerwirtschaft“ ein Ende zu setzen, verabschiedete der Bundestag am 06.03.2015 das „Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in Führungspositionen.“ Welche Auswirkungen das neue Gesetz für die betroffenen Unternehmen hat und welche Pro und Contra Argumente bei der Frauenquote-Debatte auftreten, erfahren Sie im Folgenden Artikel.

Ab dem 01.01.2016 gilt für den Aufsichtsrat von Unternehmen, die börsennotiert sind und der paritätischen Mitbestimmung nach dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (MitbestG), dem Montan-Mitbestimmungsgesetz (Montan-MitbestG) oder dem Montan-Mitbestimmungsergänzungsgesetz (MitbestErgG) unterliegen, eine fixe – genderneutral formulierte – Geschlechterquote  von mindestens 30 %. Wann eine Gesellschaft börsennotiert ist, ist in § 3 Abs. 2 AktG kodifiziert. Eine paritätische Mitbestimmung heißt, dass sich der Aufsichtsrat zur einen Hälfte aus Vertretern der Arbeitnehmer und zur anderen Hälfte aus Vertretern der Aktionäre zusammensetzt. Die Quotenregelung gilt dabei nur für Unternehmen, die die Voraussetzungen „börsennotiert“ und „paritätisch-mitbestimmt“ kumulativ erfüllen. Somit sind die großen Publikumsgesellschaften (mit in der Regel mehr als 2000 Arbeitnehmern) in der Rechtsform der Aktiengesellschaft (AG) und der Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) von der fixen Quotenregelung betroffen. In Deutschland findet die neue Regelung auf insgesamt rund 100 Unternehmen Anwendung. Im Übrigen gilt die Quotenregelung auch für Gesellschaften in der Rechtsform der SE, § 17 Abs. 2 SEAG und § 24 Abs. 3 SEAG.

Grundsatz der Gesamterfüllung

Nach dem neuen Gesetz muss sich der Aufsichtsrat bei neu zu besetzenden Stellen zu mindestens 30 Prozent aus Frauen und zu mindestens 30 Prozent aus Männern zusammensetzen. Diese Mindestquote gilt gem. § 96 II S. 2 AktG grundsätzlich für den gesamten Aufsichtsrat als Organ (Gesamterfüllung).

Widerspruch gegen die Gesamterfüllung

Dieser Gesamterfüllung kann jedoch nach § 96 II S. 3 AktG von der Anteilseigner- oder der Arbeitnehmerseite vor jeder Wahl widersprochen werden, so dass jede Bank die Mindestquote für diese Wahl gesondert zu erfüllen hat (Getrennterfüllung).

Berechnung der fixen Geschlechterquote

Die fixe 30 %-Geschlechterquote berechnet sich gemäß § 96 Abs. 2 S. 4 AktG nach den mathematischen Regeln zur Auf- bzw. Abrundung, sodass erst ab einer Dezimalzahl von 0,5 oder mehr aufzurunden ist. Dies führt allerdings in der Praxis zusammen mit der Möglichkeit des Widerspruchs gegen die Gesamterfüllung zu erheblichen Konsequenzen für die notwendige Zusammensetzung des Aufsichtsrats. Das nachfolgende Beispiel eines aus 16 Mitgliedern bestehenden Aufsichtsrats soll diese Problematik besser verdeutlichen: Im Falle der Gesamterfüllung müssen insgesamt fünf Mitglieder dem unterrepräsentierten Geschlecht angehören (16 x 30 % = 4,8; aufgerundet 5), was einer Quote von 31,25 % entspricht. Im Falle der Getrennterfüllung müssen dagegen insgesamt lediglich vier Mitglieder dem unterrepräsentierten Geschlecht angehören. (16/2 = 8; 8 x 30 % = 2,4; abgerundet für jede Bank: 2). Das Beispiel zeigt also, dass die Quote des unterrepräsentierten Geschlechts hierbei lediglich 25% beträgt.

Folgen eines nachträglichen Widerspruchs

Was passiert eigentlich, wenn eine Seite zunächst übererfüllt und keinen Widerspruch gegen die Gesamterfüllung einlegt. Ist sie weiterhin verpflichtet auch in Zukunft zu übererfüllen oder kann eine Übererfüllung im späteren Zeitverlauf entfallen? Der § 96 II S. 5 AktG regelt solche Fälle, bei denen die übererfüllende Seite nicht gezwungen ist, beispielsweise beim vorzeitigen Ausscheiden eines Aufsichtsratsmitglieds, selbst wieder überzuerfüllen. Sie ist nunmehr frei Widerspruch gegen die Gesamterfüllung einzulegen und unter Einhaltung der getrennt berechneten 30-Prozent-Quote – etwa anstelle einer ausgeschiedenen Frau – einen Mann in den Aufsichtsrat aufzunehmen. Die Wahl des Aufsichtsratsmitglieds auf der anderen Seite, das unter Inanspruchnahme der Anrechnungsregelung gewählt worden ist, bleibt bis zum Ablauf der Wahlperiode wirksam. Scheidet dieses Aufsichtsratsmitglied aber vor dem regulären Ablauf der Wahlperiode aus anderen Gründen aus, so entfällt auch die Anrechnungswirkung. Für eine Ersatzbestellung oder Neuwahl ist dann wieder die 30-Prozent-Quote zu beachten.

