Darf der Gesellschafter einer Personengesellschaft von den Sanierungsbeiträgen seiner Mitgesellschafter profitieren, ohne einen eigenen zu leisten? Unter Hinweis auf die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht hat der BGH das in der viel beachteten Entscheidung „Sanieren oder Ausscheiden“ verneint. Die Rechtsprechung hat der II. Senat im Juni 2015 bestätigt und verfeinert.
„Sanieren oder Ausscheiden“
Die Entscheidung „Sanieren oderAusscheiden“ haben wir an anderer Stelle in diesem Blog besprochen. Der Bundesgerichtshof hat darin deutlich gemacht, dass der Gesellschafter im Ausnahmefall zur Zustimmung zu einem Beschluss verpflichtet sein kann, in dem ihm die Wahl zwischen der Teilnahme an freiwilligen Nachschüssen und dem Ausscheiden aus der Gesellschaft gegeben wird. Verweigert er treupflichtwidrig die Zustimmung, so wird er behandelt, als hätte er sie erteilt. Voraussetzung für die Zustimmungspflicht ist nach der Rechtsprechung, dass im Zeitpunkt der Beschlussfassung die Sanierung der Gesellschaft unter Aufbringung neuen Kapitals, verglichen mit den Folgen einer ansonsten unvermeidlichen Zerschlagung wirtschaftlich sinnvoll war, und dass der Gesellschafter infolge seines Ausscheidens finanziell nicht schlechter gestellt ist als im Falle der Zerschlagung der Gesellschaft.
Die Ausnahme: Vertragliche Regelungen
Der Grundsatz kennt nach dem BGH eine Ausnahme für den Fall, dass der Gesellschaftsvertrag eine alternative Gestaltung für die Durchführung von Sanierungsversuchen vorsieht. Dann dürfen auch zusätzliche Anforderungen an die Zustimmungspflicht des Gesellschafters gestellt werden. Im konkreten Fall enthielt der Gesellschaftsvertrag eine Verwässerungsklausel. Die Gesellschafter konnten im Krisenfall, wenn sie sich auf eine einstimmige Kapitalerhöhung nicht einigen konnten, ihre Einlagen erhöhen und dadurch die quotale Beteiligung der nicht nachschussbereiten Gesellschafter verringern. Solche für den opponierenden Gesellschafter günstigeren Regeln des Gesellschaftsvertrages haben nach der Rechtsprechung des BGH Vorrang vor der Anwendung der gesellschafterlichen Treuepflicht nach dem Grundsatz von „Sanieren oder Ausscheiden“.
Neue Unterausnahme: Die verdrängende Regelung muss wirksam sein
Diese Ausnahme hat der Bundesgerichtshof nun noch einmal konkretisiert. Sie gilt danach nur dann, wenn die abweichenden Regelungen im Gesellschaftsvertrag wirksam ist. Das setzt insbesondere voraus, dass die Grenzen, die die Rechtsprechung für Mehrheitsentscheidungen setzt, eingehalten sind.
Der Sachverhalt der Entscheidung
Im konkreten Fall enthielt der Gesellschaftsvertrag eine differenzierte Regelung, wonach vom Gesellschafter Nachschüsse bei fehlender Liquidität zu leisten seien, jedoch stets nur quotal entsprechend seiner Beteiligung an der Gesellschaft. Zudem war geregelt, dass der Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheiden müsse, wenn er „vereinbarte Nachschüsse“ nicht leistet. Eine Obergrenze oder sonstige einschränkende Regelungen enthielt der Vertrag nicht, dafür aber eine Regelung, wonach Änderungen des Gesellschaftsvertrages mit einer Mehrheit von 75% möglich seien.
Vor diesem Hintergrund fasste die Gesellschafterversammlung des unterdessen überschuldeten Fonds im Rahmen eines Sanierungskonzepts mit einer Mehrheit von über 90 % den Beschluss, dass Nachschüsse zur Restrukturierung zu leisten seien und die Gesellschafter, die dazu nicht bereit seien, aus der Gesellschaft ausscheiden. Weil die Kapitalkonten negativ waren, verlangte die Gesellschaft vom Beklagten, der dem Beschluss nicht zugestimmt hatte, einen Auseinandersetzungsbetrag von etwa 30.000 EUR.
