Das Arbeitsgericht in Köln hat Anfang diesen Jahres in einem Urteil entschieden, dass eine Ungleichbehandlung nach dem AGG ausnahmsweise zulässig ist. Voraussetzung hierfür ist, dass ein Unternehmen wichtige wirtschaftliche Belange für eine Benachteiligung zugrunde legen kann. Wieso das Gericht einen Anspruch auf Entschädigung abgewiesen hat und warum ausgerechnet ein Autohaus eine Stellenanzeige dieser Art rechtfertigen kann, wird im Folgenden näher erläutert.

Der Sachverhalt

Die genauen und ausführlichen Entscheidungsgründe des Kölner Arbeitsgerichtes sind noch nicht bekannt. Im weiteren Text werden die bereits veröffentlichen Eckdaten beschrieben.

Das Autohaus war auf der Suche nach neuem Verkaufspersonal in seiner Filiale und schaltete folgende Stellenanzeige:

„Zur weiteren Verstärkung unseres Verkaufsteam suchen wir eine selbstbewusste, engagierte und erfolgshungrige Verkäuferin“ .

Daraufhin bewarben sich potentielle Arbeitnehmer_innen, eingestellt wurde eine Frau. Das Autohaus, welches bis dato ausschließlich männliche Verkaufsberater beschäftigte, wollte seinen Kunden Verkaufsberater_innen beider Geschlechter zur Verfügung stellen.
Es brachte an, dass der Frauenanteil unter seiner Kundschaft bei 25-30 % läge, bestimmte Einstiegsmodelle besonders für weibliche Kunden geeignet seien und es ausdrückliche Nachfragen nach Verkäuferinnen gegeben habe.
Der Bewerber machte einen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 II AGG geltend. Allerdings wies das Arbeitsgericht Köln seinen Entschädigungsanspruch ab. Es gibt nun die Möglichkeit gegen das Urteil Berufung beim Landesarbeitsgericht in Köln einzulegen.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist im August 2006 in Kraft getreten und setzt sich zum Ziel Benachteiligungen wegen der Rasse, ethnischen Herkunft sowie Geschlecht, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexuelle Identität verhindern oder beseitigen (§ 1 AGG). Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz stellt eine Umsetzung der vier maßgeblichen EU-Richtlinien zum Diskriminierungsverbot dar. Es werden neben arbeitsrechtlichen Benachteiligungsverboten auch Maßnahmen und Pflichten seitens des Arbeitgebers zum Schutz vor Benachteiligungen geregelt. Außerdem werden die Rechte der Beschäftigten (z.B. Beschwerderecht, Leistungsverweigerungsrecht) und ihre Ansprüche bei Verstößen gegen das Diskriminierungsverbot geregelt (§§ 13-15 AGG).

Der sachliche Anwendungsbereich im Arbeitsrecht erstreckt sich von der Bewerbung über die Einstellung, Arbeitsbedingungen, Beförderung bis hin zur Kündigung. Demnach sind auch Bewerber_innen, wie Beschäftigte, vor Benachteiligung aus den in § 1 AGG genannten Gründen geschützt. Voraussetzung ist, dass die Bewerbung ernst gemeint ist und die Bewerber_innen ein subjektives Interesse an der Arbeitsstelle haben.

Es besteht die Pflicht eine diskriminierungsfreie Stellenausschreibung zu verfassen (§§ 7, 11 AGG), diese wurde hier unmittelbar verletzt. Fraglich ist allerdings, ob diese Pflicht mit einer solchen Stellenanzeige verletzt wurde oder ob sie vom Autohaus gerechtfertigt ist. Die Folge aus einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung wäre, ein Anspruch des Benachteiligten auf Schadensersatz oder wenigstens auf eine angemessene Entschädigung nach § 15 I,II AGG. Ein Anspruch auf Schadensersatz (=immaterieller Schaden) steht Bewerber_innen nur zu, wenn sie beweisen können, dass sie am besten für die Stelle geeignet gewesen wären. Da das in der Regel schwer nachweisbar ist, bleibt noch der Anspruch auf Entschädigung nach § 15 II AGG. Zusätzlich muss es sich um eine vakante Stelle handeln und es dürfen keine Rechtfertigungsgründe (§§ 8-10 AGG) seitens des Arbeitgebers vorliegen.