Sanktionen bei Nichteinhaltung der fixen Quote von 30 %

Als Rechtsfolge des Nichterreichens der fixen Geschlechterquote ist in § 96 Abs. 2 S. 6 AktG „das Prinzip des leeren Stuhls“ und damit die Nichtigkeit beschrieben. Der quotenwidrig Gewählte oder Entsandte ist damit von Anfang an nicht Aufsichtsratsmitglied. Auf Seiten der Arbeitnehmer ist die Frage, wessen konkrete Wahl gegen die Quote verstößt, anhand des Wahlergebnisses zu ermitteln. Bei Wahlen der Kandidaten der Anteilseignerbank hat der Versammlungsleiter bereits Abstimmungen dann nicht zur Wahl zuzulassen, wenn mit einfachen Rechenschritten festgestellt werden kann, dass die Wahl zu einem Verstoß gegen die fixe Geschlechterquote führt. Wird die fixe Geschlechterquote auf Seiten der Anteilseigner dennoch verfehlt, hängt die Frage, wessen konkrete Wahl nichtig ist, von der Art der Wahl ab: Bei einer Einzelwahl ist der Wahlbeschluss nichtig, der nach chronologischer Abfolge als erster die Mindestquote verletzt. Maßgeblich hierfür ist die zeitliche Reihenfolge der Verkündung des Beschlusses. Bei der Listen- oder Blockwahl soll die gesamte Wahl hinsichtlich des überrepräsentierten Geschlechts nichtig sein, d.h. die Kandidaten des unterrepräsentierten Geschlechts sind auch bei der Blockwahl wirksam gewählt. In der Praxis haben aber die leeren Stühle in der Regel keine große Auswirkung bei der Beschlussfassung. Der Aufsichtsrat bleibt, soweit es nicht auf die Stimme des quotenwidrig gewählten Aufsichtsratsmitglieds ankommt, weiterhin beschlussfähig.

Von der Zielgrößenregelung betroffene Unternehmen

Die zweite Maßnahme zur Erhöhung des Frauenanteils in Führungsebenen ist die Verpflichtung für Unternehmen, die börsennotiert oder mitbestimmt sind, konkrete Zielgrößen für Aufsichtsräte festzulegen gemäß § 111 Abs. 5 AktG und darüber gemäß § 289 a HGB zu berichten. Von der Zielgrößenregelung sind neben den Aktiengesellschaften (AG) und den Kommanditgesellschaften auf Aktien (KGaA) auch Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH), eingetragene Genossenschaften (eG) und Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (VVaG) betroffen. Zu den von den Regelungen erfassten mitbestimmten Unternehmen gehören nicht nur Unternehmen, die der paritätischen Mitbestimmung unterliegen, sondern auch drittelmitbestimmte Unternehmen nach dem Drittelbeteiligungsgesetz (DrittelbG). Dabei handelt es sich um Unternehmen mit in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmern. Insgesamt sind von den Verpflichtungen zur Festlegung von Zielgrößen rund 3.500 Unternehmen betroffen. Eine Mindestzielgröße für die festzulegenden Zielgrößen ist grundsätzlich nicht vorgesehen. Allerdings gilt die Vorgabe des sogenannten „Verschlechterungsverbots“: Liegt der Frauenanteil unter 30 Prozent, so dürfen die Zielgrößen den jeweils erreichten Anteil nicht mehr unterschreiten. Die Pflicht zur Festlegung von Zielgrößen und Fristen gilt seit dem Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Mai 2015 und muss bis zum 30. September 2015 erstmals erfüllt werden. Die festzulegende Frist bis zur Erreichung dieser ersten Zielmarke darf nicht länger als bis zum 30. Juni 2017 dauern. Ab der „nächsten Runde“ können die Fristen dann bis zu fünf Jahre lang sein.

Bindungswirkung der festgesetzten Zielgrößen?

Im Gegensatz zur fixen Quotenregelung nach § 96 Abs. 2 S. 1 AktG, handelt es sich bei den von den Unternehmen selbst festgelegten Quoten um eine unternehmenspolitische Entscheidung, die zum Ausdruck bringt, welche Zielgrößen nach der Vorstellung des zuständigen Organs erreichbar sind und angestrebt werden sollten. Sie erzeugt aber keine rechtliche Bindung und begründet auch keine Rechte von Dritten. Die Wahlfreiheit der berechtigten Gremien wird durch die Zielvorgaben nicht eingeschränkt. Es besteht somit insbesondere keine Pflicht, ein zu besetzendes Aufsichtsratsmandat nicht mit einem Mann zu besetzen bzw. frei zu lassen, wenn keine geeignete Frau zur Wahl steht.

