Überforderung, finanzielle Einbußen, Kündigung. Davor sollen werdende Mütter, die im Arbeitsleben tätig sind, geschützt werden. Um der Diskriminierung werdender Mütter und Gefährdungen von Mutter und Kind vorzubeugen, greift der Mutterschutz. Der Arbeitgeber sollte diese Fakten kennen, dennoch musste das Arbeitsgericht Berlin mit dem Urteil vom 13.05.2015 darüber entscheiden, ob ein Arbeitgeber seine schwangere Arbeitnehmerin wiederholt kündigen kann und ob dieser Zustand einen Anspruch auf Geldentschädigung auslöst. Wie das Gericht entschieden hat, wird im Folgenden näher erläutert.

Erste Kündigung

Die 31- Jährige Rechtsanwaltsfachangestellte fing im April 2014 an, unter Vereinbarung einer sechsmonatigen Probezeit, in der Anwaltskanzlei eines Rechtsanwaltes zu arbeiten. Der Arbeitgeber hatte der bei ihm beschäftigten Frau bereits während der Probezeit, im Juni 2014, aufgrund von krankheitsbedingter Fehlzeit, gekündigt. Die Frau hatte 8 Tage nach Zugang der Kündigung ihrem Arbeitgeber, unter Vorlage des Mutterpasses mitgeteilt, dass sie schwanger sei.

Nach § 9 Abs. 1 MuSchG gilt ein absolutes Kündigungsverbot für schwangere Arbeitnehmerinnen bis zum Ablauf von 4 Monaten nach der Entbindung. Voraussetzung dafür ist zunächst die Schwangerschaft der Frau und die Kenntnis des Arbeitgebers von der Schwangerschaft oder die Mitteilung der Schwangerschaft binnen 2 Wochen nach Zugang der Kündigung. Jedoch sind schwangere Frauen nicht unkündbar, da es auch eine Ausnahme gibt, das sogenannte Konsultationsgebot nach § 9 Abs. 3 S. 1 MuSchG. Demnach kann eine zuständige Arbeitsschutzbehörde ausnahmsweise die Kündigung für zulässig erklären. Der Arbeitgeber hätte dort eine Ausnahmegenehmigung für die Kündigung beantragen müssen. Allerdings darf die Kündigung nicht mit der Schwangerschaft in Zusammenhang stehen und die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses muss für den Arbeitgeber unzumutbar sein. Unzumutbar wäre es beispielsweise aufgrund eines schwerwiegenden Fehlverhaltens (Straftaten etc.) der schwangeren Arbeitnehmerin. Die erste Kündigung hatte das Arbeitsgericht in einem vorangegangenen Kündigungsschutzverfahren nach § 9 MuSchG für unwirksam erklärt, da der Arbeitgeber ohne Wahrung des Konsultationsgebots die Kündigung ausgesprochen hatte.

Zweite Kündigung

Daraufhin hatte die behandelnde Ärztin der klagenden Frau zum Schutze des Schwangerschaftsverlaufs bis 6 Wochen vor der Entbindung am 25.01.15 ein individuelles Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG verfügt. Nachdem dieses ausgelaufen war, kündigte der Arbeitgeber erneut.

Die Beschäftigungsverbote für werdende Mütter sind im Mutterschutzgesetz in den §§ 3- 6 MuSchG verankert. Nach dem gesetzlichen Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 MuSchG dürfen alle schwangeren Frauen in den letzten sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Entbindung nicht beschäftigt werden. Nach dem individuellen Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG kann der Arzt, bei Gefahr für Mutter oder Kind, die Arbeit für die Frau für eine bestimmte Zeit untersagen. Das Gericht stellte zu Recht fest, dass die Kündigungserklärung diesmal in das gesetzliche Beschäftigungsverbot falle und stufte auch diese Kündigung als unwirksam ein. Zusätzlich verstößt auch die zweite Kündigung gegen § 9 MuSchG, da der Arbeitgeber das Konsultationsgebot erneut nicht eingehalten hat.

Geldentschädigung

Vorerst, der allgemeine Kündigungsschutz des KSchG war hier nicht anwendbar, da in dem Betrieb nicht mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt waren. Daher griff der besondere Kündigungsschutz nach dem MuSchG ein, weshalb ein Anspruch nach dem AGG besonders interessant ist.

Das Arbeitsgericht verurteilte den Arbeitgeber zur Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 1500 € nach § 15 Abs. 2 AGG. Die Entschädigung soll nicht nur der Kränkung der betroffenen Frau einen materiellen Ausgleich verschaffen, sondern auch eine Lehrfunktion für das Diskriminierungsverhalten des Arbeitgebers darstellen. Der 8. Senat des BAG argumentierte, dass die erneute Missachtung der besonderen Schutzvorschriften des Mutterschutzgesetzes eine Benachteiligung der Arbeitnehmerin wegen ihrer Schwangerschaft und somit unmittelbar wegen ihres Geschlechts i.S.v. §§ 3 Abs. 1 S.2, 1 AGG indiziere.
Der Einwand des Anwalts, er hätte seinerseits „nicht gewusst, ob, bei der Arbeitnehmerin die Schutzvorschriften noch gelten oder nicht“ konnte das Gericht nicht überzeugen. Denn ein Arbeitgeber, der die Möglichkeit eines geschlechtsspezifischen Kündigungsverbotes erkenne und die Kündigung trotzdem erkläre, wolle erst recht wegen des Geschlechts der Arbeitnehmerin benachteiligen. Auch der Einwand, er sei mit Ende des individuellen Beschäftigungsverbotes „davon ausgegangen“, dass die Schwangerschaft der Frau „anders schon beendet“ sei, hatte ebenfalls keinen Erfolg. Der Arbeitgeber hätte durch die Vorkenntnisse des Vorprozesses und dem vorgelegtem Mutterpass mit der Fortdauer der Schwangerschaft rechnen müssen. Statt ohne Wahrung Konsultationsgebot nach § 9 Abs. 3 MuSchG und im Alleingang erneut die Kündigung auszusprechen, hätte er seine Zweifel durch Rückfrage mit dem Bevollmächtigtem ausräumen können.