Das LAG Nürnberg hat am 05.08.2015 über die Frage entschieden, ob Arbeitnehmer eigenständig Raucherpausen während ihrer Arbeitszeit einlegen dürfen, ohne Vergütungsabzüge zu erleiden. Jahrelang vergütete der Arbeitgeber die Raucherpausen seiner Angestellten. Mit Inkrafttreten einer neuen Betriebsvereinbarung, in welcher das „Ausstempeln“ beim Verlassen des Arbeitsplatzes aufgrund einer Raucherpause festgeschrieben wurde, beabsichtigte der Arbeitgeber nun die Ungleichbehandlung der nichtrauchenden Mitarbeiter abzustellen.

Sachverhalt

Geklagt hatte ein seit 1995 beschäftigter Staplerfahrer, welcher zuletzt 2.119 Euro brutto pro Monat verdiente. Im Betrieb des Klägers hatte es sich eingebürgert, dass sich die Arbeitnehmer, beim Verlassen ihres Arbeitsplatzes wegen einer Raucherpause, am Zeiterfassungsgerät weder ein- noch ausstempelten. Der Arbeitgeber tolerierte dies über Jahre hinweg und nahm für diese Raucherpausen keinen Entgeltabzug vor. Im Zuge der Gesundheitsreform und des Nichtraucherschutzgesetzes vereinbarten die Betriebsparteien eine Betriebsvereinbarung zum Thema „Rauchen im Betrieb“, welche zum 01.01.2013 in Kraft trat. Danach ist den Arbeitnehmern weiterhin gestattet Raucherpausen, zusätzlich zu ihren normalen Pausen, in speziell ausgewiesenen Raucherzonen, einzulegen, solange betriebliche Belange dadurch nicht beeinträchtigt werden. Ab diesen Zeitpunkt waren die Mitarbeiter jedoch verpflichtet, sich während der Dauer der Raucherpausen, am Zeiterfassungsgerät aus- und wieder einzustempeln. Im Zeitraum Januar bis März 2013 wurden dem Kläger, aufgrund seiner Raucherpausen, insgesamt 878 Minuten von der Arbeitszeit abgezogen und entsprechend ein Fehlbetrag von rund 185 Euro nicht vergütet. Daraufhin erhob dieser am 11.07.2014 Klage vor dem Arbeitsgericht Würzburg und verlangte die Bezahlung der Restbeträge für die Monate Januar bis März 2013. Dies begründete er mit dem Argument, dass durch die jahrelange Bezahlung der Raucherpausen eine betriebliche Übung entstanden sei, auf die er habe vertraue können.

Entscheidung

In erster Instanz wies das Arbeitsgericht Würzburg die Klage aufgrund fehlender Anspruchsgrundlage ab und betonte, dass die Voraussetzungen einer betrieblichen Übung nicht vorlägen. (ArbG Würzburg, 03.03.2015-10 Ca 996/14) Gegen dieses Urteil legte der Kläger am selben Tag Berufung beim Landesarbeitsgericht Nürnberg ein. Das LAG Nürnberg schloss sich der Entscheidung des ArbG Würzburg an und entschied, dass dem Kläger kein Anspruch auf Bezahlung, der durch die Raucherpausen entstandenen „Fehlbeträge“ in den Monaten Januar bis März 2013, zustehe.

Entscheidungsgründe

Das Gericht schloss eine gesetzliche, tarifliche sowie arbeitsvertragliche Anspruchsgrundlage aus. Eingehender geprüft wurde daher lediglich der mögliche Anspruch kraft betrieblicher Übung.

Erfüllen bezahlte Raucherpausen die Vorrausetzungen einer betrieblichen Übung?

Das BAG definiert in seiner ständigen Rechtsprechung die betriebliche Übung wie folgt:

„Unter einer betrieblichen Übung wird die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers verstanden, aus denen die Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmer einer bestimmten Gruppe schließen können, ihnen soll eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche des Arbeitnehmers auf die üblich gewordenen Leistungen. Eine betriebliche Übung ist für jeden Gegenstand vorstellbar, der arbeitsvertraglich in einer so allgemeinen Form geregelt werden kann. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist […] nicht der Verpflichtungswille des Arbeitgebers. Es ist vielmehr maßgeblich, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§ 133 BGB, § 157 BGB) verstehen durfte. Eine betriebliche Übung kann auch durch Duldung des Arbeitgebers entstehen.“ (BAG 11.04.2006)

