Mit dem Art. 9 GG Abs. 3 ist ein Streikrecht für jedermann und alle Berufsgruppen tief in unserer Gesellschaft verankert. Gerade in Zeiten weltweit agierender Konzerne und stetig wachsenden technischen Fortschritts ist es von essentieller Bedeutung, dass es Arbeitnehmern möglich bleibt, individuelle und kollektive Interessen durchsetzen zu können.
Trotz des umfassenden und aussagekräftigen Art.9 III GG gibt es Berufsgruppen, die von den oben genannten Vorteilen keinen Nutzen ziehen können. Das Streikrecht, das für Arbeitnehmer so wichtig ist, soll für Beamte nicht gelten.
So entschied das Bundesverwaltungsgericht im Fall einer verbeamteten Klägerin gegen ein Streikrecht.
Sachverhalt und Urteil
Eine, zum damaligen Zeitpunkt noch verbeamtete Lehrerin nahm im Januar und Februar 2009, sowie im Juni 2010 an Arbeitskampfmaßnahmen teil, zu denen die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) aufgerufen hatte. Die Maßnahmen sollten insbesondere bekämpfen, dass Arbeitsbedingungen sich verschlechtern und dass sich die Arbeitszeiten für Lehrkräfte verlängern.
Der Dienstherr bzw. die Schulbehörde reagierte mit einem diziplinarischen Verweis, der u.a. eine Strafzahlung von 1500 Euro beeinhaltete. Ihre dagegen erhobene Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Im Urteil. vom 27. Februar 2014 wird darauf abgestellt, dass Beamte derzeit keine Berechtigung hätten kollektiven Kampfmaßnahmen bei zu wohnen.
Dies ergebe sich aus der Rechtssprechung welche auf den Art. 33 Abs. 5 GG verweißt. Dabei handelt es sich nur um einen Kernbestand von Strukturprinzipien, die allgemein während eines längeren, Tradition bildenden Zeitraums, mindestens unter der Reichsverfassung in Weimar, als verbindlich anerkannt und gewahrt worden sind.
Die Klägerin plädiert weiterhin erfolglos darauf, dass es Beamten außerhalb des genuin hoheitlichen Bereichs gemäß Art. 11 EMRK möglich sein muss, Interessen gegenüber dem Dienstherren durch zu setzen. Als Lehrkraft ist dies besonders von Bedeutung, da es im Lehramt sowohl verbeamtete Arbeitskräfte als auch Angestellte, damit also Arbeitnehmer im Sinne des Gesetztes gibt. Dem BVerwG, Beschluss vom 26.02.2015 – 2 B 6.15 ist folgendes zu entnehmen:
„Es ist Aufgabe des Bundesgesetzgebers, einen Ausgleich zwischen den inhaltlich unvereinbaren Anforderungen des Art. 33 Abs. 5 GG und des Art. 11 EMRK herzustellen. Solange dies nicht geschehen ist, beansprucht das beamtenrechtliche Streikverbot nach Art. 33 Abs. 5 GG weiterhin Geltung (Rn. 23, 32, 57) und ist disziplinarisch zu ahnendes Recht“
Die daraufhin eingelegte Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision wird mit dem BVerwG, Urteil vom 27.02.2014 – 2 C 1.13 zurückgewiesen.
Kontroverse um Art.33 Abs. 5 GG und Art. 11 EMRK
Die hier grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage ist, ob Art. 33 Abs.5 GG unter Berücksichtigung des Art. 11 EMRK dahingehend ausgelegt werden kann, dass auch Beamten ein Streikrecht zu zusprechen ist.
Beachtet man die Situation so ist zu erwähnen das längst nicht mehr alle Lehrer Beamte sind. So gibt es heute viele Lehrer die Angestellte also Arbeitnehmer sind die aber der gleichen Tätigkeit nachgehen, wie ihre verbeamteten Kollegen. Durch die Anstellung steht diesem Teil allerdings auch ein Streikrecht zu. Dies führt zu Ungleichheiten insbesondere im Bereich der Arbeitsbedingungen bzw. Besoldung.
