In seinem Urteil vom 10.09.2015 befasst sich der BGH mit einem insolvenzrechtlichen Thema. Hierbei ging es um eine Gläubigerbenachteiligung, welche durch Überweisungen an ein Drittkonto entstanden ist. Zu klären war es, ob getätigte Überweisungen auch dann anfechtbar bleiben, wenn anschließend Barauszahlungen erfolgt sind.
Ausgangslage
Ein Insolvenzschuldner war geschäftsführender Gesellschafter einer GmbH. Dieser hatte sich für die Aufnahme eines Kredites der GmbH mit seinem Privatvermögen verbürgt. Schließlich geriet die GmbH in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Innerhalb dieser Zeit kündigte die Bank den Kreditvertrag und stellte die Forderung sofort fällig. Aus Angst davor, dass Gläubiger nun auch auf sein Privatvermögen zurückgreifen, überwies der Schuldner sein privates Girokontoguthaben (5.000 €) auf das mit der Ehefrau bestehende Gemeinschaftskonto. Den Betrag leitet die Ehefrau anschließend an ihr eigenes Konto weiter. Ebenso veranlasste der Schuldner eine Direktüberweisung des Rückkaufswertes (23.500 €) seiner Lebensversicherung an das Konto seiner Ehefrau. Damit der Schuldner weiter über die Beträge verfügen konnte, zahlte die Ehefrau diese vereinbarungsgemäß an den ihn in bar aus.
Gläubigerbenachteiligung
Sinn und Zweck der Insolvenzanfechtung aus §§ 129 ff. InsO ist es, Rechtshandlungen, welche vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind, rückgängig zu machen. Dadurch soll gewährleistet werden, dass die ursprüngliche Vermögenslage wieder hergestellt und eine gleichmäßige Gläubigerbefriedigung nach § 1 InsO erfolgen kann. Somit sind Rechtshandlungen anfechtbar, welche zu einer Gläubigerbenachteiligung geführt haben. Gemäß Rechtsprechung ist grundsätzlich von einer Gläubigerbenachteiligung auszugehen, sofern durch die vorgenommene Rechtshandlung des Schuldners entweder die Summe der Schulden vergrößert bzw. das Vermögen verkleinert wird und darüber hinaus der Zugriff für die Gläubiger auf das Vermögen des Schuldners ganz oder teilweise eingeschränkt worden ist.
Zu klären war es daher, inwiefern die Gläubiger durch die getätigten Transaktionen benachteiligt wurden. Der BGH bejahte im vorliegenden Fall die Gläubigerbenachteiligung gem. §§ 129, 133 InsO. Es kann nicht in Abrede gestellt werden, dass die Vermögensverschiebung des Schuldners an seine Ehefrau ein höchst unseriöses Verhalten darstellt. Die vorgenommenen Rechtshandlungen in Zeiten der schlechten Wirtschaftslage der GmbH sind lediglich zur Verwirklichung eigener Interessen erfolgt. Ziel des Ehepaares war es, das Privatvermögen vor jeglichen Zugriffen der Gläubiger zu schützen. Aufgrund der Überweisungen konnten die Geldbeträge nämlich nicht mehr unmittelbar dem Vermögen des Schuldners zugeordnet werden. Ein wertmäßiger Ausgleich war zwischen dem Ehepaar weder vereinbart, noch hätte dieser aus einem Herausgabeanspruch gemäß §§ 675, 667 BGB gegen die Ehefrau erlangt werden können. Auch hätten Vollstreckungshandlungen der Gläubiger in das Vermögen des Schuldners keinen Erfolg gehabt. Die Überweisungen sind daher lediglich zu dem Zweck erfolgt, um das Vermögen des Schuldners vorsätzlich zu verschleiern. Somit hatten die Gläubiger eine schlechtere Ausgangssituation zur Befriedigung ihrer Forderungen, welche nicht eingetreten wäre, wenn das Ehepaar die Überweisungen nicht vorgenommen hätte.
Keine Beseitigung der Benachteiligung durch Barauszahlung
Das vorläufige Eintreten einer Gläubigerbenachteiligung führt jedoch nicht zwangsläufig zur Anfechtungsbegründung nach §§ 129 ff. InsO. Im Allgemeinen kann davon ausgegangen werden, dass die gläubigerbenachteiligende Wirkung einer Rechtshandlung durch die Zurückführung des entzogenen Vermögens wieder rückgängig gemacht werden kann. Dafür wird grundsätzlich vorausgesetzt, dass das Rückgewähren der Beträge eindeutig zu dem Zweck erfolgt, die ursprüngliche Vermögenslage wieder herzustellen und die Verkürzung der Haftungsmasse ungeschehen zu machen (Urteil des BGH vom 04.07.2013 – IX ZR 229/12). Fraglich war es daher, ob die Barauszahlungen zur Beseitigung der benachteiligenden Wirkung führte und somit die vorgenommenen Buchungen nicht mehr nach §§ 129, 133 InsO anfechtbar gewesen wären.
