Lange Zeit gewährte das BAG Langzeiterkrankten, die während ihrer Erkrankung aus dem Arbeitsverhältnis ausschieden, keinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung. Seit der Entscheidung vom EuGH zum Fall Schultz-Hoff (EuGH, Urteil vom 20.01.2009 – C‑350/06) hat sich dies grundlegend geändert. Auch noch heute, 6 Jahre später, prägt das Urteil die aktuelle Rechtsprechung.

Im Jahr 2006 verklagte Herr Schultz-Hoff seinen damaligen Arbeitgeber, die „Deutsche Rentenversicherung Bund“, auf seine Urlaubsabgeltung für die Jahre 2004 und 2005. Aufgrund langandauernder Krankheit und Beendigung des Arbeitsverhältnisses war es ihm nicht möglich den Erholungsurlaub für die genannten Jahre in Anspruch zu nehmen. Bis dahin sah die Rechtsprechung des BAG vor, dass ein Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG nur dann vorliegt, wenn der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch einen Anspruch auf Urlaub gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG in natura gehabt hätte. Damit stellte § 7 Abs. 4 BUrlG lediglich ein Ersatzanspruch dar und fiel unter die gleichen Grenzen wie der Urlaubsanspruch nach § 7 Abs. 3 BUrlG. Gemäß dieser Auslegung wurde ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung für Herrn Schultz-Hoff verneint. In seiner Entscheidung vom 20.01.2009 entschied der EuGH jedoch, dass eine solche Auslegung europarechtswidrig sei und ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach Art. 7 Richtlinie 2003/88/EG nicht erlöschen darf, wenn der Arbeitnehmer während des Bezugszeitraumes (teils) arbeitsunfähig war und die Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende seines Arbeitsverhältnisses bestanden hat und er Rentenbezieher wurde.

Knapp 3 Jahre später legte der EuGH mit der Entscheidung zum Schulte-Urteil (EuGH, Urteil vom 22.11.2011 – C-214/10) dann auch die Grenzen für den Urlaubsabgeltungsanspruch fest und begrenzte einen etwaigen tarifvertraglichen Abgeltungsanspruch auf 15 Monate. Diese Rechtsprechung weitete das BAG mit Urteil vom 07.08.2012 – 9 AZR 353/10 später auch auf Individualverträge aus.

Durch die weitere Entscheidung auch arbeitsfähigen Arbeitnehmern bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Urlaubsabgeltungsanspruch zuzusprechen, wenn dieser in natura gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen war (BAG, Urteil vom 19.06.2012 – 9 AZR 652/10), gab das BAG die Surrogatstheorie schlussendlich vollständig auf. Damit stellt der § 7 Abs. 4 BUrlG auf eine finanzielle Vergütung i.S.d. Art. 7 Abs. 2 Richtlinie 2003/88/EG ab und entspricht nur noch einem reinen Geldanspruch, der unabhängig von der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers besteht. Weiterhin unterliegt der § 7 Abs. 4 BUrlG durch die Entkoppelung nicht mehr den Fristen des § 7 Abs. 3 BUrlG.

Wie wichtig diese Entscheidungen waren, zeigt sich noch heute. Nicht ohne Grund wurde vor einem Monat zugunsten einer Arbeitnehmerin entschieden (BAG, Urteil vom 19.05.2015 – 9 AZR 725/13), der während ihrer Elternzeit gekündigt worden ist und der nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Erholungsurlaub nachträglich gekürzt und die Urlaubsabgeltung entsprechend verringert werden sollte. Gemäß der Surrogatstheorie war eine entsprechende Kürzungsbefugnis möglich gewesen, wurde aber nunmehr verneint. Denn bei dem Urlaubsabgeltungsanspruch handelt es sich um einen Geldanspruch, der allen anderen Zahlungsansprüchen des Arbeitsnehmers gegen den Arbeitgeber gleichzusetzen ist.