Jeder kennt die Berichte und Bilder aus den Medien wenn Flughäfen bestreikt werden. Einmal sind es die Piloten, einmal die Flugbegleiter oder das Bodenpersonal. Meist gibt es Chaos für die Flugreisenden und wirtschaftliche Einbußen für Flughafenbetreiber und Fluggesellschaften.
Schadensersatzforderungen der Arbeitgeber gegen die Gewerkschaften bei rechtswidrigen Streiks, die sie selbst betreffen können aus dem Gesetz abgeleitet werden. Aber können auch Unternehmen, welche nur mittelbar vom Streik betroffen sind, Schadenersatz geltend machen?
Zu dieser Frage hat das Bundesarbeitsgericht am 25.08.2015 ein Urteil (1 AZR 754/13) gefällt. Der Rechtsstreit gründete darauf dass, mehrere Fluggesellschaften gegen die streikende Gewerkschaft der Flugsicherheit klagten.
Am Stuttgarter Flughafen fand ein Streik der Beschäftigten der Vorfeldkontrolle und der Verkehrszentrale statt, welcher gegen die Flughafen Stuttgart GmbH gerichtet war. Zur Unterstützung dieses Hauptarbeitskampfes rief die Gewerkschaft der Flugsicherheit die bei ihr organisierten Fluglotsen des Tower Stuttgart zum Unterstützungsstreik auf., worauf dann auch die Arbeitsniederlegung, unter Berücksichtigung einer angemessenen Notbesetzung, erfolgte. Der Streik wurde nach rund fünf Stunden durch eine Verbotsverfügung frühzeitig beendet. Die Fluggesellschaften erlitten finanzielle Einbußen, hervorgerufen durch Flugverspätungen und – ausfälle.
Die klagenden Unternehmen machten Ansprüche auf Schadensersatz nach § 823 BGB geltend mit der Begründung, dass durch den Streik ihre Eigentumsrechte an den Flugzeugen sowie ihr Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb verletzt seien. Weiterhin habe der Streik unmittelbar auf die Stilllegung des Luftraumes und somit des Flugverkehrs gezielt, was einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB in Form einer Betriebsblockade gleiche.
Die Gegenseite beantragte Klageabweisung und vertrat die Auffassung, dass den Fluggesellschaften als nicht unmittelbar bestreikte Partei kein Ersatz für Vermögensschäden zustehe. Da sich der Streik gegen die Deutsche Flugsicherung GmbH richtete sah die Gewerkschaft keine Verbindung zu deliktsrechtlich geschützten Rechtsgütern Dritter.
Die Entscheidung
Leitsatz: Bei einem Streik folgt die unmittelbare Kampfbetroffenheit des Arbeitgebers aus dem Streikaufruf. Mit ihm wird regelmäßig nicht in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eines kampfunbeteiligten Unternehmens eingegriffen.
Das Gericht unterstützte die Entscheidungen der Vorinstanzen und gab an, dass diese dem Klagebegehren zu Recht nicht entsprochen hätten und dass keine Schadenersatzansprüche wegen Eigentumsverletzungen oder Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bestehen. Das Gericht erklärte dazu weiterführend, dass hierbei die Rechtsmäßigkeit des Streiks nicht von belangen sei.
Als Begründung erklärte das Gericht, dass ein Eingriff in Eigentumsrechte ein unmittelbares und über eine längere Zeitspanne andauerndes Einwirken voraussetze und das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nur durch unmittelbar betriebsbezogene Eingriffe verletzt werde. Der kurzzeitige Nutzungsausfall welcher sich aus den mittelbaren Auswirkungen des Streiks ergab, könne nicht als Eingriff gewertet werden.
Auch dem Schadenersatzanspruch der klagenden Unternehmen auf Grund sittenwidriger Schädigung gab das Gericht nicht statt. Begründet wurde dies damit, dass nicht jeder rechtswidrige Arbeitskampf auch sittenwidrig sei. Auf Grund des im Grundgesetz manifestierten Streikrechts ist Sittenwidrigkeit nur bei offensichtlicher Unverhältnismäßigkeit oder außertariflicher Zweckverfolgung gegen.
Relevanz dieser Entscheidung
Dieses Urteil stellt eine Grundsatzentscheidung dar, welche Gewerkschaften wohl aufatmen lässt. Sie müssen keinen Schadensersatzansprüchen Drittbetroffener bei unrechtmäßigen Streiks nachkommen bzw. haben keine Klagen zu befürchten. Wäre die Entscheidung zu Gunsten der Fluggesellschaften gefallen, hätte sich die Gewerkschaftslandschaft und die Streikkultur möglicherweise sehr zum Nachteil der Arbeitnehmer verändert, da den Gewerkschaften ein deutliches finanzielles Risiko durch Streiks entstanden wäre. Durch die zunehmende Komplexität und Vernetzung der Wirtschaft wären eventuelle Folgen eines rechtswidrigen Arbeitskampfes kaum absehbar.