Derzeit beschäftigen sich die Europäische Kommission, das Europäische Parlament und der Rat in einem informellen Trilog zur Änderung der Aktionärsrechterichtlinie. Am 7. Mai 2015 wurde der Berichtsentwurf (Vorschlag COM(2014)213) zwar mit 13 zu 10 Stimmen angenommen, jedoch hatte das Europäische Parlament noch erhebliche Änderungsvorschläge geäußert. Grund für die Änderung ist, dass die Europäische Kommission erkannt hat, dass es wichtig ist, einen modernen und wirksamen Corporate Governance Rahmen für europäische Unternehmen, Anleger und Beschäftigte herzustellen, um mit Veränderungen des wirtschaftlichen Umfelds besser umzugehen. Mit einer Entscheidung ist nicht vor Mitte nächsten Jahres (2017) zu rechnen.
Lesen Sie nun die möglichen und wichtigsten Änderungen dieser Richtlinie sowie die Ziele.
Transparenz
Transparenz ist eines der größten Themen im Änderungsvorschlag zur Aktionärsrechterichtlinie. Es hat sich gezeigt, dass die aktuelle Fassung nicht genügend Transparenz in den folgenden Punkten bietet:
- Identifizierung der Aktionäre
- Überwachung von Transaktionen mit nahe stehenden Unternehmen und Personen durch die Aktionäre
- Einbeziehung bei institutionellen Anlegern und der Vergütung der Unternehmensleitung
- Stimmrechtsvertretung durch einen Berater
- Informationsübermittlung und Gebühren
Daher sollten einheitliche Transparenzanforderungen für alle EU-Mitgliedsstaaten existieren, um einheitliche Ausgangsbedingungen zu schaffen. Ziel ist es, zur Tragfähigkeit von EU-Unternehmen beizutragen, das Umfeld der Aktionäre zu verbessern sowie die Stimmrechtsausübung über die Grenzen. Dafür müssten vorab bestimmte Ziele erreicht werden. Dieser Blogbeitrag beschäftigt sich daher mit den möglichen Änderungen der eben genannten Punkte. Zusätzlich lesen Sie am Ende noch etwas zum Thema „Steueroptimierung“.
Identifikation der Aktionäre | Datenschutz
Besitzen Anleger bzw. Aktionäre Wertpapiere in verschiedenen Ländern, erweist es sich als sehr schwierig, die damit verbundenen Rechte auszuüben, denn das Problem bezieht sich auf die Weiterleitung der Informationen. Diese werden oftmals nicht oder nicht rechtzeitig an die Aktionäre weitergegeben, sodass diese häufig innerhalb einer kurzen Zeit eine Entscheidung treffen müssen, die in vielen Fällen suboptimal sein könnte.
Um dieses Problem zu lösen, sodass Informationen rechtzeitig an die Aktionäre übersendet werden können, sind Änderungen zur Identifikation der Aktionäre geplant. Das Ziel ist es, dass die Unternehmen an die „wahren“ Aktionäre herankommen. Dadurch soll es dem Aktionär erleichtert werden, seine Rechte unproblematisch auszüben. Dafür soll jedes Unternehmen eine Liste bzw. ein Verzeichnise erstellen, die Angaben über den Namen, den Kontaktdaten, der Anzahl der von ihnen gehaltenen Aktien und Stimmrechte beinhalten (Art. 3a Abs. 2 Nr. 2 S. 1). Um dies besser umsetzen zu können, werden die Finanzintermediäre zur Offenlegung der Depots verpflichtet sowie zur Weiterleitung der Informationen über die Aktionäre an das Unternehmen (Art. 3a Abs. 2 Nr. 2 S. 3).
Die Identifizierung der Aktionäre hat jedoch Auswirkungen auf die Grundrechte (Art. 16 AEUV). Es muss daher sichergestellt werden, dass die personenbezogen Daten der Aktionäre der Verarbeitung der Richtlinie 95/46/EG entspricht. Daher muss bei der Identifikation der Aktionäre ein Gleichgewicht geschaffen werden, um eine Erleichterung der Ausübung von Aktionärsrechten und dem Recht auf Privatsphäre und den Schutz personenbezogener Daten zu finden.
Das Europäische Parlament unterstützt die Auffassung, die Identität der Inhaber ggü. den Gesellschaften, die die Namensaktien ausgeben, zu informieren. Ist ein Aktionär damit nicht einverstanden, soll er das Recht zur Nichtoffenlegung bekommen. Die Kommission vertritt die Auffassung, dass durch die zusätzlichen Informationen der Corporate Governance-Dialog zwischen den Unternehmen und seinen Aktionären verbessert werden könnte.