Rechtsfragen
Der Erfolg der Klage setzte ein Ausscheiden des Gesellschafters aus dem Fonds voraus. Aus dem Gesellschaftsvertrag ergab sich diese entgegen dem Wortlaut nicht, denn Mehrheitsklauseln, mit denen eine Nachschusspflicht (und in der Folge der Nichterfüllung das Ausscheiden) begründet wird, verstoßen gegen § 707 BGB. Danach kann kein Gesellschafter gegen seinen Willen zu Nachschüssen herangezogen werden (Näheres habe ich dazu in ZIP 2015, 256 ff. ausgeführt). Es war also zu klären, ob die Regeln der Entscheidung „Sanieren oder Ausscheiden“ anzuwenden waren, obwohl der Gesellschaftsvertrag in diesem Bereich eine Regelung vorsah, die wegen ihrer Unwirksamkeit allerdings dazu führte, dass aus dem Gesellschaftsvertrag allein der Gesellschafter nicht zur Zahlung von Nachschüssen oder zum Ausscheiden verpflichtet war.
Die gegenüber dem opponierenden Gesellschafter nichtige Regelung des Gesellschaftsvertrages konnte nach Auffassung des BGH die Anwendbarkeit der Grundsätze der Entscheidung „Sanieren oder Ausscheiden“ nicht verdrängen. Der Bundesgerichtshof bestätigt in seiner hier besprochenen Entscheidung, dass die Zustimmungspflicht zu einem Beschluss nach dem Muster „Sanieren oder Ausscheiden“ jedem Gesellschaftsvertrag über die gesellschafterliche Treuepflicht immanent ist, so dass es auf die Formulierung des Vertrages und die Wirksamkeit eventueller Klauseln nicht ankommt.
Fazit
Die wichtige Rechtsprechung „Sanieren oder Ausscheiden“ bestätigt der BGH erfreulicherweise ausdrücklich. Nichtige Vertragsregeln können nicht gegen sie in Stellung gebracht werden, denn die Zustimmungspflicht ergibt sich unmittelbar aus der gesellschafterlichen Treuepflicht und ist daher jedem Gesellschaftsvertrag immanent. Die Ausnahme aber, dass der Vertrag einschränkende oder modifizierende Regeln vorsehen kann, bleibt erhalten.
Zudem erhält die Rechtsanwendung die erfreuliche (wenn auch nicht überraschende) Klarstellung, dass die Rechtsprechung für alle Publikumsfonds in der Rechtsform einer Personengesellschaft, sei es eine GbR, eine OHG oder eine KG, anwendbar ist.
Auf dem ersten Blick scheint das vorstehende Urteil – in Verbindung mit der vorhergehenden Entscheidung des BGH – ein harter Schlag für einen Gesellschafter zu sein. Sollte die Gesellschaft, an der der Gesellschafter etwaige Geschäftsanteile hält, in finanzielle Schwierigkeiten geraten sein, so hat doch der Gesellschafter keinerlei Wahlmöglichkeiten und wird nahezu „gezwungen“ zum Erreichen des Gesellschaftszwecks finanzielle Mittel beizusteuern. Dies scheint zunächst fragwürdig, besonders vor dem Hintergrund, da nicht garantiert ist, dass sich die Gesellschaft daraufhin erholt.
Sieht man sich aber die Stellung eines jeden Gesellschafters genauer an, so sind die vorstehenden Entscheidungen mehr als gerechtfertigt. Die Treuepflicht eines Gesellschafters beinhaltet ja gerade ein loyales Verhalten gegenüber der Gesellschaft, aktiv ihre Zwecke zu fördern und Schaden von ihr abzuhalten. Ist es nicht besonders bei einer finanziellen Schieflage der Gesellschaft die Pflicht eines jeden Gesellschafters diese zu verhindern bzw. ihr entgegenzuwirken?
Sollte der Sanierungsversuch in Form einer Kapitalerhöhung tatsächlich Erfolg haben, so kann es ebenfalls nicht gerechtfertigt sein, dass die Gesellschafter, welche die finanzielle Besserung herbeigeführt haben, nun den verdienten Erfolg mit den anderen Gesellschaftern teilen müssen, die eben dies nicht taten.
Daher finde ich es sehr wichtig, dass der BGH seine Entscheidung „Sanierung und Ausscheiden“ auch in der vorstehenden Entscheidung bei nichtigen Vertragsregelungen noch einmal bestärkt hat.