Die Videoüberwachung durch den Arbeitgeber ist ein stark diskutiertes Thema. Interessen und Sicherheit des Arbeitgebers stehen im Konflikt mit Persönlichkeitsrechten der Arbeitnehmer. Diese Art der Videoüberwachung kann einen erheblichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen darstellen, insbesondere dann, wenn ein Privatdetektiv mit der Observation beauftragt wurde. Dennoch möchten immer mehr Arbeitgeber diese Kontrollmaßnahme als Schutz des Unternehmens, seiner Vermögens- und Sachwerte einsetzen. Mit dem Urteil des BAG vom Februar 2015 (BAG Urt. v. 19.02.2015 – 8 AZR 1007/13) wurde die rechtliche Grundlage hierfür stark verfeinert und es gelten deutliche Richtlinien für eine Observation mit Videokameras.
Sachverhalt
Die überwachte Arbeitnehmerin (Klägerin) war seit Mai 2011 bei der Beklagten als Assistentin der Geschäftsleitung tätig. Im Dezember kam es zu einer Meinungsverschiedenheit zwischen ihr und dem Geschäftsführer, woraufhin sie sich arbeitsunfähig meldete, zunächst mit Bronchialerkrankungen, anschließend wegen eines Bandscheibenvorfalls. Für die Zeit bis zum 28.02.2012 legte sie insgesamt sechs Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor. Der Geschäftsführer bezweifelte den Bandscheibenvorfall und beauftragte einen Detektiv mit der Observation seiner Arbeitnehmerin. Der Detektiv beobachtete diese in ihrem privaten Umfeld: u.a. im Waschsalon, bei ihrem Auto, vor ihrem Haus etc. Der Observationsbericht zeigte elf Bilder, neun davon aus Videosequenzen. Das Arbeitsverhältnis wurde daraufhin fristlos und hilfsweise fristgerecht gekündigt. Die Klägerin erhob Kündigungsschutzklage und erweiterte die Klage später um einen Schmerzensgeldanspruch in Höhe von drei Bruttomonatsgehältern (10.500 €). Das Arbeitsgericht Münster entschied, dass zwar die Kündigung nicht gerechtfertigt gewesen sei, die Klägerin aber nicht schwer in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt worden sei. Der Antrag auf Zahlung eines Schmerzensgelds wurde abgewiesen (ArbG Münster, 11.01.2013 – 4 Ca 455/12). Das LAG Hamm, Urteil vom 11.07.2013 (Az. 11 Sa 312/13), sprach ihr jedoch eine Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 1.000 € zu. Gegen dieses Urteil legten beide Parteien Revision ein. Interessant ist hierbei eine Anmerkung des LAG Hamm, die an sich nicht entscheidungserheblich war, nach der jedoch eine solche Überwachung selbst auch bei gerechtfertigtem Interesse aufgrund der Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme unzulässig gewesen wäre. Es hätte in jedem Fall ausgereicht, einen Bericht zu erstellen und den Detektiv als Zeugen zu befragen oder die bezweifelte Krankheit vom medizinischen Dienst überprüfen zu lassen. In der Revision hat das BAG entschieden, dass die heimlichen Videoaufnahmen durch einen vom Arbeitgeber beauftragten Detektiv wegen Verdachts einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit nur in engen Ausnahmefällen zulässig seien. Es müssten berechtigte und erhebliche Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit bestehen. Der Zuspruch des Schmerzensgeldes vom LAG wurde bestätigt, wenn auch sich der Betrag an der unteren Grenze des Ermessungsspielraums befindet (BAG Urt. v. 19.02.2015 – 8 AZR 1007/13).
Streitfragen
Das BAG hat sich im vorliegenden Fall mit den folgenden Streitfragen auseinandergesetzt:
- Darf der Arbeitgeber Arbeitnehmer überwachen (lassen) ohne dringenden Verdacht, dass diese krankfeiern?
- Ab wann gilt ein Verdacht als dringend?
- Wann ist das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers verletzt und begründet ein Anspruch auf Schmerzensgeld?
