Die Lehman-Pleite im Jahr 2008 brachte viele Geldanleger um ihr Vermögen. Auf Grund der Insolvenz einer der größten Banken in der Finanzbranche verloren zahlreiche Personen ihr Erspartes. Die zuvor erworbenen Lehman Zertifikate waren wertlos. Nun sprach der BGH zwei Geschädigten in Deutschland Schadensersatz zu, weil die beratende Bank den Anlegern wichtige Informationen zu Sonderkündigungsrechten vorenthielt.

Was geschah genau?

In der ersten Entscheidung (XI ZR 169/13 vom 25.11.2014) hat der Kläger einen Anspruch auf Schadensersatz gegenüber der Bethmann Bank geltend gemacht.

Der Kläger erwarb Lehman Brother-Wertpapiere im Wert von rund 33.000 € bei der Bethmann Bank AG. Bei den Papieren handelte es sich um sogenannte Garantiezertifikate mit hundertprozentigem Kapitalschutz zum Laufzeitende, die unabhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung eine Rückzahlung gewährleisten, welche mindestens dem Nennbetrag entsprechen. Er erhielt im Beratungsgespräch weder Informationen über das Verlustrisiko noch über mögliche Sonderkündigungsrechte der Bank. Diese hat Sonderkündigungsrechte einschließlich der Risikofaktoren nur im gesonderten Basisprospekt ausgewiesen und dem Kläger nicht ausgehändigt.

Anlässlich der Lehman Pleite im Jahr 2008 machte die Lehmann Brothers Gebrauch von einem Sonderkündigungsrecht im Insolvenzfall. Der Kläger erhob Schadensersatzansprüche aufgrund von schuldhafter Fehlberatung durch die Bethmann Bank AG. Er verlangte die Rückzahlung des Anlagebetrages in Höhe von rund 33.000 €.

Ähnlich verhielt es sich in einem weiteren Verfahren (XI ZR 480/13 v. 25.11.2014). Der Anleger kaufte bei der Bethmann Bank AG Aktienfonds und Garantiezertifikate der Lehman Bank zu einem Gesamtwert von ca. 140.000 €. Auch in diesem Fall hat die Bank dem Anleger eine Kapitalgarantie von 100 Prozent des Ausgabepreises zum Laufzeitende, unabhängig von der Entwicklung des Basiswertes, zugesichert und kein Basisprospekt mit den benötigten Informationen zu Sonderkündigungsrechten vorgelegt. Die Beklagte versäumte es den Anleger in ausreichendem Maße über mögliche Verluste, welche im Fall einer Insolvenz eintreten können, zu informieren. Im Zuge des Insolvenzverfahrens der Lehman Bank forderte der Kläger die Rückzahlung des Anlagebetrages inklusive Zinsen. Der BGH bestätigte die Vorinstanz und sprach dem Kläger den geforderten Schadensersatz zu.

Entscheidungsgründe

Grund für diese Entscheidungen war die Falschberatung der Beklagten. Bei der Anlageberatung besteht die Pflicht über etwaige Schwankungen der Konjunktur und die Entwicklung des Kapitalmarktes sowie über spezielle Risiken, die sich aus der Besonderheit des Anlageobjektes ergeben, zu informieren. Auch der Wissensstand, die Risikobereitschaft und das Anlageziel des Kunden müssen in ausreichendem Maße berücksichtigt werden. In den vorliegenden Fällen hat die Bank den Klägern ein Garantiezertifikat mit hundertprozentigem Kapitalschutz empfohlen.

Wesentliches Merkmale eines Garantiezertifikates ist das geringe Risiko Vermögen zu verlieren. Nur in Ausnahmefällen, wie beispielsweise bei einer Insolvenz der Emittentin kann es zu einem Verlust des angelegten Kapitals kommen. Bei einem solchen Insolvenzfall steht der Bank ein Sonderkündigungsrecht zu.

