Das Arbeiten in weltweit aufgestellten Unternehmen ist für alle Teilnehmer eine interessante Angelegenheit. Dennoch kann es dazu kommen, dass Zweigstellen aufgeben werden müssen und daraus folgend eine betriebsbedingte ausgesprochen wird. So geschehen im vorliegenden Fall, in dem einem leitenden Bankangestellten aus diesem Grund gekündigt wurde. Das ArbG Mannheim (Urt. vom 14.02.2012 – Az. 8 Ca 227/11) und das LAG Baden-Württemberg (Urt. vom 20.06.2013 – 14 Sa 50/12) haben zugunsten des Zweigstellenleiters entschieden und sowohl die außerordenliche als auch die ordentliche Kündigung als unwirksam erklärt, sodass der Zweigstellenleiter einer in Deutschland niedergelassenen türkischen Bank eindeutiger Gewinner der ersten zwei Runden ist. Daher bleibt es spannend, ob der vor dem BAG (Urt. vom 24.09.2015 – 2 AZR 3/14) verhandelte finale dritte Schlagabtausch die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt oder sich das Blatt wendet.

Sachverhalt

Im rechtlichen Kampf stehen sich gegenüber:

Ein seit 1991 ausschließlich in Deutschland beschäftigter Angestellter (türkischer Staatsangehöriger, über 50, verheiratet, zwei studierende Töchter und kreditbelasteter Eigenheimbesitzer – kurzum tief verwurzelt mit Deutschland), der zuletzt als Leiter einer türkischen Bankfiliale tätig war

und

ein Bankunternehmen, dessen Hauptsitz in der Türkei ist und welches mehrere Filialen in Deutschland hat.

Weil der Betrieb sämtlicher Zweigniederlassungen in Deutschland zum 30.04.2011 eingestellt werden sollte, wurde dem Zweigstellenleiter im März 2011 und am 04.04.2011 eine Tätigkeit in der Türkeit angeboten, die er ablehnte. Am 26.04.2011 wurde dem Angstellten die Leitung einer Abteilung in einer Filiale in Instanbul zugewiesen, die er am 05.2011 antreten sollte. Der Angestellte trat die Arbeit nicht an, da er vom 9. bis 20.05.2011, bzw. seiner Behauptung nach bis 03.06.2011, arbeitsunfähig war. Weil die Tätigkeit in Instanbul am 23.05.2011 nicht aufgenommen wurde, mahnte der Arbeitsgeber am 24. und 27.05.2011 wegen Arbeitsverweigerung ab und kündigte am 31.05.2011 außerordentlich aus verhaltensbedingten Gründen, hilfweise ordentlich aus betrieblichen Gründen. Auch die am 23.01.2012 nachträglich ausgesprochene Änderungskündigung hat der Zweigstellenleiter nicht angenommen, sodass dieser zu keinem Zeitpunkt in der Türkei tätig gewesen ist

Der leitende Angestellte begehrt die Feststellung, dass sowohl die außerordentliche als auch die ordentliche Kündigung unwirksam sind. Sein Arbeitgeber beantragt die Abweisung der gegen die ordentliche Kündigung gerichtete Klage.

Voraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung

Die vom Unternehmen ausgesprochene Kündigung kann als verhaltensbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt sein, wenn das KSchG Anwendung findet. Hierfür müssen mehr als 10 Angestellte beschäftigt werden und der gekündigte Arbeitnehmer muss länger als sechs Monate (§ 1 I KSchG) tätig gewesen sein bzw. wenn die entlassene Person bereits vor dem 31.12.2003 seine Arbeit aufgenommen hat, reicht auch die Beschäftigung von 5 Mitarbeitern (§ 23 I S3 KSchG). Im vorliegenden Fall ist das KSchG anzuwenden.

Eine verhaltensbedingte Kündigung iSv § 1 II S1 Alt. 2 KSchG kommt u. a. in Betracht, wenn ein Arbeitnehmer gegen seine Pflichten verstößt. Dazu zählt v. a. eine Arbeitsverweigerung, bei der gegen die Hauptpflicht eines Arbeitsverhältnisses verstoßen wird. Oftmals muss der verhaltensbedingten Kündigung eine Abmahnung vorausgehen, damit dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gewährt wird, sein Verhalten zu ändern. Darüber hinaus ist die Verhältnismäßigkeit zu prüfen, bei der der Arbeitgeber abwägen muss, ob diese Kündigung angemessen ist oder ob es ein milderes Mittel gibt. Im Falle eines bestehenden Betriebsrates muss dieser vorab angehört werden (§ 102 I BetrVG).

Das BAG hat die Entscheidungen der Vorinstanzen nicht revidiert. Diese hatten zugunsten des Zweigstellenleiters entschieden, vor allem weil dieser unzweifelhaft arbeitsunfähig war.

Voraussetzungen einer betriebsbedingten Kündigung

Greift das KSchG, können Arbeitgeber betriebsbedingt kündigen, wenn gem. § 1 II S1 Alt. 3 KSchG eine unternehmerische Entscheidung vorliegt, auf deren Grundlage der Arbeitsplatz wegfällt sowie die Weiterbeschäftigung an einem anderen Arbeitsplatz nicht möglich ist. Ebenso müssen eine ordentliche Sozialauswahl iSd § 1 III KSchG und die vorherige Anhörung Betriebsrates nach § 102 I BetrVG erfolgen.

BAG-Urteil und Begründung

Das BAG hielt die Revision für begründet und die ordentliche Kündigung, die sozial gerechtfertigt war, für wirksam.