Sanktionen bei Nichteinhaltung von Zielgrößen

Gesetzliche Sanktionen für die Nichteinhaltung der selbst gesetzten Quoten bestehen nicht, sie beschränken sich auf die ggf. negative Öffentlichkeitswirkung im Rahmen der Berichtspflicht. Mit Sanktionen ist nur dann zu rechnen, wenn keine Zielvorgaben gemacht wurden oder nicht berichtet wird. Werden beispielsweise keine Zielgrößen und Fristen für deren Erreichung festgelegt, so können auch die Berichtspflichten nach dem Handelsgesetzbuch nicht erfüllt werden. Bei unvollständigen Lageberichten kann ein Bußgeld bis zu 50.000 Euro verhängt werden gem. § 334 HGB.

Pro und Contra Frauenquote

Über das Thema Frauenquote wird in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft kontrovers diskutiert. Im Folgenden werden auf die wichtigsten Argumente für und gegen eine Frauenquote eingegangen. Die Befürworter der Quote argumentieren damit, dass die Frauen die Hälfte der Bevölkerung repräsentieren und es ungerecht sei, wenn allein aufgrund historischer Entwicklungen keine Gleichstellung durchgesetzt würde. Die Kompetenzen seien darüber hinaus über die Geschlechter gleichverteilt und eine Diskriminierung daher auch ökonomisch von Nachteil. Nach einer Studie der Unternehmensberatung McKinsey aus dem Jahr 2007 sind Unternehmen, in denen mehr Frauen in der obersten Führungsetage vertreten sind, erfolgreicher – sowohl in organisatorischer als auch in finanzieller Hinsicht. Wenn man über die Gründe für den Mehrerfolg nachdenkt, so kommt man schnell auf das Argument der besseren bzw. anderen Soft Skills, die Frauen auszeichnet. Die Rede ist von einem anderen Führungsverhalten. Ihnen wird ein verantwortlicheres und sozialeres, nachhaltigeres und weniger egoistisches Führungsverhalten zugeschrieben. Alles Attribute, die unter dem Strich den Unternehmenserfolg fördern. Andere Protagonisten führen an, dass die Frauen auch die Hälfte der Nachfrager für die Unternehmen stellen und daher auch auf der Angebotsseite adäquat vertreten sein sollten, um die Kunden besser verstehen zu können. Schließlich erhöhe die Quote auch die Attraktivität der Unternehmen als Arbeitgeber und erhöhe deren gesellschaftliches Ansehen.

Das stärkste Argument der Gegner der Frauenquote, ist, dass die “Quotenfrauen” keine Anerkennung im Unternehmen erfahren würden, weil sie sich nicht über ihre Leistung, sondern nur über ihr Geschlecht für die Position qualifiziert hätten. Dies wird insbesondere von Frauen angeführt, die nicht in diese Rolle gedrängt werden möchten. Außerdem würde eine Quote die unternehmerische Freiheit einschränken und unser System in Richtung Planwirtschaft bewegen, was nicht gewollt sein kann. Auch wäre damit die Abkehr vom Leistungsprinzip verbunden, was das Gesamtsystem schwächen und nicht stärken würde. Nicht zuletzt bringt die Frauenquote im Umkehrschluss eine DIskriminierung der Männer mit sich und man könne wohl nicht eine Gleichstellung fordern und Instrumente der Ungleichbehandlung einsetzen. Unabhängig von solchen prinzipiellen Einwendungen müsse auch ganz praktisch bedacht werden, dass es nicht ausreichend qualifizierte Kandidatinnen geben würde, die im Falle der ad hoc Einführung einer Quote die Lücke schließen könnten.

Stellungnahme

Diskussionen zu einer gesetzlichen Frauenquote gab es schon seit den frühen 80er Jahren. Alle Bemühungen des Gesetzgebers, den Frauenanteil in der Privatwirtschaft zu erhöhen haben zu keiner nennenswerten Besserung geführt. Ursächlich für den geringen Anteil an Frauen in Führungspositionen ist nicht der Mangel an qualifizierten Frauen, sondern die Tatsache, dass nicht nach ihnen Ausschau gehalten wird. Männer in den wichtigen Entscheidungsgremien fördern vor allem diejenigen, die ihnen ähnlich sind. Dabei fällt der Blick in der Regel eher auf einen Mann als auf eine Frau. Eine gesetzliche Frauenquote von mindestens 30 Prozent zwingt die Entscheidungsträger ihre Blickwinkel zu öffnen und beide Geschlechter bei der Besetzung von Führungspositionen in Betracht zu ziehen. Der Eingriff des Gesetzgebers war an dieser Stelle notwendig. Damit der Frauenanteil in den Aufsichtsräten weiterhin steigen kann, müsste das Gesetz durch Frauenförderprogramme flankiert werden. Die Einführung der Frauenquote hat zwar die ungleiche Repräsentanz von Frauen und Männern im Aufsichtsrat nicht vollkommen beendet, jedoch hat es dazu beigetragen, das Ende der Männerwirtschaft zu beschleunigen.