Der BGH verneinte in diesem Fall die Rückgängigmachung der gläubigerbenachteiligende Wirkung. Richtigerweise ist davon auszugehen, dass durch die Barauszahlungen die Beträge wieder unmittelbar in das Vermögen des Schuldners gelangt sind. Jedoch erzielt die Auszahlung in bar eine andere Wirkung, als wenn die Beträge an den Schuldner zurück überwiesen worden wären. Die Barauszahlung verschaffte lediglich dem Schuldner die Möglichkeit wieder frei über sein Vermögen verfügen zu können. Allerdings wäre die Haftungsmasse für die Gläubiger immer noch objektiv verkürzt gewesen. Für weitere Vollstreckungshandlungen gemäß § 808 ZPO hätten die Gläubiger Kenntnisse über die Verschleierungstaten des Ehepaares haben müssen. Die Wirkung der Gläubigerbenachteiligung bestand also nicht nur fort, sondern wurde durch die Ehefrau weiter vertieft. Folglich ist das Vermögen nicht in die ursprüngliche Ausgangslage gebracht worden. In Anbetracht dieser Umstände kann selbstverständlich angenommen werden, dass sich das Ehepaar über die Wirkungsweise auf die Gläubiger bewusst war. Welchen Sinn hätten sonst die vorgenommenen Rechtshandlungen haben sollen?
Rechtsfolgen
Folglich hat der Schuldner zum Zeitpunkt der vorgenommenen Handlungen gemäß § 140 InsO die benachteiligende Wirkung für die Gläubiger willentlich in Kauf genommen und demnach mit Benachteiligungsvorsatz gehandelt. Diesbezüglich ist der Schuldner nach § 143 I InsO in Verbindung mit §§ 819 I, 818 IV, 292 I, 989 BGB zum Schadensersatz verpflichtet, in dem der gläubigerbenachteiligende Umstand eingetreten ist. Auch seiner Ehefrau wurde zumindest eine entsprechende Kenntnis über eine zumindest drohende Zahlungsunfähigkeit und dem Vorsatz der gläubigerbenachteiligenden Wirkung über die Rechtshandlung des Schuldners zugesprochen. Schließlich ist die Ehefrau auch nicht als uneigennützige Treuhänderin zu sehen. Durch die verdeckten Rückzahlungen an den Schuldner ist sie wie ein bösgläubiger Bereicherungsschuldner zu stellen. Daher ist die Ehefrau nach § 143 I InsO in Verbindung mit § 819 I BGB ab dem Zeitpunkt wie ihr Mann zum Wertersatz (28.500 €) verpflichtet.
Bedeutung für die Praxis
In dieser Konsequenz entfaltet das Urteil eine hohe Praxisrelevanz. Es kann die Anfechtbarkeit also nur dann ausgeschlossen werden, sofern das Rückgewähren eindeutig zur zweckbestimmten Beseitigung der benachteiligenden Wirkung erfolgt. Es wird dafür notwendig sein die ursprüngliche Vermögenslage wieder herzustellen, welche vor allem auch für die Gläubiger objektiv erkennbar sein muss. Damit einhergehend wird regelmäßig ein uneigennütziger Treuhänder notwendig sein. Ratsam ist es, wenn die Person des Treuhänders kein Familienangehöriger des Schuldners ist. Den Familienmitgliedern wird gemäß Rechtsprechung zumindest eine Kenntnis über die Zahlungsunfähigkeit unterstellt. Dies lässt darauf schließen, dass sie im Interesse des Schuldners handeln. Anfechtbar sind sämtliche Beträge aus vorgenommenen Rechtshandlungen, welche innerhalb der Anfechtungsfristen gemäß der §§ 129 ff. InsO eine gläubigerbenachteiligende Wirkung verursacht haben.
Erfolgt die Rückgabe durch den bloßen Transfer von Buchgeld, so sollten die Voraussetzungen zur Rückgängigmachung der Gläubigerbenachteiligung ohne weiteres erfüllt werden können. Die Barauszahlung wird wohl weiterhin eine problembehaftete Möglichkeit der Rückgabe darstellen. Die Schwierigkeit dabei ist, die objektive Wiederherstellung des ursprünglichen Vermögens für die Gläubiger erkennbar zu machen und die Beseitigung der benachteiligenden Wirkung ohne größeren Aufwand sicherzustellen.
Die Entscheidung des BGH ist für die Praxis zu begrüßen und bestätigt den Standpunkt zur objektiven Gläubigerbenachteiligung, die unabhängig von der Barrückführung nicht insolvenzfester Verfügungen vorliegen kann.
Angenommen das Urteil wäre zu Gunsten der Beklagten entschieden worden, wäre es ein Sprungbrett für Schuldner, die den Verlust ihres privaten Vermögens befürchten müssen, dieses zu sichern und darüber frei zu verfügen.
Das verfolgte Ziel der §§ 129, 133 InsO, der Gläubigerschutz würde durch einen verschleierten Umtausch in gewisser Weise ausgehebelt werden, zumal im vorliegenden Fall von einer vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung ausgegangen werden kann und es nicht denkbar ist, dass der Schuldner das Geld der Insolvenzmasse zurück geführt hätte. Eine entgegengesetzte Entscheidung würde eine böswillige Energie freisetzen, die im Endeffekt nur den Gläubigern schadet und somit nicht dem gewollten Schutz des Gesetzgebers entspricht.