Die betriebsbedingte Kündigung ist gerechtfertigt, da die Bank gem. § 1 II KschG dringende betriebliche Erfordernisse in Form einer Betriebsstilllegung vorweisen kann. Zwar sind Arbeitgeber gem. § 1 II S2 Nr. 1 lit. b KSchG dazu verpflichtet, Arbeitnehmer an einem anderen freien Arbeitsplatz zu beschäftigen, um eine Beendigungskündigung zu vermeiden. Jedoch gilt dies nicht grundsätzlich für ausländische Arbeitsplätze, zumal es sich beim geführten Rechtsstreit um eine ersatzlose Streichung sämtlicher Stellen in Deutschland handelt und somit eine Weiterbeschäftigung nicht möglich ist. Auch liegt keine unternehmerische Selbstbindung vor.

Beispielweise kann ein Arbeitgeber sich selbst binden, wenn dieser sich verpflichtet hat, vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung ein klärendes Gespräch mit dem Arbeitnehmer zu führen oder er die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung im Ausland einräumt, um u. a. eine betriebsbedingte Kündigung zu vermeiden. Liegen die Vorraussetzungen einer Selbstbindung vor und der Arbeitgeber berücksichtigt diese nicht und kündigt dennoch, so verstößt er gegen das Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und die Kündigung ist sozialwidrig.

Das BAG entschied, dass folgende Versetzungsklausel, die laut dem Arbeitgeber üblicherweise verwendet wurde und auch im unauffindbaren Arbeitsvertrag mit dem Angestellten stand, irrelevant ist:

„Der Arbeitsort ist die Finanzdienstleistungszweigstelle in D. Die Bank kann den Arbeitnehmer an einer anderen Arbeitsstätte einsetzen (andere Finanzdienstleistungszweigstelle, ausländische Filiale, Filiale in der Türkei oder in den Abteilungen der Hauptverwaltung). Dieses kann nicht als eine Änderung zu Ungunsten des Personals betrachtet werden. Wenn man in der Türkei arbeitet, wird die Vergütung in Türkische Lira wie die Mitarbeiter in ähnlichen Positionen sein. Bei Versetzung werden die Umzugskosten von der Bank erstattet. Vor einer Versetzung wird die Bank den Arbeitnehmer mit einer angemessenen Frist benachrichtigen.“

Wäre dies anders, müsste die standardmäßig eingesetzte Klausel nach den für AGB geltenden Grundsätzen ausgelegt werden und wäre nach § 307 I S1 BGB unwirksam, da der Abschnitt „Dieses kann nicht als eine Änderung zu Ungunsten des Personals angesehen werden“ iSv § 307 I S2 BGB irreführend sein dürfte, weil ein Arbeitnehmer denken könnte, dass § 106 S1 GewO und § 315 III BGB keine Anwendungen finden. Gleichfalls könnte die „ortsübliche“ Lohnanpassung gegen die §§ 307 II Nr. 1, 308 Nr. 4 BGB verstoßen.

Da der ehemalige Bankangestellte keine Nachteile aus dieser Klausel hatte, er die Existenz bestreitet und zu keinem Zeitpunkt in der Türkei beschäftigt war, kommt § 242 BGB nicht in Betracht.

Ebenso muss der Arbeitgeber sich nicht so behandeln lassen, als ob die Klausel doch wirksam ist. § 241 II BGB greift nicht, da ein Arbeitgeber seine schutzwürdigen Interessen denen seiner Arbeitnehmer nicht unterordnen muss. Dies trifft u. a. zu bei fehlender bzw. verweigerter Zustimmung des Betriebsrates, Rebellion anderer Arbeitnehmer, die von der Kündigung bzw. notwendigen Weiterbeschäftigung betroffen sein würden. Die u. U. bestehende Vertragsanpassungspflicht in Form einer Änderungskündigung scheidet hier aus, da die Möglichkeit besteht, dass der Angestellte das Änderungsangebot nur unter Vorbehalt sozialer Rechtfertigung iSd § 2 S1 KSchG annimmt.

Die Versetzungsweisung des Arbeitnehmers ist ohnehin nichtig, da das Direktionsrecht (§ 106 GewO) weder die Versetzung eines Arbeitnehmers auf einen Arbeitsplatz mit geringerer Vergütung erlaubt, noch die Übertragung geringwertiger Arbeit. Da sie nicht dem „billigem Ermessen“ entspricht, ist eine gerichtliche Entscheidung notwendig (§ 315 III BGB), die es nicht gab.

Darüber hinaus hat der Bankbetreiber auf den Ausspruch einer Beendigungskündigung nicht

Eine Sozialauswahl im Sinne des § 1 III KschG musste nicht erfolgen, da das Beschäftigungsverhältnis aller Arbeitnehmer beendet wurde.

Der Betriebsrat wurde angehört und somit ist die ordentliche Kündigung gem. § 102 I S3 BetrVG wirksam.

Fazit

Grundsätzlich ist ein Arbeitgeber nicht verpflichtet, einen Arbeitnehmer an einem sich im Ausland befindlichen freien Arbeitsplatz zu beschäftigen, um eine Beendigungskündigung zu vermeiden, wie dies § 1 II S2 und S3 KSchG vorsieht. Jedoch kann sich eine Weiterbeschäftigungspflicht durch Selbstbindung des Arbeitgebers aus den §§ 241 und 242 BGB ergeben bzw. aus einem Verzicht auf den Ausspruch einer Beendigungskündigung.