Am 9. Oktober 2013 trat das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken in Kraft. Darin waren mehrere Änderungen für die Bereiche Inkassowesen, Telefonwerbung und Abmahnwesen enthalten. Das Gesetz ist eine Reaktion des Gesetzgebers auf die sich häufenden Beschwerden von Bürgern über unseriöse Geschäftspraktiken in diesen Bereichen. Enthalten ist eine Neuregelung des § 97 a UrhG, der erst 2008 eingeführt wurde und den Ersatz der Aufwendungen für eine urheberrechtliche Abmahnung regelt. Ziel der Neufassung war es, den Internetnutzer vor der zunehmend ausufernden Abmahnpraxis mancher Kanzleien aufgrund von geringfügigen Urheberrechtsverletzungen und vor den damit einhergehenden teils erheblichen Gebührenforderungen besser zu schützen. Doch hat das Gesetz tatsächlich die verfolgte Wirkung erzielt oder handelt es sich dabei nur um gut gemeinte aber schlecht gemachte staatliche Regulierung?
Inhalt der Regelung
In der Gesetzesbegründung (BT Drucksache 17/13057) ist zu lesen, dass die Neuregelung des § 97 a UrhG zu mehr Transparenz und für den Verbraucher führen soll. Dies soll durch bestimmte inhaltliche Anforderungen an Abmahnungen geschehen. In § 97 a II UrhG wurden nun die Wirksamkeitsvoraussetzungen für urheberrechtliche Abmahnungen neu geregelt. Dem Abmahnenden werden dabei umfangreiche Informationspflichten auferlegt. So muss die Abmahnung klar und verständlich formuliert sein. Nach § 97 a II Nr. 1 UrhG muss der Name oder die Firma das Abmahners angegeben werden, sodass dieser klar identifizierbar ist. Die Rechtsverletzung ist genau zu bezeichnen (Nr. 2) und die geltend gemachten Zahlungsansprüche müssen in Schadensersatz- und Aufwendungsersatzansprüche unterteilt werden (Nr. 3). Die bislang häufig geforderten Pauschalbeträge sind demnach nicht mehr zulässig. Zudem muss eine etwaig beigefügte Unterlassungserklärung genau dem Verstoß entsprechen oder einen Hinweis enthalten, inwieweit diese über die Rechtsverletzung hinaus geht (Nr. 4). Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, ist die Abmahnung nach § 97 a II S. 2 UrhG unwirksam. Gem. § 97 a III S. 1 UrhG besteht dann kein Anspruch auf Kostenerstattung, sofern die Wirksamkeit der Abmahnung nicht durch ein zweites Schreiben geheilt wird.
Nach § 97 a III UrhG dürfen abmahnende Anwälte ihre Gebühren für Unterlassungsansprüche nunmehr nur noch aus einem Gegenstandswert von maximal 1.000 Euro berechnen. Dadurch werden die Abmahngebühren gedeckelt und es soll erreicht werden, dass der Abgemahnte nicht mehr mit überzogenen Forderungen unverhältnismäßig benachteiligt wird. Jedoch gilt die Deckelung der Gebühren dann nicht, wenn der genannte Wert nach den Umständen des Einzelfalls unbillig ist (§ 97 a III S. 4 UrhG). Zudem besteht der Anspruch des Abmahnenden auf Kostenerstattung nur, wenn die Abmahnung wirksam und berechtigt ist. Mahnt eine Kanzlei, einen Verbraucher also in nicht berechtigter Weise ab, um Profit zu machen, so ist die Abmahnung missbräuchlich und der Anspruch entfällt.
Weiterer Bestandteil der Neuregelung ist ein möglicher Gegenanspruch des Abgemahnten gem. § 97 a IV S. 1 UrhG. Demnach hat der Abgemahnte nun im Falle einer unberechtigten oder unwirksamen Abmahnung Anspruch auf Ersatz der Kosten für seine Rechtsverteidigung. Somit soll der Abmahnung als Instrument zur Rechtsverfolgung insgesamt wieder mehr Akzeptanz verliehen werden.
Prozessual kommt dem Abgemahnten auch die Änderung des § 104 a I UrhG zu Gute. So kann dieser nun ausschließlich am Gericht seines Wohnsitzes verklagt werden und nicht wie bislang an jedem beliebigen Gericht.
