Am 24.09.2014 urteilte das Bundesarbeitsgericht, dass bei mangelnder Festlegung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeitdauer nicht zwangsläufig von einem Vollzeitarbeitsverhältnis ausgegangen werden könne und der Arbeitgeber nur für die tatsächlich geleistete Arbeitszeit entlohnt werden dürfe. Damit distanzierte sich das Gericht von früheren Entscheidungen, die es in vergleichbaren Fällen getroffen hatte. Worin die Gründe hierfür liegen, wird im Folgenden erläutert.

Der Fall – drei Instanzen – drei Entscheidungen

Am 06.05.2009 stellte ein Hotelrestaurant einen Koch mit folgender arbeitsvertraglicher Klausel ein:

„Es ist eine Festbeschäftigung mit flexibler Arbeitszeit nach den betrieblichen Erfordernissen vereinbart.“

Von einer ausdrücklichen Festlegung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit hat der Arbeitgeber abgesehen.
Berücksichtigt man ausschließlich die Monate, in denen der Kläger durchgängig beschäftigt war und für die er eine Lohnabrechnung vorlegen konnte, ergibt sich für elf Monate eine durchschnittliche Anzahl von 127 Arbeitsstunden. Damit lag der Kläger knapp unter einer 30-Stunden-Woche.

Dennoch beanspruchte er nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Klage vor dem Arbeitsgericht Karlsruhe (kostenpflichtig über Beck-Online abrufbar) die nachträgliche Zahlung der Differenz zu den Vergütungen, die ihm für diesen Zeitraum bei einer 48-Stunden-Woche – hilfsweise einer 39-Stunden-Woche – zugestanden hätten. Die Arbeitgeberin sei in Annahmeverzug geraten.
Inhaltlich erklärte das Gericht die Annahme einer 48-Stunden-Woche für unbegründet, nicht jedoch die der 39-Stunden-Woche. Allerdings sei die Frist für die Erhebung der Klage abgelaufen, weshalb der Klage nicht stattgegeben werden könne.

Daraufhin unternahm der Kläger einen zweiten Anlauf vor dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (kostenpflichtig über Beck-Online abrufbar). Diesmal stützte er seine Forderung gleich auf die Annahme einer 39-Stunden-Woche. Das Gericht bemängelte weder den geltend gemachten Anspruch, noch den Termin der Klageerhebung. Seine Klage hatte Erfolg.

„Aller guten Dinge sind drei“ muss sich die Beklagte gedacht haben, als sie über zwei Jahre nach der letzten Entscheidung vor das Bundesarbeitsgericht trat und in Revision ging. Diesmal urteilte das Gericht, der Kläger habe ausschließlich einen Anspruch auf Vergütung der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit.

Wie ist die Rechtslage?

Dass wesentliche Vertragsinhalte fehlen oder ungenau sind, ist keine Seltenheit. Ein Vertrag verliert dadurch jedoch nicht automatisch an Gültigkeit. Vielmehr ist die vertragliche Lücke beziehungsweise Unklarheit in einem solchen Fall anhand rechtlicher Vorgaben und der tatsächlichen Umstände auszulegen.
Da im Arbeitsvertrag keine Formulierung zur regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit getroffen wurde, scheint es zunächst naheliegend, den Arbeitgeber für die tatsächlich geleistete Arbeitszeit zu entlohnen.
Bevor die Beurteilung des Sachverhalts an dieser Stelle und mit dieser Schlussfolgerung endet, sollte jedoch geprüft werden, ob das Gesetz im Falle der Nichtfestlegung der Arbeitszeitdauer nicht eine andere Konsequenz vorsieht.
Grundsätzlich spricht gem. § 12 Abs. 1 S. 1 TzBfG nichts gegen eine Vereinbarung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer, in der sie eine flexible Arbeitszeitdauer abhängig vom tatsächlichen Arbeitsanfall vereinbaren. Dabei sollten sie jedoch nicht vergessen, nach § 12 Abs. 1 S. 2 TzBfG eine wöchentliche Mindestarbeitszeitdauer festzulegen. Andernfalls sei gem. § 12 Abs. 1 S. 3 TzBfG von einem Teilzeitarbeitsverhältnis mit mindestens zehn wöchentlichen Arbeitsstunden auszugehen.
Folglich gibt es eine gesetzliche Regelung für die Vertragsauslegung im Falle der Nichtfestlegung der regelmäßigen Arbeitszeitdauer. Mit einem Rückgriff auf die tatsächlich geleistete Arbeitszeit wird dieser nicht gerecht. Vielmehr muss ein Teilzeitarbeitsverhältnis angenommen werden. Fraglich ist nur, in welchem Umfang. Denn, gibt es einen Tarifvertrag, der Bestimmungen zur täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit enthält, kann gemäß § 12 Abs. 3 S. 1 TzBfG von den Bestimmungen nach § 12 Abs. 1 TzBfG abgewichen werden.
Das Hotelrestaurant unterliegt dem fachlichen Geltungsbereich des für allgemeinverbindlich erklärten Manteltarifvertrages (MTV) Hotel- und Gaststättengewerbe Baden-Württemberg. § 6 A Nr. 1 dieses MTV legt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit der Vollzeitmitarbeiter auf 39 Stunden, § 6 D MTV die der Teilzeitmitarbeiter auf 30 Stunden pro Woche fest.
Daneben räumt § 6 A Nr. 2 MTV Vollzeitmitarbeitern unter bestimmten Voraussetzungen die Vereinbarung einer flexiblen Arbeitszeitgestaltung ein. An der Dauer der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden ändert sich hierdurch jedoch nichts.

