Der Weg zu einem neuen Arbeitsplatz mit vermeintlich besseren Arbeitsbedingungen und gutem Gehalt führt viele Arbeitssuchende klassischerweise über die Bewerbung auf Stellenanzeigen bei Firmen. Um die Chancen zu erhöhen, bewerben sich Arbeitssuchende häufig bei mehreren Firmen. Die Arbeitgeber sollten bei Formulierungen von Stellenanzeigen äußerst sorgfältig sein, um keinen Anschein von Diskriminierung aufkommen zu lassen, das ist seit längerem in Rechtsprechung und Literatur nicht unbekannt. Formulierungen wie „Junger dynamischer Mitarbeiter gesucht“ sind in mehrfacher Hinsicht kritisch zu beurteilen. Bei einer solchen Formulierung kann eine Diskriminierung wegen des Alters aber auch wegen der Geschlechtszugehörigkeit vorliegen. Bewerber, die die vorgegebenen Qualifikationen und Anforderungen nur zum Teil oder gar nicht erfüllen, werden mit hoher Wahrscheinlichkeit vom Arbeitgeber abgelehnt. Die Folge daraus: clevere Bewerber können eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verlangen, wenn Sie behaupten, nicht wegen ihrer fehlenden Qualifikation abgelehnt worden zu sein , sondern wegen einer Diskriminierung. Ihre Chancen stehen dabei relativ gut, da die Beweislast in Hinblick auf das Nichtvorliegen einer Diskriminierung beim Arbeitgeber liegt. Dieser hat es in aller Regel schwer, entsprechende Beweise zu erbringen, dass keine solche Diskriminierung vorliegt.

Umstritten ist jedoch, ob auch Bewerber diesen Anspruch haben sollen, die sich gezielt auf solche Stellenanzeigen bewerben, obwohl sie vorab wissen, dass sie die Qualifikationen und Anforderungen in Gänze nicht erfüllen werden. Diese sog. „AGG-Hopper“ bewerben sich nicht, weil sie aktiv in ein Beschäftigungsverhältnis mit einem potentiellen Arbeitgeber eintreten wollen, sondern lediglich, weil sie aufgrund einer erwarteten Absage Entschädigungsansprüche nach dem AGG geltend machen wollen.

Müssen Arbeitgeber solchen Scheinbewerbern eine Entschädigung nach dem AGG zahlen?

Sachverhalt

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat einen solchen Fall [Beschluss vom 18. Juni 2015 – 8 AZR 848/13 (A)] einer Scheinbewerbung, erneut zu entscheiden.

Ein Versicherungskonzern schrieb im Frühjahr 2009 ein „Trainee-Programm“ aus, mit dem Bewerber (m/w) der Fachrichtungen Wirtschaftswissenschaften, (Wirtschafts-)Mathematik, (Wirtschafts-)Informatik und Jura gesucht wurden. Die Bewerber sollten einen nicht länger als ein Jahr zurück liegenden oder demnächst erfolgenden sehr guten Hochschulabschluss in einer der genannten Fachrichtungen vorweisen. Weiterhin wurde eine qualifizierte, berufsorientierte Praxiserfahrung (bspw. durch Ausbildung, Praktika oder Werkstudententätigkeit) erwünscht. Für Bewerbungen in der Fachrichtung Jura kam hinzu, dass Bewerber beide Staatsexamina erfolgreich absolviert haben sollten und entweder über eine arbeitsrechtliche Ausrichtung verfügen oder medizinische Kenntnisse besitzen sollten.

Ein Bewerber hatte 2001 seine Ausbildung zum Volljuristen abgeschlossen und war seitdem überwiegend als selbständiger Rechtsanwalt tätig. In den Bewerbungsunterlagen betonte er, dass er früher als leitender Angestellter in einer Rechtsschutzversicherung tätig war und über Führungserfahrung verfüge. Aktuell besuchte er einen Fachanwaltskurs für Arbeitsrecht. Aufgrund des Todes seines Vaters betreute er ein umfangreiches medizinrechtliches Mandat und verfüge daher auch in diesem Bereich über einen weiten Erfahrungsschatz. Der Kläger führte aus, dass er es als ehemaliger leitender Angestellter gewohnt sei, selbständig zu arbeiten sowie Verantwortung zu übernehmen.