Transaktionen mit nahestehenden Unternehmen und Personen
Der Änderungsentwurf sieht vor, die Transparenz und die Überwachung von Transaktionen mit nahe stehenden Unternehmen und Personen durch die Aktionäre zu verbessern und die bestehenden Vorschriften zu verschärfen, da es derzeit an einer Überwachung mangelt. (Transaktionen mit nahestehenden Unternehmen oder Personen liegen dann vor, wenn diese zwischen einem Unternehmen und seinen Geschäftsführern, Mitgliedern der Unternehmensleitung, kontrollierenden Unternehmen oder Aktionären erfolgen.)
Derzeit gibt es erhebliche Unterschiede in den geltenden Vorschriften der einzelnen EU-Mitgliedstaaten im Bezug auf eine hinreichende Transparenz von Transaktionen mit nahe stehenden Unternehmen und Personen durch die Aktionäre. Sie haben keinen ausreichenden Zugang zu Informationen, wenn geplante Transaktionen durchgeführt werden. Um gegen missbräuchliche Transaktionen vorzugehen, fehlt es ihnen an den geeigneten Instrumenten. Damit liegt ein ungleiches Maß an Transparenz und Anlegerschutz vor. Möchten Anleger die Unternehmen überwachen, so ist das grenzüberschreitend mit Schwierigkeiten und Kosten verbunden.
Um die Änderungen einzuführen, soll ein neuer Artikel geschaffen werden (Art. 9c), welcher Transaktionen mit nahe stehenden Unternehmen und Personen regelt. Das Unternehmen, das eine geplante Transaktion durchführt, in der das Vermögen mehr als 5 % betroffen ist oder erhebliche Auswirkungen auf den Gewinn bzw. Umsatz haben könnte, müssten zukünftig durch die Aktionäre genehmigt werden. Betrifft eine Transaktion eines Unternehmens zwar mehr als 1% des Vermögens, aber weniger als 5%, so muss die Transaktion börsennotierter Gesellschaften zum Zeitpunkt ihres Abschlusses öffentlich bekannt gemacht werden. Der Bekanntmachung muss zusätzlich einen Bericht eines unabhängigen Dritten beigefügt werden, der die Transaktion bewertet. In der Bewertung wird bestätigt, dass diese zu marktüblichen Bedingungen getätigt wird und das diese aus Sicht der Aktionäre fair und vernünftig ist. Zuäsätzlich muss die Art des Verhältnisses, die Namen der nahe stehenden Unternehmen oder Personen sowie den Betrag der Transaktion und alle weiteren für die Bewertung der Transaktion erforderlichen Informationen enthalten.
Damit bekommen die Aktionäre, meist Minderheitsaktionäre, mehr Kontrollrechte in Bezug auf Transaktionen und können dadurch besser geschützt werden. Außerdem erhalten sie mehr Transparenz sowie ein unabhängiges Gutachten, wenn wichtige geplante Transaktionen mit nahe stehenden Unternehmen und Personen durchgeführt werden. Gelten die Transaktionen für Minderheitsaktionäre, die zwischen dem Unternehmen und Mitgliedern seiner Gruppe erfolgen, die sich vollständig im Besitz der börsennotierten Gesellschaft befinden, soll die neue Regelung nicht greifen (Ausnahme).
Vergütungspolitik
Derzeit besteht eine unzureichende Verknüpfung von Vergütung und Leistung der Mitglieder der Unternehmensleitung. Aktuell sind die Informationen über die Vergütung nicht umfassend, eindeutig und vergleichbar. Mit einer Änderung könnten diese besser kontrolliert werden, was für mehr Transparenz sorgen würde. Geplant ist deshalb die Veröffentlichung der Vergütungspolitik sowie die Offenbarung und die Überwachung der tatsächlichen Vergütung der Unternehmensleitung. Ferner soll es verhindert werden, dass Vergütungsstrategien angewendet werden, die eine persönliche Belohnung mit sich bringen. Wird diese Änderung umgesetzt, könnten so Interessenkonflikte bei den Unternehmen vermieden werden. Dies könnte zusätzlich zu einer Vergütung anhand der tatsächlichen Leistung führen. Die Höhe soll von den Unternehmen und ihren Aktionären festgelegt werden und ist deshalb im Vorschlag nicht geregelt. (Art. 9a, 9b)
Die Änderung sieht außerdem vor, die Aktionäre in der Entscheidung über die Vergütungspolitik der Mitglieder der Unternehmensleitung zu involvieren. Sie sollen das Recht bekommen, mind. alle 3 Jahre über die Vergütungspolitik abzustimmen (dem sog. „Say on Pay“). Ein weiterer Grund für eine Änderung könnte langfristigen Aktionären Anreize bieten, zum Beispiel durch zusätzliches Stimmrecht, Steuererleichterung oder Treuedividenden.