Was gilt – die Annahme eines Teilzeitarbeitsverhältnisses nach § 12 Abs. 1 S. 3 TzBfG mit einer Mindestarbeitszeit von zehn beziehungsweise nach § 6 A Nr. 1 MTV von 30 Stunden pro Woche oder die eines Vollzeitarbeitsverhältnisses nach § 6 D MTV mit 39-Wochen-Stunden?

Die Feststellung eines Vollzeitarbeitsverhältnisses nach Tarifvertrag wäre für den Arbeitnehmer von Vorteil. Schließlich stünde ihm dann die Nachzahlung der Differenz zu den Vergütungen zu, die er bei einer 39-Stunden-Woche verdient hätte, ohne dass er diese 39 Stunden tatsächlich geleistet haben müsste, geht man davon aus, dass der Arbeitgeber in Annahmeverzug geraten ist.

In Annahmeverzug gerät der Arbeitgeber nach § 615 BGB, wenn er die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit des Arbeitnehmers von diesem nicht in Gänze beansprucht.
Eine weitere Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer seine Leistung tatsächlich nach § 294 BGB beziehungsweise unter bestimmten Voraussetzungen zumindest wörtlich nach § 295 BGB angeboten hat. Bei einer Vereinbarung über Arbeit auf Abruf ist ein solches Angebot des Arbeitnehmers jedoch entbehrlich. Es kann davon ausgegangen werden, dass es gar keine Arbeit gab, die der Arbeitnehmer hätte verrichten können, andernfalls hätte ihn die Arbeitgeberin abberufen.

Für die Prüfung der Frage, ob die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit vom Arbeitgeber beansprucht wurde, kommt man nicht um die Ermittlung dieser herum. Denn, geht man von einer 30- oder 39-Stunden-Woche aus, hätte der Arbeitgeber tatsächlich weniger Arbeit angenommen als vertraglich vereinbart. Eines Angebotes hätte es aufgrund der Abruf-Vereinbarung nicht bedurft. Die Voraussetzungen des Annahmeverzuges wären erfüllt. Dem Arbeitnehmer stünde ein nachträglicher Verdienstausgleich zu. Geht man hingegen von einer Mindestarbeitszeit von 10-Wochen-Stunden aus, hätte der Arbeitnehmer nicht weniger als vertraglich vereinbart gearbeitet. Somit läge auch kein Annahmeverzug vor. Der Arbeitnehmer würde lediglich für die tatsächlich geleistete Arbeitszeit entlohnt.