Nur in Ausnahmefällen, dürfen bestimmte Anforderungen in der Stellenanzeige formuliert werden. Beispielsweise ist gemäß § 8 AGG eine Ungleichbehandlung dann zulässig, wenn bestimmte berufliche Anforderungen gegeben sein müssen. Dies gilt besonders dann, wenn diese Merkmale für die Ausübung des Berufs unverzichtbar sind (Vgl. Mädcheninternat AZ: 2 Sa 51/08). Diese Merkmale sind eng auszulegen und unterliegen strengen inhaltlichen Kontrollen. Eine solche „zulässige unterschiedliche Behandlung“ liegt in diesem Fall nicht vor.

Es handle sich zwar hier um einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, da sich die Stellenanzeige nur an Frauen richte aber das Gericht sieht dennoch in dem Fall ein legitimes Ziel in der Stellenanzeige. Nämlich die optimale Kundenbetreuung durch die Möglichkeit Verkaufspersonal beider Geschlechter zur Verfügung stellen zu wollen, also auch Verkaufsberaterinnen. Das Kölner Arbeitsgericht bezieht sich hier auf die Regelung in § 8 AGG und rechtfertigt seine Entscheidung durch die „Unverzichtbarkeit des Geschlechts“ an dieser Stelle. Die Zurverfügungstellung einer weiblichen Verkaufskraft ist durchaus vertretbar und plausibel vom Autohausbetreiber begründet worden. Ähnlich entschieden hat das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2009:

„…, komme es auch bei § 8 Abs. 1 AGG darauf an, ob ein bestimmtes Geschlecht „unverzichtbare Voraussetzung für die Tätigkeit“ sei. Unverzichtbarkeit im weiteren Sinne sei auch in Konstellationen zu bejahen, in denen Beschäftigte eines bestimmten Geschlechts die Arbeitsleistung zwar erbringen können, jedoch schlechter als Beschäftigte des anderen Geschlechts …Entscheidend seien die beruflichen Anforderungen, wie sie für die vertragsgemäße Leistung erforderlich seien.“ (Vgl. Urteil BAG 8 AZR 536/08)

Es sind aus vergleichbaren Urteilen Fälle von sogenannten „ AGG Hoppern“ bekannt. Diese machen sich die Beweislastumkehr im AGG zunutze, wonach einfache Indizien ausreichen um eine Diskriminierung vermuten zu lassen, wonach der/die Arbeitgeber_in die Beweislastpflicht trägt (§ 22 AGG). Dieser immaterielle Schadenersatzanspruch kann jede_r objektiv geeignete Bewerber_in bei subjektivem Interesse an der offenen Arbeitsposition geltend machen, Solche Anzeichen für ein „AGG Hopping“ können eine deutliche Überqualifizierung eines/einer Bewerbers_in sein aber auch die Bewerbung aus ungekündigter Stelle heraus oder das Bestehen mehrere Entschädigungsklagen in der Vergangenheit.

Fraglich ist, in wie weit das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz in den wirtschaftlichen Entscheidungsspielraum eines Unternehmens Einfluss nehmen darf und welche Möglichkeiten Unternehmen haben die Auswahl ihrer Belegschaft zu steuern. Allerdings bleibt noch offen, ob in dem Fall das Benachteiligungsverbot zu Recht ausgedehnt werden durfte oder ob das Autohaus mit Konsequenzen zu rechnen hat. Es bleibt abzuwarten, ob das AGG in dem Fall eventuell anders angewandt und interpretiert wird.