Schutzrechte
Natürlich besteht für den Arbeitgeber in fast jedem Arbeitsverhältnis ein berechtigtes Interesse daran, die bei ihm angestellten Arbeitnehmer zu kontrollieren. In der Praxis bedeutsam ist hierbei natürlich die Kontrolle zur Vermeidung von Vermögensdelikten. Durch eine Videoüberwachung am Arbeitsplatz wird in der Regel jedoch in schwerwiegender Weise in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer eingegriffen. Das Persönlichkeitsrecht wird durch die Grundrechte der Unantastbarkeit der Würde des Menschen aus Art. 1 I GG und der freien Entfaltung der Persönlichkeit aus Art. 2 I GG geschützt. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst auch das Recht am eigenen Bild (§§ 22ff. KunstUrhG). Es gehört zum Selbstbestimmungsrecht eines jeden Menschen darüber zu entscheiden, wann und wie Filmaufnahmen von ihm gemacht werden und ob bzw. wie diese verwendet werden (dürfen). Einen besonderen Schutzrahmen stellt auch das Bundesdatenschutzgesetz dar, hier insbesondere § 6b BDSG. Das Recht der informellen Selbstbestimmung bedarf unter den Bedingungen der automatischen Datenverarbeitung in besonderem Maße an Schutz, dies hat auch das BAG in seinem Urteil vom 29.06.2004 – 1 ABR 21/03 festgestellt.
Zulässigkeitsgrenze
Zulässigkeitsgrenzen für die Videoüberwachung durch den Arbeitgeber existieren im Wesentlichen in zweierlei Hinsicht: auf der individualrechtlichen Ebene des Einzelvertrages stellt der verfassungsrechtlich gewährleistete Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eine bedeutende Schranke dar. Im Einzelfall kann jedoch in diesen eingegriffen werden. Dieser Eingriff muss dann nach einer Güter- und Interessensabwägung gerechtfertigt sein. Die Gerichte haben bestätigt, dass eine Videoüberwachung eines dringenden Verdachts bedarf. Dieser muss auf konkreten Tatsachen beruhen, reine Vermutungen reichen nicht aus. Darüber hinaus hätte die heimliche Überwachung die „ultima ratio“ sein müssen; weniger einschneidende andere Mittel zur Aufklärung des Verdachts hätten beim Arbeitgeber nicht vorliegen dürfen. Abschließend hätte die Maßnahme auch verhältnismäßig sein müssen. Auf Seiten des Arbeitgebers könnte der konkrete Verdacht der Pflichtverletzung des Arbeitnehmers durch „krankfeiern“ ausreichen, wenn dem Arbeitgeber Tatsachen vorliegen, die diesen Verdacht bestätigen. Allerdings stellt wie oben dargelegt eine Observation per Privatdetektiv nicht das letzte verhältnismäßige Mittel dar. Somit wurde das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers verletzt. Die Gerichte stellten fest, dass die rechtswidriger Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eine Geldentschädigung für immaterielle Schäden auslösen kann, wenn es sich um eine schwerwiegende Verletzung handelt und die Beeinträchtigung nach Art der Verletzung nicht in anderer Weise – Unterlassen, Gegendarstellung oder Widerruf – befriedigend ausgeglichen werden kann. Faktoren zur Bemessung der Geldentschädigung sind die Genugtuung des Opfers, der Präventionsgedanke und die Intensität der Persönlichkeitsrechtsverletzung.
In kollektivrechtlicher Hinsicht setzten die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates aus § 87 Betriebsverfassungsgesetz dem Arbeitgeber Grenzen, denn auch die Betriebsvereinbarung muss das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers wahren.
Fazit
Bisher waren die Voraussetzungen für einen Detektiveinsatz in dieser Deutlichkeit nicht geregelt. Fachanwälte gehen davon aus, dass die Zahl der Observationen nach diesem Urteil deutlich zurückgehen wird. Das Urteil des BAG stellt eine sehr gute Kompromiss-Lösung dar und beachtet auch die Praxisauswirkung und rechtliche Tragweite, indem es zwar einen rechtlichen Rahmen für Videokontrolle schafft und somit Rechtssicherheit, diesen aber dennoch eng genug steckt, dass sowohl die Interessen der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber im Einzelfall gewahrt bleiben.