Jeder zweite Arbeitnehmer in Deutschland ist von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz betroffen, dies ergab eine Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Die Studie aus dem Jahr 2015 verdeutlicht, durch die hohe Anzahl der Betroffenen die Relevanz des Themas und zeigt außerdem auf, dass sich genauso viele Männer wie Frauen betroffen fühlen.  Was viele nicht wissen, es gibt mehr als nur ein Gesetz, dass vor sexueller Belästigung schützen soll. Eines dieser Gesetze ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), welches speziell den Arbeitnehmer vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz schützen soll. Im AGG ist nicht nur die Definition von sexueller Belästigung zu finden, sondern es enthält auch die Schutzpflichten des Arbeitgebers gegenüber seinen Arbeitnehmern. Doch wann liegt eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz vor und wie kann der Arbeitgeber Betroffenen helfen?

Legaldefinition und Voraussetzungen

Was ist eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz? Gem. §3 Abs. 4 AGG ist „Eine sexuelle Belästigung … eine Benachteiligung, … wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten … die Würde der betreffenden Person verletzt …“. Darunter fallen unerwünschte sexuelle Handlungen oder Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte Berührungen oder Bemerkungen, unerwünschtes Zeigen oder sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen.

In der Umfrage durch die Antidiskriminierungsstelle wurde die Teilnehmer gefragt, ob sie bereits sexuell belästigt wurden. Es gaben 8-mal mehr Männer und ca. 3-mal mehr Frauen an belästigend worden zu sein, nachdem sie die Definition aus dem Gesetz kannten. Es wird deutlich, dass die eigene Empfindung, wann es sich um eine sexuelle Belästigung handelt, deutlich von der gesetzlichen Definition abweicht.

Doch damit eine Belästigung im Sinne des §3 Abs. 4 AGG vorliegt, muss ein betrieblicher Bezug gegeben sein, ein —unerwünschtes sexuell bestimmtes Verhalten und eine —Würdeverletzung vorliegen. Ersteres ist grundsätzlich zu bejahen, wenn ein Zusammenhang zum Beschäftigungsverhältnis vorliegt. Dieser ist während der Arbeitszeit immer gegeben. Ein unerwünschtes sexuell bestimmtes Verhalten ist auch bei einmaliger und nicht vorsätzlicher sexueller Belästigung gegeben. Hierbei kommt es auf den objektiven Beobachter an und nicht auf die Selbsteinschätzung des Belästigenden. Die dritte Voraussetzung beinhaltet eine Würdeverletzung. Ausgehend davon, dass §3 Abs. 4 AGG das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung schützt, d.h. jeder selbst darüber entscheiden kann, wann, wo und mit wem man ein intimes Verhältnis eingeht, ist eine Beeinträchtigung dieses Rechts auch gleichzeitig eine Würdeverletzung.

Schutzpflichten des Arbeitgebers

Doch welche Schutzpflichten hat der Arbeitgeber gegenüber seinen Arbeitnehmern? Die Antwort auf diese Frage lässt sich im §12 AGG finden. Der §12 AGG ist in vorbeugende und repressive Maßnahmen gegliedert. Demnach muss der Arbeitgeber selbst Belästigungen unterlassen und diejenigen ahnden, die andere belästigen. Darüber hinaus ist er verpflichtet sexueller Belästigung vorzubeugen und ihre Entwicklung zu verhindern.

Welche präventiven Maßnahmen getroffen werden können ist in §12 Abs. 2 AGG konkretisiert. Dabei kann es sich um verpflichtende Schulungen, berufliche Aus- und Fortbildungen, aber auch um die umfangreiche Regelung von Beschwerdeverfahren handeln. Der Arbeitgeber soll seiner Hinweis- und Hinwirkungsfunktion nachkommen, doch wie er sie erfüllt, ist ihm überlassen.

Demgegenüber muss der Arbeitgeber repressive Maßnahmen treffen, wenn ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot gem. §12 AGG vorliegt. Die Benachteiligung liegt hier in der sexuellen Belästigung. Als Maßnahmen kommen die Ermahnung, Abmahnung, Versetzung und Kündigung in Betracht. Der Arbeitgeber muss hier das im Einzelfall geeignete, erforderliche und angemessene Mittel zur Unterbindung der Benachteiligung ergreifen.

Eine Ermahnung ist eine Rüge ohne Kündigungsandrohung. Der Arbeitgeber verlangt hier ein vertragsgemäßes Verhalten ohne weitere Maßnahmen zu treffen. Sie soll auch einer Erinnerung sein, dass sexuelle Belästigung nicht vom Arbeitgeber geduldet wird. Sie kommt in Betracht, wenn es um Komplimente geht, die zwar nicht anzüglich, aber unerwünscht sind.

Die Abmahnung hingegen hat eine Hinweis- und Warnfunktion. Sie berechtigt bei wiederholtem Fehlverhalten zur Kündigung. Sie kann ausgesprochen werden bei: unerwünschtem Streicheln, Pieksen, Hinterherpfeifen und sexuell gefärbtem Spott.

Bei der Kündigung sollte zwischen außerordentlicher und verhaltensbedingter Kündigung differenziert werden. Erstere kommt bei schwerwiegenden Verletzungen der vertraglichen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis in Frage. Hiermit ist ein“wichtiger Grund“ gem. §626 Abs. 1 BGB gemeint. Dieser ist beim Anfassen an Po und Brust, bei anstößigen Aufforderungen zu sexuellen Handlungen und bei fortgesetztem Erzählen sexueller Handlungen gegeben. Zur verhaltensbedingten Kündigung kann es in Fällen von wiederholten anstößigen Angeboten, Anfassen der weiblichen Brust und wiederholten Umarmungen und Berührungen kommen.

Welche der beiden Maßnahme der Arbeitgeber treffen soll, ist nicht gesetzlich gereglt, es handelt sich dabei immer um Einzelfallentscheidungen. Dabei kommt es auf die Schwere der Fälle, aber auch auf die Anzahl der Übergriffe an.

Fazit

Erschreckend ist, dass jeder zweite Arbeitnehmer, ob Mann oder Frau, betroffen ist. Dies bezeugt die große Relevanz des Themas. Gerade deshalb macht es Sinn, den Arbeitgeber durch das AGG an Schutzmaßnahmen zu binden um den Arbeitnehmer bei sexueller Belästigung einen ersten Schutz zu bieten. Natürlich hat sexuelle Belästigung auch strafrechtliche Konsequenzen, doch können diese mitunter langwieriger sein als eine sofortige Maßnahme durch den Arbeitgeber, um den Schutz seiner Arbeitnehmer zu gewährleisten.