Jedoch hätte die Bethmann Bank die Kläger bei dem Erwerb eines Garantiezertifikates über die in den Anleihebedingungen geregelten Sonderkündigungsrechte aufklären müssen. Die Regelungen zum Sonderkündigungsrecht sind wesentlicher Teil der Anlageentscheidung und aufklärungsbedürftig. Über die Möglichkeit eines Totalverlustes ihres angelegten Kapitals hätte die beratende Bank die Kläger ungefragt informieren müssen. Diese Pflicht aus dem Anlageberatungsvertrag wurde schuldhaft verletzt.

Der BGH sprach den Klägern den geforderten Schadensersatz zu und verschärfte damit den Anlegerschutz in der Prinzipal-Agent-Beziehung. Diese ergibt sich aus den Informationsasymmetrien und Interessenkonflikten von Auftraggeber und Auftragnehmer. Kleinanleger mit einer Insolvenzforderung von bis zu 50.000 US-Dollar bekamen eine pauschale Entschädigung in Höhe von 17 Prozent. Der Kläger im ersten Verfahren versäumte es die Entschädigung geltend zu machen und kam so seiner Verpflichtung zur Schadensminderung nicht nach. Im Falle eines Insolvenzverfahrens trifft den Gläubiger die Obliegenheit den Schaden in zumutbarem Maße gering zu halten. Er unterließ es, die Forderung rechtzeitig im Insolvenzverfahren der Lehman Bank anzumelden. Da der Kläger im zweiten Verfahren seiner Schadensminderungspflicht nachkam, bekam er seinen Verlust vollständig erstattet. 17 Prozent seines Anlagebetrages machte er ordnungsgemäß im Insolvenzverfahren geltend; den Restbetrag sprach ihm der BGH zu.

Was bedeutet dies für die Praxis?

Die Insolvenz der Lehman Bank brachte rund 40.000 deutsche Kleinanleger um ihr Erspartes mit geringer Hoffnung auf Entschädigung. In anderen Prozessen hat der BGH die Pflicht zur Schadensersatzleistung wegen fehlerhafter Beratung der Bank oftmals abgelehnt (u.a. BGH Urteile v. 27.09.2011, XI ZR 182/10, XI ZR 178/10; OLG Celle Urteil v. 15.05.2013, 3 U 11/13). Das generelle Anlagerisiko, beispielsweise durch eine mögliche Insolvenz, hätten die Anleger in Betracht ziehen müssen. Der Bank werden zwar Informationspflichten auferlegt, ein genereller Schutz vor einer unzureichenden oder einer Falschberatung resultiert daraus jedoch nicht für den Anleger.

Die Urteile vom 25.11.2014 stellen eine Ausnahme dar, sodass für weitere geschädigte Anleger eine Einzelfallabwägung notwendig ist. Diese Ausnahme ergibt sich aus den besonderen Vertragskonstellationen in Bezug auf den hundertprozentigen Kapitalschutz in Verbindung mit den eingeräumten, jedoch nicht offengelegten Sonderkündigungsrechten in besonderen Fällen. Erstmals bekamen die Geschädigten vor dem BGH Recht zugesprochen. Diese Sonderkonstellation betrifft hingegen nur einen kleinen Teil der geschädigten Anleger, die eine Chance auf Schadensersatz haben.

Für Erfolgsaussichten auf Schadensersatz bedarf es neben der Sonderkonstellation der Einhaltung der Verjährungsfrist. Diese Verjährungsfrist beträgt drei Jahre nach Kenntnis der Aufklärungsverletzung der Bank. Den Urteilen, mit den annährend deckungsgleichen Tatbeständen, kam in den Medien eine erhöhte Aufmerksamkeit zu. Diese resultiert aus der hohen Anzahl der geschädigten Anleger aus der Lehman-Pleite. Die Anleger vermochten aus den Urteilen einen Hoffnungsschimmer zu verspüren, die Entscheidung auf ihren Sachverhalt übertragen zu können. Dieser wird bei näherer Betrachtung schnell getrübt. Durch die hohen Anforderungen an die Tatbestandsvoraussetzungen ist ein Schadensersatzanspruch für nur wenige Anleger denkbar. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so kommen die BGH Urteile für viele geschädigte Anleger aufgrund der Verjährungsfristen zu spät um ihre Schadensersatzansprüche noch geltend zu machen.