Vorteile aus Verbrauchersicht?
Aus Verbrauchersicht ergeben sich aus den genannten Neuregelungen einige Vorteile. Neben unberechtigten Abmahnungen lösen nun auch unwirksame Abmahnungen einen Gegenanspruch des Abgemahnten gem. § 97 a IV S. 1 UrhG aus. Dies stärkt die Position zu Unrecht Abgemahnter.
Die Ausnahme des § 97 a III S. 4 UrhG wonach die Gebührendeckelung nicht greift, wenn der genannte Wert nach den Umständen des Einzelfalls unbillig ist, kann kritisch betrachtet werden. Die Regelung enthält einen auslegungsbedürftigen, unbestimmten Rechtsbegriff. Was unbillig bedeutet muss also im Einzelfall entschieden werden. Die Ausnahme kann so leicht zur Regel werden und die Gebührendeckelung wirkungslos. Andererseits hat der abmahnende Rechteinhaber zu beweisen, warum ein Abweichen vom Wertansatz nach oben als Ausnahme gerechtfertigt ist, was im Massenabmahnungsgeschäft nicht einfach sein dürfte.
Auch die Deckelung des Streitwerts gem. § 97 a III UrhG erweist sich bei genauerer Betrachtung als problematisch. Tatsächlich haben sich die Kosten für den abgemahnten Verbraucher wohl nicht reduziert. Die Praxis der Abmahnkanzleien umgeht die Deckelung der Gebühren weitgehend, indem nun anstelle hoher Aufwendungsersatzforderungen in gleichem Maße höhere Schadensersatzsummen gefordert werden. Laut einer inoffiziellen Statistik der Interessengemeinschaft gegen den Abmahnwahn betrugen die durchschnittlichen Forderungen der Abmahnkanzleien im Jahr 2014 934 €. Verglichen mit dem durchschnittlichen Betrag von 760 € aus dem Vorjahr, sind die Forderungen sogar gestiegen. Die finanzielle Lage abgemahnter Verbraucher sollte sich damit also kaum gebessert haben.
Lediglich die Anzahl der Abmahnungen ist in den letzten Jahren gesunken. Wurden im Jahr 2012 noch 110.420 Abmahnungen verschickt, so waren es 2013 nur noch 108.975 Abmahnungen insgesamt. Für 2014 ist ein deutlicherer Rückgang um 31,6 % auf 74.547 Abmahnungen zu verzeichnen gewesen. Ob dies allerdings unmittelbar auf die gesetzlichen Neuregelungen zurückgeführt werden kann, darf bezweifelt werden.
Positiv kann vor allem die Änderung des § 104 a Abs. 1 UrhG gesehen werden. Diese führt dazu, dass eine differenziertere Rechtsprechung erwartet werden kann, da die Abmahnkanzleien nicht mehr an den ihnen wohlgesonnenen Gerichten Klage erheben können.Insgesamt kann also festgehalten werden, dass die gesetzlichen Neuregelungen in gewissem Umfang wirkungsvoll sind. Dies ist vor allem der Stärkung der Position des Abgemahnten durch die Einführung eines Gegenanspruchs bei unwirksamer Abmahnung sowie der Deckelung der Abmahngebühren geschuldet. Auch die Neuregelung des Gerichtsstands hat Anteil am verbesserten Schutz des Verbrauchers.
Wenn das Gesetz noch in diesem Jahr vom Gesetzgeber evaluiert wird, werden diese Aspekte zu berücksichtigen sein. Ob es anschließend tatsächlich zu einer Änderung oder einer Neuregelung kommt bleibt abzuwarten. Auch das vom BGH erwartete Urteil hinsichtlich des Streaming von Daten im Internet kann mit Blick auf die Abmahnproblematik mit Spannung erwartet werden und wird hoffentlich weitere Rechtssicherheit schaffen.
Maßgebliche Quellen: http://www.lto.de//recht/hintergruende/h/gesetzunserioesegeschaeftspraktikenmassenabmahnungenfilesharing/
Filesharing Abmahnwesen Deutschland, Jahresstatistik 2014, 2013, 2012