Gerät eine Aktiengesellschaft in die Krise, so versucht sie mit allen möglichen Maßnahmen die Kosten zu reduzieren, um die eigene Überlebensfähigkeit zu erhöhen. Darunter kann, zum Beispiel, ein Programm zum Personalabbau fallen. Wird das einmal beschlossen, so werden in näherer Zeit die Arbeitsverhältnisse mit den Mitarbeitern gekündigt. Aber wie ist die Lage, wenn das Unternehmen die Anzahl der Vorstandmitglieder verringern möchte? Ist es dann möglich den Vorstand im Rahmen der Personalreduzierung vorzeitig zu entlassen? Die Frage wird durch die Entscheidung des OLG Frankfurt/M. beantwortet.

Sachverhalt

Seit 2006 war Herr Ulrich Sieber als Mitglied des Vorstandes bei der Commerzbank AG tätig. Im Jahr 2011 verlängerte der Aufsichtsrat seine Bestellung bis zum Mai 2017. Zu diesem Zeitpunkt bestand der Vorstand aus 9 Mitgliedern. Aber schon zum Ende des Jahres 2013 fand die Aufsichtsratssitzung statt, wo über die Verkleinerung des Vorstandes und die Abberufung von Herrn Sieber und einem weiteren Vorstandsmitglied entschieden wurde. Die Betroffenen wurden ab November 2013 von weiteren Tätigkeiten freigestellt. Der Anstellungsvertrag enthielt eine so genannte Koppelungsklausel, wonach der Widerruf der Organstellung automatisch zur Beendigung des Dienstverhältnisses führt. Dementsprechend ist eine gesonderte Kündigung des Anstellungsvertrages nicht notwendig.

Als Begründung für die Entlastung berief sich die Bank auf den umfangreichen Personalabbau im Unternehmen. Von den etwa 30.000 Vollzeitstellen in Deutschland sollen bis Ende 2016 knapp 3.000 Stellen gestrichen werden. Weltweit kommen ca. 5.200 Stellen in Frage. Davon sind auch dem Vorstand nachgeordnete Führungsebenen betroffen. Daher ist es nach Ansicht des Aufsichtsrates nicht vertretbar, den Vorstand selbst von der Personalreduzierung auszuschließen. Die Verkleinerung des Vorstandes sollte vielmehr den Betriebsangehörigen und der Öffentlichkeit ein Zeichen setzen, dass die Umstrukturierung auf allen Ebenen abläuft und damit eine neue Bankorganisation bewirkt. Außerdem argumentierte die Bank, dass dadurch eine effizientere Steuerung des operativen Geschäfts und einfachere Entscheidungswege erreicht werden sollten.

Erstinstanzlich klagte Herr Sieber auf die Feststellung der Nichtigkeit seiner Abberufung und einen Weiterbeschäftigungsanspruch. Das Landesgericht Frankfurt/M. erklärte den Widerruf der Bestellung zum Vorstandsmitglied für unwirksam. Die Weiterbeschäftigung lehnte es ab, weil dieser Anspruch erst mit dem rechtskräftigen Urteil über die Unwirksamkeit der Abberufung, das zum Zeitpunkt der Klage noch nicht gegeben wurde, besteht. Die Commerzbank ging gegen ersteres in die Berufung.

Rechtliche Ausgangslage

Nach § 84 Abs. 3 S. 1 AktG kann der Aufsichtsrat die Bestellung zum Vorstandsmitglied vorzeitig nur dann widerrufen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Nach der Rechtsprechung ist es der Fall, wenn eine Fortsetzung des Organverhältnisses mit dem Vorstandsmitglied bis zum Ende seiner Amtszeit für die Gesellschaft unzumutbar ist. Zwar sind die Regelbeispiele im Aktiengesetz aufgezählt, können weitere Gründe in Betracht kommen, die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls geprüft werden müssen.

