In dem Urteil vom 21. Oktober 2014 mit dem Aktenzeichen II ZR 330/13 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Hauptversammlungsort einer Societas Europaea (SE) durch Satzungsbeschluss ins Ausland verlegt werden kann. Jedoch ist die Gesellschaft bei der Wahl an Bestimmungen gebunden und sollte primär versuchen dem Großteil der Aktionäre eine Teilnahme an der Hauptversammlung zu ermöglichen. Welche weiteren Anforderungen sind an einen Hauptversammlungsort im Ausland zu stellen? Welche Folgen ergeben sich durch das Urteil für die Aktiengesellschaft?

Grundsätzlich gelten für die Organisation und den Ablauf der Hauptversammlung einer Europäischen Gesellschaft gemäß Art. 53 der SE-Verordnung die im Sitzstaat für Aktiengesellschaften maßgeblichen Rechtsvorschriften. Da im Abschnitt 4 der SE-Verordnung keine Stellung zum Hauptversammlungsort bezogen wird, ist hier § 121 V AktG einschlägig. Grundsätzlich richtet sich der Hauptversammlungsort nach dem Sitz der Gesellschaft bzw. dem Sitz der Börse falls Aktien der Gesellschaft an einer deutschen Börse zum Handel im regulierten Markt zugelassen worden sind. § 121 V AktG erlaubt es in der Satzung einen anderen Hauptversammlungsort zu bestimmen.

Das Urteil beschäftigt sich mit den Voraussetzungen für eine Satzungsregelung über einen Versammlungsort im Ausland sowie mit der Frage, ob eine Beurkundung durch einen ausländischen Notar einer deutschen Beurkundung gleichsteht. Das Urteil lässt offen, ob und wie die Rechtsfolgen für die SE auch auf die nationale AG anwendbar sind. Dieser Fragestellung wird im Fazit des Beitrags nachgegangen.

Sachverhalt

Beklagte ist eine SE mit Sitz in Berlin. Im Zuge der Hauptversammlung sollte die Satzung wie folgt neu gefasst werden: “ Die Hauptversammlung der Gesellschaft findet entweder am Sitz der Gesellschaft, dem Sitz einer Wertpapierbörse in der Europäischen Union oder einer Großstadt in der Europäischen Union mit mehr als 500.000 Einwohnern statt.“ Dagegen legten Aktionäre Widerspruch ein und erhoben Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage. Die Klagen wurden vom Land- und Berufungsgericht abgewiesen. Die Revision wurde zugelassen, weshalb der BGH sich nun mit dem Thema auseinander gesetzt hat.

Entscheidung des BGH

Der erste vom BGH untersuchte Problempunkt liegt in dem Beurkundungserfordernis nach § 130 I S. 1 AktG. Eine Versammlung im Ausland steht dem Paragraphen jedoch nicht grundsätzlich entgegen, wenn die Beurkundung durch einen ausländischen Notar durchgeführt wurde und wenn sie der deutschen Beurkundung gleichwertig sei. Sie wird dann als gleichwertig angesehen, wenn die ausländische Urkundsperson nach Vorbildung und Stellung im Rechtsleben eine der Tätigkeit des deutschen Notars entsprechende Funktion ausübt und für die Urkunde ein Verfahrensrecht zu beachten hat, das den tragenden Grundsätzen des deutschen Beurkundungsrecht entspricht.

Die zweite Problematik betrifft die Frage nach der Zulässigkeit von Satzungsregeln über einen Versammlungsort im Ausland. Der BGH stellt in seinem Urteil zunächst heraus, dass diese Satzungsregelungen grundsätzlich zulässig sind. Dies lässt sich daraus schließen, dass der Wortlaut von § 121 V AktG keine entsprechende Eingrenzung auf das Inland enthalte. Der Schutzzweck der Norm liegt vielmehr darin, die Beteiligten, insbesondere die Minderheitsaktionäre vor einer willkürlichen Auswahl des Versammlungsorts zu schützen. Soll der Versammlungsort im Ausland sein, ist dies besonders bei an Deutschland angrenzenden Länder unproblematisch, da dabei ein Hauptversammlungsort ebenso schnell und einfach wie in Deutschland erreichbar wäre.

