Gewerkschaften zeigen zwar Interesse an der tarifrechtlichen Belegschaftsteilung, allerdings nur dann, wenn die Vorteile des Tarifvertrages lediglich den Gewerkschaftsmitgliedern zustehen. Es ist nämlich so, dass tarifgebundene Arbeitgeber tarifrechtlich betrachtet zwei Teilbelegschaften haben, und zwar die organisierten und nichtorganisierten Arbeitnehmer folglich aus §§ 3 I, 4 I 1 TVG. In der Praxis ziehen jedoch sehr viele „Außenseiter“ über schuldrechtliche Verweisungsklauseln Vorteile aus den durch die Gewerkschaften ausgehandelten Tarifverträgen, welche eigentlich unmittelbar und zwingend nur den Mitgliedern zustehen. Deshalb versuchen Gewerkschaften diese „Zweiteilung der Belegschaft“ durch sogenannte tarifvertragliche Differenzierungsklauseln zu sichern. Tarifliche Regelungen, die zwischen Gewerkschaftsmitgliedern und Nichtgewerkschaftsmitgliedern unterscheiden, nennt man Differenzierungsklauseln. „Einfache Differenzierungsklauseln“ sind Regelungen, wo die Gewerkschaftsmitgliedschaft im Zentrum steht, um von bestimmten tarifvertraglichen Leistungen profitieren zu können (allgemeine oder beschränkte Differenzierungsklauseln). Bei den einfachen Differenzierungsklauseln können die Organisierten zwar auf den Genuss der Vorteilsregelungen kommen, jedoch haben ebenso Nichtorganisierte auch hier die Möglichkeit, durch Umwege ihre Nutzen aus diesen Regelungen herauszuschlagen. Bei den sog. „qualifizierten Differenzierungsklauseln“ werden tarifliche Leistungen ausschließlich auf organisierte Arbeitnehmer begrenzt. Hier sind Nichtgewerkschaftsmitglieder von der Vorteilsregelung ausgeschlossen. Entweder wird dies durch die normative Wirkung des Tarifvertrags genutzt oder durch schuldrechtliche Verpflichtungen des Arbeitgebers bzw. des tarifschließenden Arbeitgeberverbands. Differenzierungsklauseln werden ausschließlich in Tarifverträgen festgehalten. Es ist jedoch fraglich, ob diese nicht einen Verstoß gegen Art. 9 III GG darstellen, also gegen die negative Koalitionsfreiheit der Nicht- und anders Organisierten verstoßen.

Aktuell gibt es sogar „Differenzierungsklauseln“ unter Gewerkschaftsmitgliedern, und zwar zwischen Alt-Gewerkschaftsmitgliedern und später eingetretenen Gewerkschaftsmitgliedern (BAG, Urteil vom 15.04.2015, 4 AZR 796/13). Die Sachlage dieses Urteils ist die, dass ein Arbeitgeber und die IG Metall sich auf einen Personalabbau einigten. In dem „Transfer- und Sozialtarifvertrag“ wurden Vorteilsregelungen hinsichtlich Abfindung und Entgelt nur für die Gewerkschaftsmitglieder festgehalten, die bereits zu dem Stichtag 23.03.2012 Mitglied waren. Eine später der IG Metall beigetretene Gewerkschafterin klagte dementsprechend beim BAG mit der Begründung, dass es sich hier doch um Differenzierungsklauseln handeln würde. Das BAG kam jedoch zu dem Entschluss, dass es sich hier nicht um Differenzierungsklauseln handeln würde, da hier nicht zwischen Gewerkschaftsmitgliedern und Nichtgewerkschaftsmitgliedern unterschieden wurde und somit auch kein Verstoß gegen die negative Koalitionsfreiheit vorliege. So korrekt dieses BAG-Urteil auch sein mag, kommt trotzdem die Frage auf, ob das Differenzieren unter Gewerkschaftsmitgliedern eine Gewerkschaftsmitgliedschaft an sich nicht noch unattraktiver macht, als sie jetzt schon ist.