Mit der hier getroffenen Abrufregelung versucht der Arbeitgeber § 615 BGB zu umgehen, indem er das eigene wirtschaftliche Risiko, den Arbeitgeber nicht für eine bestimmte Zeit beschäftigen zu können und trotzdem bezahlen zu müssen, komplett auf den Arbeitnehmer abgewälzt. Dabei verliert der Arbeitnehmer jegliche zeitliche und finanzielle Planungssicherheit.
Für Arbeitsverträge gilt die gleiche Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff BGB wie für allgemeine Geschäftsbedingungen. Aus § 307 Abs. 1 S. 1 BGB ergibt sich, dass Bestimmungen, die den Vertragspartner unangemessen benachteiligen, unwirksam sind.
Eine unangemessene Benachteiligung kann sich gem. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB bereits daraus ergeben, dass Klauseln des Vertrages nicht klar und verständlich sind. So ist es hier der Fall. Allein, dass die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeitdauer nicht vertraglich festgehalten wurde, verstößt gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S.2 BGB.
Demzufolge ist die fehlende arbeitsvertragliche Regelung zur wöchentlichen Mindestarbeitszeit unwirksam und bedarf der Auslegung. Die getroffenen Absprachen sind dabei so zu interpretieren, wie sie von redlichen und verständigen Vertragspartnern unter Abwägung der beidseitigen Interessen zu verstehen wären, wobei das Verständnis eines durchschnittlichen Verwenders zu Grunde zu legen ist.

Auslegung der ersten beiden Instanzen

Allein, dass im Arbeitsvertrag keine Formulierung zur regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit getroffen worden ist, sei ein Indiz für die Anwendung des MTV gewesen. Für die Annahme eines Vollzeitarbeitsverhältnisses nach § 6 A Nr. 1 MTV habe gesprochen, dass im Arbeitsvertrag nicht explizit von einem Teilzeitarbeitsverhältnis die Rede war. Hätten die Parteien ein solches gewollt, hätten sie dies sicherlich auch so festgehalten. Weiterhin sei es so zu verstehen gewesen, dass sich die Abrede der „flexiblen Arbeitszeit“ auf die tarifvertragliche Bestimmung des § 6 A Nr. 2 MTV bezog, welche für Vollzeitarbeitsverhältnisse gelte. Wenn also im Arbeitsvertrag „flexibel“ stand, dann konnte sich das nur auf die Lage, nicht aber die Dauer der Arbeitszeit bezogen haben. Zudem seien die Voraussetzungen aus § 6 A Nr. 2 MTV für eine flexible Arbeitszeitgestaltung im Fall erfüllt gewesen.
All das waren für die ersten beiden Instanzen Gründe, von einer 39-Stunden-Woche auszugehen. Demnach hätte der Arbeitnehmer tatsächlich weniger gearbeitet als er angeboten hatte. Die Voraussetzungen des Annahmeverzuges wären erfüllt und der Anspruch des Arbeitnehmers begründet gewesen.

Auslegung des Bundesarbeitsgerichtes

So einfach sei es nicht. Die Arbeitszeit vom Arbeitsanfall abhängig zu machen, zeige einen anderen Parteiwillen. Ausdrücklich sei im Arbeitsvertrag nicht von einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit die Rede gewesen. Hätten die Parteien diese gewollt, hätten sie das so festgehalten. Und dass von einer „Festbeschäftigung“ die Rede ist, meine lediglich, dass der Arbeitnehmer mehr als eine Aushilfe sei, nicht aber, dass er in Vollzeit beschäftigt wäre. Ein redlicher Arbeitnehmer dürfe daher nicht annehmen, es sei ein Vollzeitarbeitsverhältnis begründet worden. Er müsse vielmehr davon ausgehen, dass nicht nur die Lage, sondern auch die Dauer der Arbeitszeit variabel sei und die regelmäßige Arbeitszeit im Durchschnitt unter der eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers bleibe. Schließlich mache eine flexible Arbeitsform nur mit niedriger Mindestarbeitszeit Sinn. Es folgt ein Rückgriff auf die gesetzliche Regelung aus § 12 Abs. 1 S. 3 TzBfG, wonach eine wöchentliche Mindestarbeitszeit von zehn Stunden anzunehmen sei. Damit bestünde kein Annahmeverzug. Die Forderungen seien unbegründet.