Der Konzern lehnte die Bewerbung ab, woraufhin der Bewerber eine Entschädigung wegen Altersdiskriminierung in Höhe von EUR 14.000 forderte. Der Personalleiter des Versicherungskonzerns reagierte umgehend auf die Geltendmachung und lud den abgelehnten Bewerber zum Vorstellungsgespräch ein. Dieser lehnte die Einladung zum Gespräch ab und schlug stattdessen vor, nach Erfüllung des Entschädigungsanspruchs rasch über die Zukunft bei der Versicherung sprechen zu wollen.

Die ausgeschriebenen Trainee-Stellen im Bereich Jura wurden zwischenzeitlich jedoch mit vier anderen Bewerberinnen besetzt. Der abgelehnte Bewerber erfuhr davon und verlangte zusätzlich noch eine Entschädigung wegen Diskriminierung des Geschlechts in Höhe von EUR 3.500.

Die Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht sieht bei der Bewerbung des Volljuristen einen klassischen Fall des AGG-Hoppings. Die Richter argumentieren, dass aufgrund der Formulierung und des Verhaltens, davon auszugehen ist, dass der Bewerber sich nicht mit dem Ziel der Einstellung beworben habe. Bereits das Bewerbungsschreiben sehe einer Einstellung als Trainee entgegen. Darüber hinaus hat der Kläger die Einladung zu einem Gespräch ausgeschlagen. Aus diesem Grund sei er nicht als „Bewerber“ oder „Beschäftigter“ im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 2 des AGG anzusehen.

Das Bundesarbeitsgericht verweist allerdings darauf, dass das Recht der Europäischen Union dem AGG zu Grunde liegenden einschlägigen Richtlinien [RL 2000/78/EG und RL 2006/54/EG] nicht den „Bewerber“ nenne, sondern den „Zugang zur Beschäftigung oder zu abhängiger und selbständiger Erwerbstätigkeit“ schütze. Aufgrund fehlender unionsrechtlicher Rechtsprechungen müsse geklärt werden, ob das Unionsrecht voraussetze, dass der tatsächliche Zugang zur Beschäftigung gesucht werde und folglich eine Einstellung bei dem Arbeitgeber tatsächlich gewollt sei. Es bedarf daher einer Auslegung der einschlägigen Richtlinien. Dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) liegt nun die Frage vor, ob für das Eingreifen des unionsrechtlichen Schutzes das Vorliegen einer formalen Bewerbung genüge. Sofern diese Vorlagefrage vom Europäischen Gerichtshof bejaht werden sollte, will das Bundesarbeitsgericht wissen, ob die fehlende subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung als rechtmissbräuchlich anzusehen ist oder noch unter „Rechtsgebrauch“ im Sinne der unionsrechtlichen Vorgaben fällt.

Praxisrelevanz

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts erscheint auf den ersten Blick doch sehr irritierend. Einerseits, weil es dogmatische Begründungen aus älterer Rechtsprechung heranzieht und den Entschädigungsanspruch im vorliegenden Fall bereits an dem Bewerberbegriff verneint. Und das, obwohl bereits 2011 nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG), das AGG-Hopping als Rechtsmissbrauch aus § 242 BGB eingeordnet wurde. Andererseits bezieht das Bundesarbeitsgereicht keine klare Position, welche dogmatische Begründung es seit 2011 nun als einzigen vertretbaren Lösungsansatz sieht. Wenn das Bundesarbeitsgericht den Anspruch des Klägers bereits am Bewerberbegriff scheitern lässt, wäre dies aus Sicht jüngster Rechtsprechung eher verwunderlich. Vielmehr sollte hier die fortentwickelte Rechtsprechung des Rechtsmissbrauchs weiterverfolgt werden und klarer ausgestaltet werden.

Sollte der Europäische Gerichtshof die Vorlagefrage bejahen und damit künftig allein das Vorliegen einer formalen Bewerbung zur Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen als ausreichend ansehen, unabhängig davon, wie ernst diese Bewerbung gemeint ist, dann wäre den AGG-Hoppern die Möglichkeit einer systematischen Klageerhebung offen.

Arbeitgeber sollten daher weiterhin nicht nur bei der Formulierung von Stellenanzeigen Vorsicht walten lassen. Vielmehr muss auch weiterhin während des gesamten Bewerbungsprozesses sorgfältig gearbeitet werden.