Im vorliegenden Fall war die Satzungsänderung aber unvereinbar mit den Grundsätzen des § 121 V AktG, die eine sachgerechte, am Teilnahmeinteresse der Aktionäre ausgerichtete Vorgabe für den Versammlungsort forderten. Damit wäre eine Satzungsregelung vereinbar, welche mehrere Orte aufführt unter denen das Einberufungsorgan wählen kann oder lediglich eine regional begrenzte geographische Vorgabe macht (BGH, Urteil vom 8. November 1993 – II ZR 26/93, ZIP 1993, 1867, 1870). Laut Bundesgerichtshof entspricht eine Regelung, die dem Einberufungsberechtigten die Auswahl unter einer großen Zahl verschiedener, hier zudem noch geographisch weit auseinander liegender Orte überlässt, nicht dieser sachgerechten Bindung. Dem Aktionär ist es daher aufgrund der unbestimmten Satzungsregelung nicht möglich, sich auf einen konkreten Versammlungsort einzustellen und er könnte ggf. gezwungen werden, bis an den Rand der EU zu reisen. Eine derartige Regelung schränkt die Teilnahmemöglichkeit des Aktionärs unzulässig ein und verletzt somit sein Teilnahmerecht.

Auswirkungen und Fazit

Die Satzung einer SE und die Beschlüsse der Hauptversammlung einer solchen sind zwingend notariell zu beurkunden. Dies ergibt sich aus der Verweisung der SE-VO in das nationale Gesellschaftsrecht des Staates, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat. In Deutschland wird damit in das Aktienrecht verwiesen, wodurch dieses Urteil auch für eine AG anwendbar sein könnte. Gegen die analoge Anwendbarkeit des Urteils für Aktiengesellschaften spricht im Vergleich mit dem internationalen Charakter der SE die nationale Ausrichtung und der Aktionärsschutz bei der nicht börsennotierten AG. Maßgeblich für die Anwendbarkeit auf die AG ist die Möglichkeit dieser, wirksame Beschlüsse im Ausland zu fassen, denn nur dann kann eine Hauptversammlung dort abgehalten werden. Die Wirksamkeit der Beschlüsse richtet sich nach der Beurkundung im Ausland. Eine Auslandsbeurkundung ist dann möglich, wenn diese der Beurkundung eines deutschen Notars gleichwertig ist. Die Frage, wann dies der Fall ist, ergibt sich aus der Stellung des Notars im jeweiligen EU-Mitgliedsstaat. Demnach kann die Hauptversammlung einer AG im Ausland grundsätzlich unter der Voraussetzung einer dem deutschen Recht gleichwertigen Auslandsbeurkundung stattfinden. Neben der Auslandsbeurkundung kann auch die willkürliche Wahl des Hauptversammlungsortes der SE oder AG zu Rechtsunsicherheit und Problemen in der Praxis führen.

Trotz der Billigung einer Auslands-Hauptversammlung durch den BGH erscheint es ungemein kompliziert eine wirksame und korrekte Klausel in die Satzung einzufügen. Grundsätzlich kann die Satzung beider Gesellschaften einen Hauptversammlungsort im Ausland bestimmen, der gut erreichbar ist. Der BGH knüpft jedoch noch weitere Voraussetzungen an die Satzungsklausel, welche noch einer weiteren Spezifizierung benötigen. Klar ist, dass eine ungenaue Formulierung mit einer Vielzahl an Orten innerhalb der EU und sehr weiten Anreise zu dem Versammlungsort nicht den Anforderungen des BGH entspricht. Zeitgleich bleibt noch unklar, inwieweit ein Bezug zur wirtschaftlichen Tätigkeit der Gesellschaft für den BGH maßgeblich ist. Wichtig ist, dass sich auch der Minderheitsaktionär auf einen oder mehrere Versammlungsorte einstellen können muss. Diese Anforderung des BGH spricht dafür, dass in der Satzung eine klare und für die Anreise zumutbare Auswahl möglicher Orte zu benennen ist, von der nicht abgewichen werden kann.

Das Urteil schafft insbesondere für Aktiengesellschaften mit ausländischen Mehrheitsaktionären Rechtssicherheit, welche eine Abhaltung der Hauptversammlungen am Sitz des Mehrheitsaktionärs anstreben. Außerdem greift das Urteil den europäischen Charakter der SE auf und lockert im Zuge der Europäisierung die Voraussetzungen der AG hinsichtlich der Regelung von Hauptversammlungsorten. Letztlich gewährleistet die Einschränkung der Auswahl von Versammlungsorten anhand sachgerechter Kriterien, insbesondere der guten Erreichbarkeit des Versammlungsortes für die Aktionäre, einen ausreichenden Schutz der Interessen etwaiger (Minderheits-)aktionäre.