Das LAG Nürnberg sprach sich gegen den Anspruch aus betrieblicher Übung aus. Als Grund nannte es zum Einen das Fehlen eines Verpflichtungswillens seitens des Arbeitgebers über den 01.01.2013 hinaus, die Raucherpausen zu vergüten. Ein entsprechendes Angebot einer Leistung von Seiten des Arbeitsgebers läge nicht vor. Der Kläger hätte nicht darauf vertrauen dürfen, dass die Beklagte weiterhin keinen Lohnabzug für Raucherpausen vornimmt. Zum Anderen läge auch keine regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen vor. Es fehle schon an der Gleichförmigkeit, da sich die Raucherpausen hinsichtlich des Umfangs und der zeitlichen Lage stark unterschieden. Der Kläger nannte lediglich einen Durchschnittswert von 60 bis 80 Minuten pro Mitarbeiter und Tag, wodurch jeder Arbeitnehmer unterschiedlich von der Lohnfortzahlung für Raucherpausen profitiere. Ferner hat die Beklagte erst nach Inkrafttreten der Betriebsvereinbarung einen Überblick über die Dauer und Häufigkeit der Raucherpausen erhalten. Dieser Umstand war für die Arbeitnehmer durchaus erkennbar. Auch hinsichtlich des täglichen Umfangs der Raucherpausen von 60 bis 80 Minuten konnten die Mitarbeiter nicht davon ausgehen, dass die Beklagte auf die Arbeitsleistung in dieser Zeit verzichtet und zugleich Dauer und Häufigkeit der Raucherpausen den Mitarbeitern frei überlässt. Trotz bisheriger Duldung dieses Umstandes, aufgrund unvollständiger Kenntnis, ist ein solcher Bildungswille der Beklagten, nach Inkrafttreten der Betriebsvereinbarung, auszuschließen. Nicht zu vergessen ist außerdem, dass sogar gesetzlich vorgeschriebene Pausen grundsätzlich unbezahlte Pausen sind.

Privilegierung der Raucher

Aber auch aufgrund einer offensichtlich erkennbaren Ungleichbehandlung der Nichtraucher, die rund 10 % mehr Arbeitsleistung erbringen mussten als ihre rauchenden Kollegen, hätten die Raucher nicht auf die Beibehaltung der Entgeltfortzahlung während der Raucherpausen vertrauen dürfen. Durch das Einführen der Verpflichtung zum Ausstempeln während der Raucherpausen und dem damit verbundenen Lohnabzug, wird diese Benachteiligung der nichtrauchenden Mitarbeiter wieder ausgeglichen.

Gesundheitsschutz als Arbeitgeberpflicht

Schlussendlich sind Arbeitgeber verpflichtet die Gesundheit ihrer Arbeitnehmer zu schützen, sowie möglichen Gesundheitsgefahren vorzubeugen. Durch die Bezahlung der Raucherpausen würde der Arbeitgeber aber genau dieser Verpflichtung entgegenwirken und Anreize zur Gesundheitsgefährdung geben und damit das Risiko krankheitsbedingter Fehlzeiten erhöhen.
Aufgrund der aufgeführten Argumente entschied das LAG Nürnberg, dass keine betriebliche Übung auf Bezahlung der Raucherpausen entstanden ist.

Fazit/Praxishinweis

Die Entscheidung des LAG Nürnberg macht deutlich, dass es Arbeitgebern grundsätzlich möglich ist die Bezahlung von Raucherpausen zu verweigern, selbst wenn sich dies zuvor über Jahre hinweg so eingebürgert hatte. Insbesondere die Argumente der Ungleichbehandlung von Nichtrauchern, sowie die Gesundheitsgefährdung der Belegschaft, können generell auf jegliches Arbeitsverhältnis angewendet werden. Arbeitgeber sollten jedoch stets, z.B. in Form einer Betriebsvereinbarung, unverkennbar verdeutlichen, dass eigenmächtig genommene Raucherpausen nicht vergütet werden und diese darüber hinaus ohne Ausstempeln nicht akzeptiert werden. Eine solche Missachtung der ausdrücklichen Pflicht zum Abstempeln kann laut LAG Rheinland-Pfalz einen Arbeitszeitbetrug darstellen, welcher gegebenenfalls eine außerordentliche, fristlose Kündigung (gem. § 626 BGB) des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen kann.
Zu guter Letzt ist festzuhalten, dass die Entscheidung des LAG Nürnberg das Rauchen während der Arbeitszeit unattraktiver macht und damit einen maßgeblichen Beitrag zum Nichtraucherschutz und der Gesundheitsprävention in Betrieben leistet.