Des Weiteren ist zu erwähnen, dass sich das Lehramt außerhalb des genuin hoheitlichen Bereich befindet. Beamte innerhalb des genuin hoheitlichen Bereichs sind laut Art. 11 EMRK Abs. 2 Berufsgruppen „die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die nationale oder öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer“. Die unterrichtende Tätigkeit wird hier nicht mit eingeschlossen. Die Europäische Menschenrechtskonvention spricht mit Art.11 EMRK also auch verbeamteten Lehrern ein Streikrecht zu. Dem gegenüber steht Richterrecht welches, wie oben erwähnt, auf Art. 33 Abs. 5 GG basiert.
Fazit
Die Integration der Grundsätze der Europäischen Menschenrechtskonvention und der damit zusammenhängende Ausgleich zwischen Angestellten und Beamten (Lehrern) sollte durch höchstrichterliche Rechtssprechung eindeutig geklärt werden.
Es ist merkwürdig das die Klägerin des Urteils vom 27. Februar 2014 nicht vor den EuGH gekommen ist – oder dass der BVerfG auf Grund der Hierarchie der Normen die Ungleichbehandlung aufgehoben hat. Die Hierarchie der Normen sieht vor, dass EU-Recht anwendungsvorrang zu Nationalen Recht findet.
Hätte der BVerfG Auslegung oder Anwendung Schwierigkeiten bei dem Art. 11 EMRK gehabt wäre der BVerfG verpflichtet wie jede letzte Instanz eine präjudizielle Frage an den EuGH zustellen. Hier beispielsweise um die Streikfreiheit der Beamten in Sinne des Art. 11 EMRK. Dieses Verfahren lässt sich darauf zurückzuführen dass es keine EU Gerichte gibt Außer dem EuGH, und diesem obliegt es Richtlienien und Verordnungen auszulegen. Die interpretation des EuGHs beeinflusst massgeblich die Entscheidung der nationalen Instanz – deswegen muss die nationale Instanz ihre Verfahren anhalten bis sie die Antwort des EuGHs hat.
Beamte genießen in Deutschland einige Privilegien, die einem normalen Arbeitnehmer nicht zustehen. Angefangen von einer staatlichen Pension, die um einiges höher ist als eine normalen Arbeitnehmerrente, was unter anderem daran liegt, dass die Anrechnungszeiten sich anderweitig manifestieren. Hochschulausbildungen werden beispielsweise bei der gesetzlichen Rentenversicherung anders als im öffentlichen Dienst überhaupt nicht mehr rentensteigernd berücksichtigt. Zudem genießen Beamte das Privileg einer privaten Krankenversicherung bei deutlich geringerer Selbstbeteiligung als bei einem normalen Rentner. Dazu bekommen besondere Kündigungsschutzrechte, Ehegattenzuschlag und höhere Kindergeldsätze. Unter diesen Gesichtspunkten sind Beamte um einiges besser aufgestellt als normale Arbeitnehmer und deren Arbeitsplätze sind selbst bei gravierenden wirtschaftlichen Umständen nicht gefährdet. Unter diesem Aspekt glaube ich, dass es den Beamten in Deutschland an nichts mangelt und ihnen demzufolge das Streikrecht nur sehr eingeschränkt zur Verfügung stehen sollte. Eingeschränkt deshalb, weil ich, genauso wie die Verfasserin, der Ansicht bin, dass es beispielsweise auch Lehrer und Lehrerinnen gibt, die nicht mehr verbeamtet werden und damit den Status als normale Arbeitnehmer innehaben. Denen muss das Streikrecht gewährt werden, insbesondere dann, wenn sie damit auf die schulischen Missstände, die leider auch im Jahre 2018 in Deutschland immer noch herrschen, aufmerksam machen.