Für die Abberufung des Vorstandes ist gemäß § 84 Abs. 3 S. 1 AktG ausschließlich der Aufsichtsrat zuständig. Aber nach ganz herrschender Meinung ist er selber nicht berechtigt abschließend zu bestimmen, wann ein wichtiger Grund vorhanden ist. Andernfalls könnte es zur Abhängigkeit der Vorstandsmitglieder vom Aufsichtsrat führen und ihre Leitungsautonomie, die durch § 84 Abs. 3 AktG abgesichert werden muss, gefährden. Daher entscheidet der Aufsichtsrat nur darüber, ob er bei Vorliegen eines wichtigen Grundes die Möglichkeit der Abberufung nutzt. Die Überprüfung muss durch ein Gericht erfolgen.

Die Gründe, die die vorzeitige Abberufung rechtfertigen können, müssen nicht unbedingt durch das Verschulden des Vorstandes entstanden sein. Eine Änderung der Unternehmensstruktur bzw. erheblicher Personalabbau sind auch nicht auszuschließen. Aber die allgemeinen Anforderungen des wichtigen Grundes müssen erfüllt werden. Damit ist die „betriebsbedingte“ Abberufung nur dann gerechtfertigt, wenn der Gesellschaft aus wirtschaftlichen Gründen unzumutbar ist, den Ablauf der regulären Amtszeit abzuwarten.

Entscheidungsgründe

Nach der Satzung der Commerzbank AG ist der Aufsichtsrat berechtigt die Größe des Vorstandes festzustellen. Aber im Fall der vorzeitigen Abberufung kann er sich darauf nicht berufen, weil es mit der gesetzlichen Anforderung des wichtigen Grundes in Widerspruch steht.

Die Argumentation der Bank, mit Hilfe von einer Vorstandsreduzierung die Steuerung und Effizienz des Geschäfts zu verbessern, folgt das OLG Frankfurt/M. auch nicht. Die Bank lieferte keinen Beweis, dass sie tatsächliche Schwierigkeiten bei der Entscheidungsfindung im Vorstand hatte, die durch die Verkleinerung des Vorstandes überwunden wurden. Allein die Tatsache, dass die Abberufung für die Gesellschaft vorteilhaft ist, reicht nicht aus. Es muss unzumutbar sein, die bisherige Zusammensetzung des Vorstandes beizubehalten.

Das Personalabbaukonzept sollte erst zum Ende des Jahres 2016 abgeschlossen werden. Daher war die vorzeitige Abberufung bereits im 2013 nicht erforderlich und kann damit nicht gerechtfertigt werden. Dem Gericht zufolge, ein Abwarten des ordentlichen Endes der Amtszeit (bis zum Mai 2017) wäre in diesem Fall verhältnismäßiger gewesen. Außerdem vorsah der Anstellungsvertrag von Herrn Sieber, dass im Fall der vorzeitigen Beendigung des Dienstverhältnisses Vergütungsansprüche in Höhe von bis zu 2 Jahresentgelten bestehen bleiben. In Anbetracht der Koppelungsklausel bedeutet dies, dass die Bank trotz der Abberufung eine erhebliche Summe ohne Arbeitsgegenleistung zahlen muss. Das ist nach Auffassung des OLG Frankfurt/M. eher wirtschaftlich nachteilshafter, als das Vorstandmitglied bis zum Ablauf der Bestellungsperiode weiter zu beschäftigen und seine Arbeitsleistung zu bekommen. Damit liegt ein wichtiger Grund im Sinne des § 84 AktG auch nicht vor.

Das OLG Frankfurt/M. sieht in diesem Fall keine Tatsachen, die einen wichtigen Grund darstellen und erklärt den Widerruf der Bestellung zum Vorstandsmitglied für unwirksam.

Fazit

Die betriebsbedingten Gründe (Änderung der Unternehmenskultur, Neustrukturierung der Geschäftsleitung) können einen wichtigen Grund für die vorzeitige Abberufung des Vorstandsmitgliedes bilden. Aber es muss deutlich erkennbar sein, dass die Weiterbeschäftigung bis zum Ende der Amtszeit unzumutbar ist. Das ist der Fall, wenn dadurch zu schwere wirtschaftliche Nachteile für die Gesellschaft entstehen. Allein ein erheblicher Personalabbau sowie eine Umstrukturierung der Geschäftsfelder, wie es bei der Commerzbank AG war, können den vorzeitigen Widerruf der Bestellung zum Vorstandsmitglied nicht rechtfertigen.