Stimmrechtsvertretung durch einen Berater
Die Stimmrechtsvertretung durch einen Berater ist sinnvoll, um eine Vielzahl von (grenzüberschreitenden) Aktionären in komplexen Fragen zur Seite zu stehen. Die Berater dienen außerdem zur Kontrolle von Vermögensverwaltern durch die Eigentümer von Vermögenswerten. Dafür setzen sie gewisse Methoden ein. Bei der Ausübung wurden jedoch zwei Mängel festgestellt:
- die angewendeten Empfehlungsmethoden sind nicht immer ausreichend und tragen nicht zu den Marktbedingungen und den Rechtsvorschriften des jeweiligen EU-Mitgliedsstaates bei.
- Die Berater sind nicht immer objektiv und zuverlässig, da sie ebenfalls Dienstleistungen für Emittenten (Finanzmarkt) erbringen.
Aufgrund der genannten Mängel und der fehlenden Transparenz der Berater, ist eine bindende Vorschrift zur Offenlegung der Methoden der Beraterfunktion geplant, wie diese die Stimmrechtsvertretung auszuüben haben (Art. 3i). In dieser soll geregelt werden, die die Berater angemessene Maßnahmen ergreifen und umsetzen sollen, damit gewährleistet werden kann, dass die Stimmempfehlungen richtig und zuverlässig sind. Dies soll mit den zur Verfügung stehen Informationen auf einer vorherigen und sorgfältigen Prüfung erfolgen, damit bestehende oder potenzielle Interessenkonflikte oder Geschäftsbeziehungen nicht beeinflusst werden. Daher werden sie zur Veröffentlichung der bekannt gegeben Informationen verpflichtet.
Informationsübermittlung und Gebühren
Aufgrund von unterschiedlichen Handhabungen der Informationsübermittlung, ist eine Änderung vorgesehen. Dritte (Finanzintermediäre) sollen eingesetzt werden, wenn die Kommunikation nicht direkt zwischen dem Unternehmen und dem Aktionären erfolgt. Sie werden verpflichtet, die Informationen (zur Ausübung des Aktionärsrechts) direkt und unverzüglich weiterzuleiten. Bei einer sog. Verwahrkette, bei dem mehr als ein Finanzintermediär eingesetzt werden, sollen die Informationen direkt von einem zum nächsten weitergeleitet werden.
Da es Unterschiede bei den Gebühren der Finanzintermediäre bei grenzüberschreitenden Aktienbeständen gibt, ist eine weitere Änderung geplant. Gebühren, Preise und Entgelte, die die Finanzintermediäre für erbrachte Dienstleistungen selber festlegen, sind zu offenbaren (Art. 3d). Die Gebühren sollten diskriminierungsfrei und verhältnismäßig sein. Bestehen doch Unterschiede zwischen den Entgelten für die Ausübung von Rechten in einem EU-Mitgliedsstaat, so sind diese hinreichend zu begründen.
Steueroptimierung | Steuertransparenz
Das Europäische Parlament hat in der 1. Lesung im Juli 2015 einen neuen Artikel über die Offenlegungspflichten der Unternehmen eingebracht. Hierbei soll das sog. Country-by-country (Aufschlüsselung des Ergebnisses vor Steuern nach dem Mitgliedsstaat) hinzugefügt werden. Politisch gesehen, ist ein starker Wille vorhanden, diese länderspezifische Steuerberichterstattung umzusetzen. Die Zustimmung beim Europäischen Parlament fand ferner eine Verpflichtung für große Unternehmen, eine Länderberichterstattung über die Steuer auf den Gewinn, den Verlust sowie erhaltene staatliche Beihilfen, zu veröffentlichen.
Wie bereits unter dem Punkt „Vergütungspolitik“ geschrieben, sollen Aktionäre das Recht bekommen, mind. alle 3 Jahre über die Vergütung der Mitglieder der Unternehmensleitung abzustimmen. Dies sollte der Transparenz dienen und könnte ein langfristiges Engagement der Aktionäre im Unternehmen verstärken. Ziel der Steuertransparenz ist die Verpflichtung zum Country-by-country reporting. Damit soll sichergestellt werden, dass multinationale Unternehmen ihre Steuererklärung in jedem Land, in dem sie tätig sind, offenlegen.
Zusammenfassung der Ziele
- Identifizierung der Aktionäre zur Erleichterung der Übermittlung grenzüberschreitender Informationen
- Verbesserung der Transparenz und Überwachung von Transaktionen von nahe stehenden Unternehmen und Personen durch die Aktionäre
- Verknüpfung von Vergütung und Leistung der Mitglieder der Unternehmensleitung sowie Mitspracherecht der Aktionäre
- Stimmrechtsvertretung durch einen Berater durch die Offenlegung der Empfehlungsmethoden
- Einheitliche Gebühren der Finanzintermediäre für erbrachte Dienstleistungen
- Steuertransparenz in Form des Country-by-country reporting