Entscheidungen anderer Gerichte

Diese Argumentation scheint mindestens genauso überzeugend, wären da nicht die abweichenden Entscheidungen in vergleichbaren Fällen. Auszugsweise werden an dieser Stelle fünf Entscheidungen vorgestellt.

Zunächst drei Fälle, die sich vom Ausgangsfall dahingehend unterscheiden, dass die jeweiligen Arbeitnehmer hinsichtlich des Zeitumfangs tatsächlich wie eine Vollzeitarbeitskraft gearbeitet haben.

So urteilte das BAG im Oktober 2008, dass, wenn keine Formulierung zur regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit getroffen worden ist und im Arbeitsvertrag keine Rede von Teilzeit war, im Zweifel von einem Vollzeitarbeitsverhältnis auszugehen sei.

Ähnlich verlautete es das LAG Düsseldorf im April 2012. Mangels gültigem Tarifvertrag musste nach dem mutmaßlichen Parteiwillen ermittelt werden. Auch diesmal sei ausdrücklich kein Vollzeitarbeitsverhältnis vereinbart worden. Dennoch wäre die Annahme einer 10-Stunden-Woche in Anbetracht der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit genauso wenig interessensgerecht. Hinzu käme, dass es in einem solchen Fall dem Arbeitgeber nicht unzumutbar ist, von der Begründung eines Vollzeitarbeitsverhältnisses auszugehen.

In einem weiteren Fall wurde lediglich vertraglich festgehalten, dass der Arbeitnehmer im monatlichen Durchschnitt 150 Stunden zu arbeiten habe. Im für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrag stand, dass die Mindestarbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten im Monat 160 Stunden betrage. Die arbeitsvertragliche Formulierung sei zu unklar gewesen, weshalb an ihre Stelle die tarifvertragliche trete. In Anbetracht der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit sei dies für den Arbeitgeber erneut keine unzumutbare Härte, so das BAG im Juni 2011.

In zwei weiteren Fällen bezog man sich auf die durch die Rechtsprechung normierte 25-Prozentklausel.

So hieß es im Januar 2005 vom BAG, der widerrufliche Teil am Gesamtverdienst solle maximal 25-30 Prozent am Gesamtverdienst betragen und den Tariflohn nicht unterschreiten.

Im Dezember 2005 entschied das BAG einen Fall, bei dem im Arbeitsvertrag von einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden die Rede war, welche auf maximal 40 Stunden ausgedehnt werden könne. Erneut griff das Gericht auf die 25-Prozentregel zurück, wonach hier die maximale wöchentliche Arbeitszeit lediglich 37,5 Stunden betragen dürfe.

Fazit

Es verwundert, warum das BAG nicht auch dieses Mal auf die 25-Prozentregel zurückgriff. Dies hätte zu einem eindeutigen Ergebnis geführt. Vergleicht man nämlich die tatsächlich vom Kläger geleistete Arbeitszeit mit der, die bei einer 10-Stunden-Woche maximal möglich gewesen wären – 10,25 Stunden –, kommt man zu dem Schluss, dass der Kläger weit darüber lag. Allein aus diesem Grund und zum Schutz des Arbeitnehmers hätte das Gericht nicht mehr von einem Teilzeitarbeitsverhältnis mit 10-Wochen-Stunden ausgehen dürfen. Naheliegend wäre ein Rückgriff auf die tarifvertragliche Regelung aus § 6 D MTV gewesen, wonach ein Teilzeitarbeitsverhältnis 30 Stunden pro Woche umfasst. Dies wäre die interessensgerechteste Lösung gewesen. Schließlich hat der Kläger tatsächlich beinahe 30 Stunden pro Woche gearbeitet. Aus diesem Grund wäre es für die Beklagte nicht unzumutbar gewesen, von einer Mindestarbeitszeit von 30 Stunden pro Woche auszugehen. Zwar wäre sie dann in Annahmeverzug geraten, was das Recht des Klägers auf Nachzahlungen begründet. Diese wären jedoch nicht allzu hoch gewesen. Die Beklagte wäre für die unklare Formulierung im Arbeitsvertrag zur Rechenschaft gezogen worden – jedoch in keinem unverhältnismäßig hohem Maße. Zudem hätte diese Entscheidung eine klare Linie in der Urteilsweise des Gerichtes erkennen lassen.