Heutzutage sind Vorstellungsgespräche nichts „Seltenes“ – für manch einen sogar der tägliche Spaziergang. Von einem Unternehmen zum nächsten, um u. a. nach längerer Arbeitslosigkeit wieder in ein geregeltes Leben zurückzukehren. Jedoch ist man  am Arbeitsmarkt nicht allein und somit stets mit gleichwertigen, insbesondere besser qualifizierteren, Bewerberinnen und Bewerbern in Konkurrenz. Es ist daher klar, dass ein Arbeitgeber bereits anhand der Bewerbungen schon eine erste Entscheidung fällt, wer geeigneter für den Job sein könnte. Was ist allerdings, wenn darüber in der Einladung eine Mitteilung erfolgt? Ist das erlaubt oder ein Fall von Diskriminierung gem. §§7, 6 und 1 AGG? Dies wird an folgender Entscheidung (LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 03.11.2014 – 1 Sa 13/14) näher erläutert. Der Beklagte ist hierbei ein öffentlicher Arbeitgeber.

Gem. §82 Satz 2 SGB IX ist der öffentliche Arbeitgeber verpflichtet Schwerbehinderte im Bewerbungsprozess zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Diese Vorschrift ist zwingendes Recht und  wird nur außer Kraft gesetzt, wenn gem. Satz 3 die fachliche Eignung „offensichtlich“ fehlt! Eine Einladung erhielt der schwerbehinderte Bewerber, aber in welcher Art und Weise hielt er wahrscheinlich selbst nicht für möglich (siehe Urteil Randnummer 13).

Das Urteil des LAG Baden-Württemberg sagt hierzu: Eine Mitteilung des öffentlichen Arbeitgebers an den schwerbehinderten Bewerber, dass dessen Bewerbung nach der „Papierform“ nur eine geringe Erfolgsaussicht habe, weshalb dieser mitteilen möge, ob er das Vorstellungsgespräch wahrnehmen wolle, macht den gesetzlich intendierten Chancenvorteil des schwerbehinderten Bewerbers zunichte. Zumal durch eine Art Vorauswahl die Verpflichtung des öffentlichen Arbeitgebers, unvoreingenommen das Vorstellungsgespräch zu führen und eine neutrale Atmosphäre zu ermöglichen, nicht erfüllt ist. Eine solch „abschreckende“ Einladung begründet – genau wie die unterbliebene Einladung – gem. §22 AGG die Vermutung der Benachteiligung wegen der Behinderung.

Bloß haben vorliegend die Argumente des öffentlichen Arbeitgebers überhaupt keinen Wert??? Ich finde schon. Laut Sachverhalt, auf Grund der längeren Anreise, wären dem schwerbehinderten Bewerber nämlich erhebliche Kosten entstanden. Daher plädiere ich mit großer Wahrscheinlichkeit darauf, wenn dieser seinen Wohnsitz in der Nähe der Betriebsstätte gehabt hätte, eine neutrale Einladung, wie jeder sie kennt, erfolgt wäre!!! Der Hinweis ist nur ein Zeichen von Fürsorge!

Denn besonders möchte ich darauf hinweisen, obwohl der schwerbehinderte Bewerber auf die Einladung keinerlei Reaktion zeigte, erhielt er trotzdem eine weitere Nachricht mit genauem Datum etc. Der öffentliche Arbeitgeber hätte auch einfach den weiteren Werdegang unterlassen können! Die Pflicht nach §82 Satz 2 SGB IX war ja erfüllt! Die Behinderung war also für den Hinweis nicht ausschlaggebend. Es war mehr ein gewisser Schutzmechanismus.

Nichtsdestotrotz musste der öffentliche Arbeitgeber als Entschädigung ein Bruttomonatsgehalt zahlen gem. §15 Absatz 2 AGG i. V. m. §61b Absatz 1 ArbGG. Wieso? Leider lässt es sich nicht schön reden, dass der Kläger aus dieser Situation heraus noch dieselbe, neutrale Chance, wie andere Bewerber, gehabt hätte. Ihm war es nur noch möglich ein beharrendes Gremium zu überzeugen!!! Daher ist eine Benachteiligung wegen der Behinderung begründet, auch wenn sie rein aus den Schutzmaßnahmen resultiert ist.

Das „Gute“ geht nicht überall positiv aus!