Am 04.11.2015 entschied der 7. Senat des BAG, dass wahlberechtigte Leiharbeitnehmer auf Stammarbeitsplätzen für den Schwellenwert, nach § 9 Abs. 1 MitbestG, von in der Regel mehr als 8.000 Arbeitnehmern mitzuzählen sind. Der § 9 MitbestG regelt hierbei grundsätzlich die Wahlart, durch welche die Arbeitnehmervertreter von den Arbeitnehmern, in den Aufsichtsrat des Unternehmens gewählt werden und er ist somit eine der wesentlichen Rechtsnormen für die unternehmerische Mitbestimmung. Das BAG setzt durch dieses Urteil den vor einigen Jahren eingeschlagenen Weg fort, Leiharbeitnehmer bei diversen Schwellenwerten mitzuzählen und damit ihre Stellung in der Arbeitswelt zu stärken.

Grundsätzliche rechtliche Regelung

Nach den Entscheidungen der vergangenen Jahre ( BAG 18.10.2011 – 1 AZR 335/10 ; BAG 24.01.2013 – 2 AZR 140/12; BAG 13.03..2013 – 7 ABR 69/11), erstreckte das Gericht seine Rechtsprechung nun auch auf den Bereich der Unternehmensmitbestimmung. Nach § 9 Abs. 1 MitbestG werden die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer eines Unternehmens mit in der Regel mehr als 8.000 Arbeitnehmern durch Delegierte gewählt, sofern nicht die wahlberechtigten Arbeitnehmer die unmittelbare Wahl beschließen. Der  § 9 Abs. 2 MitbestG bestimmt, dass die Wahl in Unternehmen mit in der Regel nicht mehr als 8.000 Arbeitnehmern in unmittelbarer Wahl zu erfolgen hat, sofern nicht die wahlberechtigten Arbeitnehmer die Wahl durch Delegierte beschließen.

Sachverhalt

Im vorlieghenden Fall entschied das BAG über einen Antrag von 14 Arbeitnehmern des  Reifenherstellers Goodyear Dunlop. Im betreffenden Unternehmen hatte der Hauptwahlvorstand unter Einbeziehung von 444 auf Stammarbeitsplätzen eingesetzten wahlberechtigten Leiharbeitnehmern, für die Aufsichtsratswahl im Jahr 2011, eine Gesamtbeschäftigtenzahl von 8.341 Personen festgestellt.  Gemäß § 9 Abs. 1 MitbestG waren die Arbeitnehmervertreter für den Aufsichtsrat somit durch Delegiertenwahl zu bestimmen. Die 14 Antragsteller sahen in der Einbeziehung der 444 Leiharbeitnehmer jedoch eine Unzulässigkeit für das Wahlverfahren, welche zu einer Überschreitung des Schwellenwerts von 8000 Arbeitnehmern führte, Durch diese Überschreitung war es den Arbeitnehmern nicht mehr möglich ihre Vertreter für den Aufsichtsrat direkt und unmittelbar zu wählen (unmittelbare Wahl), es bestand somit nur noch die Möglichkeit der indirekten Wahl, wobei die Arbeitnehmer lediglich noch Delegierte wählen, welche dann ihrerseits die Arbeitnehmervertreter für den Aufsichtsrat wählen sollen (Delegiertenwahl). Es wäre gemäß § 9 Abs.1 MitbestG zwar möglich gewesen, dass die Arbeitnehmer trotz der Schwellenüberschreitung die Durchführung einer unmittelbaren Wahl beschließen, ein derartiger Beschluss ist im vorliegenden Fall aber nicht ergangen. Anders als bei Betriebsratswahlen waren die 14 Arbeitnehmer jedoch nicht gezwungen, die vom Hauptwahlvorstand eingeleitete Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer abzuwarten und diese anschließend anzufechten, vielmehr war eine gerichtliche Kontrolle bereits während des Wahlverfahrens zulässig und so forderten die Antragsteller eine Verpflichtung des Wahlvorstands, die Wahl der Arbeitnehmervertreter für den Aufsichtsrat als unmittelbare Wahl durchführen zu lassen.

Problematik

Zu entscheiden war im Kern, ob Leiharbeitnehmer als Arbeitnehmer i.S.d. § 9 Abs. 1 MitbestG zu werten sind. Das Mitbestimmungsgesetz selbst, lässt, wie die meisten arbeitsrechtlichen Gesetze, diese Frage jedoch unbeantwortet und verweist stattdessen in § 3 Abs.1 S.1 Nr.1 MitbestG auf den betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff des § 5 Abs. 1. BetrVG, welcher jedoch ebenfalls keine Definition des Arbeitnehmerbegriffs enthält, sondern diesen lediglich voraussetzt.

Urteil und Begründung

Das Gericht orientierte sich bei der Lösung dieser Frage an seiner eigenen Rechtsprechung (BAG Beschl. v. 13.3.2013 – 7 ABR 69/11-) wonach die  Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern als Arbeitnehmer des Entleiherbetriebs grundsätzlich von der normzweckorientierten Auslegung des betroffenen Schwellenwertes abhängig ist. Dem folgend, müssen Leiharbeiter die gemäß § 10 Abs.2 MitbestG i.V.m § 7 S.2  BetrVG selbst zur Wahl der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat berechtigt sind, auch bei der Bestimmung der Wahlart für diese Arbeitnehmervertreter berücksichtigt werden. Ein Ausschluss dieser Leiharbeiter widerspräche der normzweckorientierten Auslegung des Schwellenwerts in § 9 Abs. 1 MitbestG.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen wurden somit durch das BAG bestätigt und der Antrag der 14 Antragsteller abgewiesen.

Fazit

Die Arbeitsgerichte zeigen hinsichtlich der unternehmerischen Mitbestimmung eine immer klarere Tendenz, Leiharbeitnehmer bei Schwellenwerten zu berücksichtigen. Zu beachten ist allerdings, dass die Arbeitsgerichte nur für Anfechtungssachverhalte zuständig sind und die übrigen Statusverfahren von Zivilgerichten entschieden werden müssen. Die Zivilgerichte vertreten hierbei zumindest teilweise eine andere Ansicht als das BAG. (OLG Hamburg 31.01.2014 – 11 W 89/13) Eine höchstrichterliche Entscheidung des BGH in dieser Frage steht jedoch noch aus, sodass die Diskrepanz zwischen der Zivilgerichtsbarkeit und der Arbeitsgerichtsbarkeit vorerst bestehen bleibt. Auf den Schwellenwert  in § 1 MitbestG, bei dem es um die generellen Mitbestimmungsvoraussetzungen für Arbeitnehmer geht, soll diese Entscheidung zwar keine ausstrahlende Wirkung haben (BAG 4.11.2015 – 7 ABR 42/13 Rn.30 c), es ist jedoch sehr unwahrscheinlich, dass das BAG den nun seit einigen Jahren eingeschlagenen Weg verlassen und bezüglich anderer Schwellenwerte im Mitbestimmungsgesetz entgegengesetzt argumentieren und entscheiden würde. Somit ist dieses Urteil des BAG wohl als Grundsatzurteil für die generelle Bewertung von Leiharbeitnehmern bei Schwellenwerten im MitbestG  zu werten.